Baden-Württembergs Regierung profitiert vom Stuttgart-21-Schlichterspruch Heiner Geißlers. Die Mehrheit der Gegner schwindet.

Stuttgart. Dass sein Schlichterspruch den Konflikt um Stuttgart 21 endgültig befrieden würde, hatte Heiner Geißler selbst nicht geglaubt. Doch auch politisch treten die Konfliktlinien wieder offen zutage. Nach derzeitigem Stand profitieren vor allem die Projektträger und Befürworter. Zwar schnürte Geißler ein ganzes Paket von Maßnahmen und Forderungen, um den Tiefbahnhof besser, sicherer und leistungsfähiger zu machen, womit klar wurde, dass die bisherige Planung schwere Mängel aufweist und die Proteste nicht unbegründet waren. Dennoch ist die Landesregierung zufrieden: Stuttgart 21 habe sich als richtig erwiesen.

Mit seiner mutigen Entscheidung, Heiner Geißler ins Verfahren zu holen, hat sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) letztlich einen großen Vorteil verschafft, nachdem er im September wegen der Tumulte im Stuttgarter Schlossgarten unter größtem Druck gestanden hatte. Jetzt aber bremste Geißlers Spruch nicht nur den von den Gegnern geforderten Kopfbahnhof aus, sondern gab auch die Erlaubnis zum Geldausgeben nach dem Motto: Wer einen leistungsfähigen Bahnhof haben will, darf nicht knausern.

Dass Mappus' Strategie aufging, deutete jüngst das ZDF-Politbarometer an. Danach steigen nicht nur die Werte für die CDU leicht. Vielmehr ist auch keine klare Mehrheit gegen Stuttgart 21 mehr auszumachen. 39 Prozent lehnen den Bau ab, 40 Prozent sind dafür.

Die Grünen macht der Schlichterspruch zu Verlierern. Denn von ihren drei Hauptargumenten gegen den Tiefbahnhof wurden ihnen zweieinhalb aus der Hand geschlagen. Das erste, wonach die Planungen intransparent seien, lässt sich nach wochenlanger Schlichtung nicht mehr vorbringen. Das zweite Argument, wonach der Tiefbahnhof den Verkehr nicht bewältigen könne, wurde zumindest fürs Erste dadurch erledigt, dass Geißler mehr Gleise fordert und den Stresstest ankündigt. Sollte dieser die Effektivität beweisen, könnten die Grünen nicht mehr sagen, der Tiefbahnhof funktioniere nicht.

Vom dritten Argument der Grünen, der Sorge wegen der horrenden Kosten, ist nur noch die Hälfte übrig. Zwar bleibt der Preis für den Tiefbahnhof extrem hoch und dürfte weiter steigen. Doch auch die Ausstiegspläne der Grünen lässt der Schlichterspruch als teuer erscheinen. Geißler verwies auf "drei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften", von denen die Kosten für einen Projekt-Stopp durchgerechnet wurden. "Eine kommt zu der Auffassung, dass ein Ausstieg rund eine Milliarde Euro kosten würde, die beiden anderen gehen sogar von 1,5 Milliarden Euro aus."

Verständlich wird da ein Satz aus dem Wahlprogramm der Südwest-Grünen: "Wir lehnen Stuttgart 21 und die Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm in ihrer derzeitigen Planung ab, da die Projekte verkehrspolitisch fragwürdig und viel zu teuer sind", heißt es. Wohlgemerkt: "in ihrer derzeitigen Planung" und "verkehrspolitisch fragwürdig". Was passiert aber, wenn die Planung überarbeitet relativiert wird? Grünen-Spitzenkandidat Winfried Kretschmann weiß, warum er sich konsequent weigert, eine Beendigung des Projekts für den Fall einer Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl im März zu versprechen. Doch die S21-Niederlage offen eingestehen mag niemand bei den Grünen, auch nicht Kretschmann. "Wir werden weiter protestieren", kündigte er in der ARD an.