Der russische Sonderbeauftragte Margelow behauptet das. Gaddafi soll sich in Moscheen verstecken und 25.000 Geiseln haben.

Moskau/Tripolis. Vertreter des libyschen Regimes von Muammar al-Gaddafi und der Opposition haben nach russischen Angaben unter anderem in Deutschland über die Lage in dem nordafrikanischen Land gesprochen. Ähnliche Kontakte beider Seiten habe es auch in Tunesien sowie in mehreren europäischen Staaten gegeben, darunter in Frankreich und Norwegen. Das sagte der Kreml-Sonderbeauftragte Michail Margelow nach Angaben der Agentur Interfax. Vorausgegangen war ein Gespräch mit dem tunesischen Außenminister Mouldi Kefi. Der Bericht wurde in Berlin nicht bestätigt. Auch aus Paris hieß es, es lägen „keine Informationen“ über ein Treffen von Gaddafi-Getreuen und Rebellen in der französischen Hauptstadt vor. Das ist nicht ungewöhnlich. Denn Geheimgespräche werden normalerweise nicht kommentiert. Bereits im Iran-Konflikt um das Atomprogramm soll Deutschland der Ort für geheime Verhandlungen gewesen sein.

„Die internationale Gemeinschaft kann heute nur einige Rezepte zur Lösung der Probleme in Libyen anbieten“, sagte Margelow nach Angaben der Agentur Interfax. „Aber die endgültige Entscheidung liegt bei den Libyern.“ Auch Gaddafis Schicksal müsse letztlich in einem „innerlibyschen Konsensus“ geklärt werden. „Die Libyer sollten einen Tisch für Verhandlungen aufstellen – egal, ob er rund, eckig oder sonst was ist“, sagte Margelow. Er hatte sich in Tripolis mit Mitgliedern des Gaddafi-Regimes und davor mit Vertretern der Opposition getroffen.

Die Nato hat unterdessen am Freitag in den sogar Mittagsstunden Ziele im Osten von Tripolis bombardiert. Mehrere Explosionen wurden in den Stadtteilen Ain Sara und Tadschura registriert, berichteten Augenzeugen. Zunächst war nicht klar, was getroffen wurde und ob es Opfer gab. Die Flugzeuge des nordatlantischen Bündnisses fliegen ihre Angriffe meist nachts oder in den frühen Morgenstunden. Vor einigen Wochen ging die Nato dazu über, gelegentlich auch am Tag zu bombardieren.

Außerdem haben sich Rebellen und Regierungstruppen bei Slitan im Westen schwere Gefechte geliefert. Aufständische hätten Raketen mit einer Reichweite von etwa 20 Kilometern abgefeuert, berichteten Reuters-Reporter aus Dafnijah, das auf halber Strecke zwischen Slitan und der Rebellenhochburg Misrata an der Küste liegt. Die Rebellen erklärten, sie hätten auf Panzer und Munitionsdepots in Naimah bei Slitan gezielt. Die Regierungstruppen nahmen ihrerseits die Rebellen unter schweren Beschuss. Slitan liegt nur 160 Kilometer östlich von Tripolis.

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Unbeeindruckt von einem Vorschlag von Machthaber Muammar Gaddafi, Wahlen abzuhalten, rückten die Aufständischen weiter in das von regierungstreuen Truppen gehaltene Gebiet östlich von Tripolis vor. Auch das französische Militär, das an den Nato-Luftangriffen in Libyen maßgeblich beteiligt ist, vermutet, dass die Rebellen dabei sind, auf Tripolis vorzurücken. „Es scheint, als würden sie die Oberhand über Gaddafis Truppen gewinnen“, sagte ein Militärsprecher. Neben dem Vormarsch der Aufständischen im Westen, versuchten sie zudem, einen Ring um Tripolis zu legen.

Gaddafi hält nach Schätzungen des kanadischen Generals Charles Bouchard Tausende Clan-Chefs und andere einflussreiche Persönlichkeiten als Geiseln in seiner Gewalt. Er wolle damit einen Massenaufstand der Bevölkerung verhindern, erklärte der Oberbefehlshaber der Nato-Aktion gegen Libyen der französischen Zeitung „Le Figaro“. Zudem nutze Gaddafi sie als menschliche Schutzschilde. In dem Interview betonte Bouchard: „Nach einigen Geheimdienstberichten hält Gaddafi heute bis zu 25.000 Personen in diesem Terrorsystem fest.“ Bouchard betonte erneut die Schwierigkeiten für seine Soldaten, die Gegner zu erkennen: „Wir reden von einem Land, in dem der Gegner überall die Unformen ausgezogen hat, um sich unter die Zivilisten zu mischen. Er schützt sich hinter der Bevölkerung, hinter Frauen und Kindern, in Moscheen und Krankenhäusern.“ (dpa/dapd/rtr)