Das Pro und Contra wurde wieder live im Fernsehen und im Internet übertragen. Trotz Schlichtung baute die Deutsche Bahn weiter an Stuttgart 21.

Stuttgart/Hamburg. Ist der geplante Tiefbahnhof nun besser als der jetzige Kopfbahnhof? Um diese Frage drehte sich auch die zweite Runde der Schlichtung zu Stuttgart 21. Aussage stand wieder gegen Aussage. Es gab einen Schlagabtausch über die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofes. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 ließ die Gespräche nicht wie angedroht platzen, sondern einigte sich mit der Bahn auf einen Kompromiss zur Friedenspflicht. Bahn-Technikvorstand Volker Kefer sieht den Beweis erbracht, dass die neue achtgleisige Durchgangsstation wesentlich effektiver ist als der bestehende Kopfbahnhof mit 16 Gleisen. „Im Stuttgarter Durchgangsbahnhof werden 37 Prozent mehr Fahrten stattfinden und wir haben darüber hinaus noch deutliche Kapazitätsreserven“, erklärte Kefer im Stuttgarter Rathaus.

Der Tiefbahnhof habe drei Vorteile: Man komme mit acht Gleisen aus, weil die Züge durchfahren könnten. Darüber hinaus gebe es geringere Haltezeiten und keine Kreuzungskonflikte. Das Aktionsbündnis zweifelte dies an. Die höhere Kapazität sei in der Realität nicht haltbar, sagte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne).

Selbst ein Gutachten im Auftrag der Bahn habe ergeben, dass der Verkehr bei Stuttgart 21 knapp bemessen sei. „Was Sie bauen, hat keine Leistungsreserven“, warf Palmer der Bahn vor. „Für die Pendler ist ihr Konzept schlechter als der bestehende Kopfbahnhof. Die Engpässe in den Stoßzeiten seien bei dem nur noch achtgleisigen Bahnhof schon jetzt absehbar. „Sie investieren Milliarden Euro und wir stehen länger im Bahnhof.“

Zu der Entgegnung von Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU), der Fahrplan für das Jahr 2020 werde ständig überarbeitet, sagte der Grünen-Politiker: „Sie optimieren seit 16 Jahren.“ Es sei klar, dass mit Stuttgart 21 die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sinke. Palmer zog das Fazit: „Stuttgart 21 ist ein Rückbau der Schiene und nützt weder dem Verkehr noch der Wirtschaft in Baden-Württemberg.“

Das Treffen wurde wieder live im Fernsehen und im Internet übertragen. Die Schlichtung soll bis zum 3. Dezember jeden Freitag fortgesetzt werden. Zu Stuttgart 21 gehört auch die Anbindung an die neue Schnellbahnstrecke nach Ulm.

Zu Beginn der zweiten Runde der Schlichtung hatten die Gegner der Bahn Verstöße gegen die Friedenspflicht vorgeworfen. Der Sprecher des Aktionsbündnisses, Gangolf Stocker, monierte, die Bahn setze mit Betonwinkeln die Arbeiten an den Fundamenten der Grundwasserregulierung für den Tiefbahnhof fort: „Unserer Auffassung nach liegen diese Arbeiten außerhalb der Friedenspflicht.“ Außerdem werde im Südflügel des Hauptbahnhofs mit dem Presslufthammer gearbeitet.

Bahn-Vorstand Kefer widersprach: Die Arbeiten dienten der Erdauffüllung. „Wir sind ganz klar der Ansicht, dass das eine erlaubte Arbeit ist.“ Schließlich einigte man sich unter Leitung von Schlichter Heiner Geißler auf den Kompromiss, dass die Arbeiten mit den Betonwinkeln bis kommenden Donnerstag beendet sein sollen. Kefer sagte zu, dies zu prüfen. Beim Südflügel einigte man sich auf einen Besichtigungstermin. Kefer erklärte, es gebe dort nur Sicherungsarbeiten.

Geißler ermahnte beide Seiten, ihre Kritik zu mäßigen. So sei es absolut inakzeptabel, wenn Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) bei Demonstrationen diffamiert werde. „Die Rufe „Mappus weg, Mappus tot“ passen nicht in unser Klima“, sagte der frühere CDU-Generalsekretär.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat Forderungen, das Volk über das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 entscheiden zu lassen, in scharfer Form zurückgewiesen. „Hunderte Millionen Euro sind bereits in das Projekt geflossen. Da ist es geradezu fahrlässig, dem Volk den Eindruck zu vermitteln, man könne Stuttgart 21 noch auf null stellen“, sagte Mappus dem Hamburger Abendblatt (Sonnabend-Ausgabe). „Eine Volksabstimmung über Stuttgart 21 ist nicht möglich.“

In einer repräsentativen Demokratie sollten Volksentscheide „in wenigen, ganz spezifischen Fällen stattfinden“, betonte Mappus. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, der mit Nachdruck auf ein Referendum zu dem Bahnprojekt dringt, „missbraucht die Verfassung, um davon abzulenken, dass die SPD in Baden-Württemberg völlig zerstritten ist“.

Zugleich lobte der Ministerpräsident den Schlichter Heiner Geißler . Er mache „einen außerordentlich guten Job“. Mit Blick auf Geißlers ersten Auftritt, bei dem er fälschlicherweise einen Baustopp verkündet hatte, sagte Mappus: „Man kann ein Rennen auch gewinnen, wenn der Start nicht optimal war.“