Union und SPD sind sich in wichtigen Bereichen wie Migration und Familie einig – bei Gesundheit und Arbeitsmarkt hakt es aber noch.

Horst Seehofer hat Zeitdruck. Am Sonntagnachmittag um 16.05 Uhr sei seine Deadline für die Koalitionsverhandlungen mit der Union. Dann fährt tatsächlich der ICE 1729 vom Berliner Hauptbahnhof nach München ab. Ob Seehofer, der sich stets in seinem Dienstwagen fahren lässt, das schafft? Der Mehrheit der Deutschen dürfte es aber nach mehr als vier Monaten ohne neue Regierung wie dem CSU-Vorsitzenden gehen. Es reicht.

Seehofers Generalsekretär Andreas Scheuer nimmt die sportliche Ansage jedenfalls ernst: „Mein Parteivorsitzender sagt, sein Zug geht um 16 Uhr am Sonntag. Also, das ist meine Vorgabe.“ Mit Seehofers Zeitvorgaben ist das so eine Sache. Als er am 26. November einen erfolgreichen Abschluss der Jamaika-Gespräche bis 18.00 Uhr prophezeite, ließ FDP-Chef Christian Lindner um 23.50 Uhr die Gespräche platzen.

In drei Bereichen noch nicht einig

Die SPD jedenfalls will sich von Seehofer nicht hetzen lassen. Das Finale – inklusive der Verteilung der Ministerien – könnte auch erst am Montag über die Bühne gehen, heißt es aus Parteikreisen. Am Dienstag, 18.00 Uhr,

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die über den Koalitionsvertrag abstimmen wollen. Der

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rechnet sich gute Chancen aus, eine GroKo zu stoppen.

Am Sonnabend saß die Spitzengruppe der 15 wichtigsten Verhandler stundenlang bei Schnitzel und Kartoffelbrei in der CDU-Parteizentrale zusammen, um die Ergebnisse der 17 Arbeitsgruppen zu bewerten. Noch keine Einigung zeichnete sich in der Gesundheitspolitik, beim Umgang mit

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sowie in der Miet- und Wohnungsbaupolitik ab.

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• Asyl- und Flüchtlingspolitik

Hier haben Union und SPD einen letzten Streitpunkt abgeräumt. Dabei ging es um die Auslegung eines Maximalwerts für die Zuwanderungszahlen. Nun soll es bei den Formulierungen aus dem Sondierungspapier bleiben. Darin heißt es, Union und SPD stellten fest, dass die Zuwanderungszahlen „die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen werden“.

Beim

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BERLIN, GERMANY - FEBRUARY 01:  German Chancellor Angela Merkel (C-L) prepares to cast her ballot as she stands next Beatrix von Storch of the right-wing AfD at the Bundestag following debates over a proposal concerning the rights of refugees who have been granted limited asylum in Germany to bring into Germany members of their immediate families on February 1, 2018 in Berlin, Germany. The German Christian Democrats (CDU/CSU) and the German Social Democrats (SPD), in their ongoing coalition negotiations, agreed yesterday on a compromise that starting August 1 the number of family members allowed to immigrate will be capped at 1,000 per month.  (Photo by Sean Gallup/Getty Images)
Von Tim Braune, Theresa Martus und Miguel Sanches

hatten beide Seiten bereits zuvor vereinbart, diese Möglichkeit für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus länger als bislang geplant auszusetzen und ihn ab Anfang August nur begrenzt auf bis zu 1000 Menschen monatlich zu erlauben.

Obwohl die Union der SPD zusagte, auf eine „irreführende Öffentlichkeitsarbeit“ (gemeint ist die CSU-„Obergrenze“) zu verzichten,

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SPD-Vize Ralf Stegner reagierte gereizt: „Wie die CSU in ihre eigenen Reihen kommuniziert, ist uns vollkommen wurscht. Ob die das Weißwurstlinie, Obergrenze oder Anti-Flüchtlingswall nennen.“

Als großen Erfolg wertete die SPD die Einführung eines Einwanderungsgesetzes. Dabei sollen Fachkräfte nach Kriterien wie dem Bedarf der Wirtschaft, Qualifikation, Alter, Sprache, Nachweis eines Arbeitsplatzes und Sicherung des Lebensunterhalts angeworben werden. Nicht nur Akademiker sollen kommen, sondern „auch Einwandererinnen und Einwanderer mit qualifizierter Berufsausbildung bzw. ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen“.

• Innere Sicherheit

Union und SPD wollen einen neuen Anlauf nehmen, um Terrorkämpfer mit doppelter Staatsbürgerschaft auszubürgern. Ihnen soll der deutsche Pass entzogen werden, wie aus dem Beschlusspapier der zuständigen Arbeitsgruppe hervorgeht.

Die Fachpolitiker der großen Koalition einigten sich auch darauf,

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Bisher darf das Erbgut in Strafverfahren nur analysiert werden, um Abstammung und Geschlecht einer Person festzustellen. Künftig soll die Analyse zudem das Alter und äußere Merkmale wie Augen, Haar, Hautfarbe erfassen. Ferner wollen Union und SPD die Videoüberwachung an Brennpunkten „effektiv ausbauen“.

Bund und Länder sollen im Kampf gegen die Computerkriminalität enger zusammenarbeiten. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie wird gestärkt. Doch konnten sich Union und SPD nicht darauf verständigen, bei Cyberangriffe zurückzuschlagen und fremde Server anzugreifen („Hack Back“).

• Familie

Das Kindergeld soll in dieser Wahlperiode um 25 Euro pro Monat und Kind erhöht werden. Nach Angaben von Familienministerin Katarina Barley (SPD) wird der Kinderzuschlag für einkommensschwache Familien erhöht. Geringverdienende Eltern dürften zudem mehr Geld von ihrem Einkommen behalten. Für mehr gebührenfreie Kita-Plätze und mehr Erzieher sollen weitere 3,5 Milliarden Euro ausgegeben werden. Auch wird es einen

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geben. „Für Eltern ist das ein Meilenstein hin zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, sagte Barley.

• Energie- und Klima

Union und SPD wollen bis 2030 gesetzlich verbindliche Klimaschutzziele für Wirtschaftsbereiche wie Energie, Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude vorschreiben. Das kündigte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) an. Sie räumte ein, dass man die nationalen Klimaschutzziele bis 2020 nicht ganz erreichen werde. Aber man wolle die Lücke so klein wie möglich halten.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) betonte, dass es einen 1,5-Milliarden-Euro-Fonds für den Strukturwandel (Kohleausstieg) geben soll.

Einigung bei den Themen Energie und Umwelt: Kommission soll über Wachstum und Strukturwandel wachen

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    (mit dpa/rtr)