Der Verteidigungsminister wird in den Dokumenten überschwenglich gelobt. Brisant: Die Zahl der Atomwaffen in Deutschland wird enthüllt.

Berlin/Hamburg. Horst Seehofer? Unberechenbar. Guido Westerwelle? Nun ja. Die deutschen Politiker können in den WikiLeaks-Dokumenten nachlesen, was US-Diplomaten von ihnen halten – oder das, was ihnen von deutschen Quellen gesteckt wurde. Besonders gelobt wird Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Ist das ein Indiz dafür, dass er eine wichtige Quelle für die Amerikaner war? Guttenberg spricht Englisch fließend, während sich Westerwelle noch am Beginn seiner Amtszeit gegen Englisch als Verhandlungssprache bei einer Pressekonferenz sperrte. Guttenberg war schon als Wirtschaftsminister zu Gesprächen mit General Motors über Opel in den USA und hatte sich auffällig in Szene gesetzt.

Es gibt weitere pikante Einblicke in die deutsche Spitzenpolitik . Die Meldungen reichen bis Ende Februar dieses Jahres, 1719 davon stammen aus der US-Botschaft in Berlin. Ganz nebenbei enthüllen sie auch das bisher streng gehütete Staatsgeheimnis um die Zahl der US-Atomwaffen auf deutschem Boden: 20 taktische Nuklearwaffen seien es, zitieren die Amerikaner eine Aussage von Angela Merkels außenpolitischem Berater Christoph Heusgen.

Über Bundeskanzlerin Angela Merkel heißt es: „Wenn sie in die Ecke gedrängt wird, kann Merkel beharrlich sein, aber sie meidet das Risiko und ist selten kreativ.“ Die CDU-Chefin sei „bekannt für ihren Widerwillen, sich in aggressiven politischen Debatten zu engagieren. Sie bleibt lieber im Hintergrund, bis die Kräfteverhältnisse klar sind, und versucht dann, die Debatte in die von ihr gewünschte Richtung zu lenken“. Intern sei von Angela „Teflon“ Merkel die Rede, weil viel an ihr abgleite. Nachdem sie das „Joch der großen Koalition“ abgeschüttelt habe, sei sie nun mit dem „FDP-CSU-Doppeljoch“ belastet.

Außenminister Guido Westerwelle kommt am schlechtesten weg. Er habe „sehr wenig eigene Ideen zur Lösung internationaler Probleme“, schreiben die Amerikaner. Sie beschreiben ihn als „überschäumende Persönlichkeit“ mit großem Geltungsdrang und bewerten ihn laut „Spiegel“ kritisch wie keinen zweiten deutschen Politiker. Die geheimen Berichte skizzierten den FDP-Chef als inkompetent, eitel, USA-kritisch und Belastung für das deutsch-amerikanische Verhältnis.

Nach einer Grundsatzrede des Liberalen kurz vor der Wahl schreibt US-Botschafter Philip Murphy : „Sie (die Rede) war wenig gehaltvoll und legt nahe, dass Westerwelles Verständnis für Außen- und Sicherheitspolitik vertieft werden sollte, wenn er die deutschen Interessen auf der Weltbühne erfolgreich vertreten will.“ Selbst Westerwelles Sinn für Humor wird als „etwas kantig“ bemängelt. Dafür lobt der US-Botschafter immerhin Westerwelles häufig kritisierte Englisch-Kenntnisse ausdrücklich.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wird als enger Freund der USA beschrieben, der ein größeres deutsches Engagement in Afghanistan vorantreiben und dem deutschen Kabinett „etwas Glanz“ verleihen könnte. Der Freiherr gilt als „außenpolitischer Experte“ und Transatlantiker. Im Kontakt mit US-Vertretern beklagte der CSU-Politiker laut „Spiegel“ Merkels mangelnde Durchsetzungsfähigkeit in der Wirtschaftspolitik und schwärzte Westerwelle an, weil eine größere Aufstockung der deutschen Truppen in Afghanistan Anfang 2010 an ihm gescheitert sei. Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff wiederum klagte danach im Gespräch mit den Amerikanern, Guttenberg habe sich selbst im Wege gestanden und eine größere Aufstockung nicht durchsetzen können, weil er zu anmaßend gewesen sei.

Finanzminister Wolfgang Schäuble gilt in Washington neben Guttenberg als zweite Lichtgestalt. könne helfen, Blockaden zu durchbrechen und neue Wege zu einer engeren Zusammenarbeit mit den USA zu finden. So habe das Bundeskriminalamt vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland 147.000 Helfer, Journalisten, Ordner und Lieferanten, die sich für das Großereignis akkreditiert hatten, durch die Terror-Datenbank des FBI überprüfen lassen.

Den Innenminister Thomas de Maizière betrachten die USA skeptisch. Schäubles Nachfolger im Amt zeige in der Terrorbekämpfung weniger Expertise und weniger Enthusiasmus und habe eine „steile Lernkurve vor sich“, bemängeln die Amerikaner in ihren Berichten. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle kommentierte Guttenbergs Wahl zum Wirtschaftsminister 2009 angeblich mit den Worten, die CSU sei offenbar schon froh, wenn sie jemanden aufbieten könne, „der lesen und schreiben kann“. Ein Zuträger aus den Reihen der Liberalen hielt die USA angeblich über die Interna der Koalitionsgespräche im Herbst 2009 auf dem laufenden. US-Botschafter Murphy beschreibt seine „gut platzierte Quelle“ als „jungen, aufstrebenden Parteigänger“, der für die FDP die Koalitionsverhandlungen protokollierte. Die Amerikaner informierte er unter anderem über den Streit, den Westerwelle mit seiner Forderung nach einem Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland ausgelöst hatte.