CDU-Regierungschef Jürgen Rüttgers hat die Landtagwahl in Nordrhein-Westfalen verloren. Wer aber künftig regieren wird, war zunächst unklar.

Düsseldorf. Fiasko für Ministerpräsident Jürgen Rüttgers bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Schwarz-Gelb ist abgewählt, die CDU liegt nach den ersten Hochrechnungen bestenfalls gleichauf mit der SPD von Hannelore Kraft. Ein Comeback von Rot-Grün im einwohnerstärksten Bundesland erscheint möglich, denn die Grünen haben stark zugelegt. Die Linke zieht erstmals in den Düsseldorfer Landtag ein, die FDP enttäuscht. Damit liefern sich Parteien und Lager ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen um die Macht in NRW.

In Nordrhein-Westfalen könnte es nach den ersten Hochrechnungen vom Sonntagabend zudem auf eine große Koalition hinauslaufen – unter wessen Führung auch immer. Rechnerisch könnte es ferner für Schwarz- Grün oder für Rot-Rot-Grün reichen. Ein solches Dreierbündnis war von Sozialdemokraten und Grünen im Wahlkampf aber sehr skeptisch gesehen worden.

Damit hat Schwarz-Gelb auch im Bundesrat keine Mehrheit mehr. Das Regieren wird für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schwieriger: Sie ist stärker auf Kompromisse mit SPD und möglicherweise auch den Grünen angewiesen – und sie hat es mit einem angeschlagenen Koalitionspartner FDP zu tun. Die Kanzlerin braucht eine Mehrheit in der Länderkammer für ihre Großprojekte: Haushaltssanierung, Steuerentlastung, Gesundheitsreform, Bildungsoffensive.

Wegen der Bedeutung Nordrhein-Westfalens galt das Votum als „kleine Bundestagswahl“ und als erster großer Stimmungstest für die im Herbst gewählte schwarz-gelbe Regierung in Berlin. Der Landtagswahlkampf stand auch im Zeichen der Steuerdebatte, in der Schlussphase dominierte die Griechenland-Krise. CDU und FDP fürchteten den Unmut der Wähler wegen der Milliardenkredite für Athen. Hinzu kamen der negative Eindruck zahlreicher Affären der NRW- CDU und der Dauerstreit zwischen Union und FDP auf Bundesebene. Im Land wehte der CDU auch wegen ihrer Schulpolitik der Wind ins Gesicht.

Nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF (18.15) stürzt die CDU mit 34,2 bis 34,3 Prozent auf ihr schlechtestes NRW-Ergebnis, ein Minus von gut zehn Punkten. Die SPD mit ihrer Landeschefin Kraft erreicht 34,4 bis 34,8 Prozent, ein Verlust von mehr als zwei Punkten. Die in Düsseldorf mitregierende FDP von Andreas Pinkwart liegt mit 6,5 bis 6,6 Prozent im Bereich ihres mäßigen Abschneidens von 2005 (6,2), aber deutlich unter dem NRW-Ergebnis bei der Bundestagswahl im Herbst (14,9). Die Grünen um Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann verdoppeln sich auf 12,4 bis 12,5 Prozent, ihr bestes Ergebnis im Land. Die erstmals angetretene Linkspartei schafft mit 5,6 bis 6,0 Prozent den Einzug ins Parlament (Vorläuferparteien PDS und WASG 2005 zusammen 3,1 Prozent). Daraus ergibt sich laut ARD folgende Sitzverteilung: CDU 66 (2005: 89), SPD 66 (74), FDP 13 (12), Grüne 24 (12), Linke 12 (0).

Der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle räumte die Niederlage ein. „Wir haben unsere Wahlziele nicht erreicht“, sagte der Außenminister am Abend in der FDP-Zentrale in Berlin. Westerwelle sprach von einem „Warnschuss“ auch für die Regierungsparteien in Berlin. „Er ist auch gehört worden.“ Die Grünen wollten zunächst auf die SPD zugehen: „Wir werden als erstes Gespräche mit den sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen führen“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im NRW-Landtag, Reiner Priggen.

Eine rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen hatte einmal Signalcharakter für den Bund: Dem Wahlsieg Gerhard Schröders 1998 ging drei Jahre zuvor ein Erfolg für SPD und Grüne in dem wichtigen Bundesland voraus. Dennoch war die rot-grüne Regierungszeit in Düsseldorf von 1995 bis 2005 von zahlreichen Konflikten geprägt. Im diesjährigen NRW-Wahlkampf waren angesichts des erwarteten Landtagseinzugs der Linken und vermeintlich unklarer Mehrheitsverhältnisse bereits alternative Koalitionsmöglichkeiten diskutiert worden. Eine rechnerisch mögliche Ampelkoalition hatten Grüne und FDP jedoch von vornherein abgelehnt. Auch Wahl 2005 war Signal für den Bund

Bei der Landtagswahl 2005 hatte die CDU 44,8 Prozent erreicht, die SPD kam auf 37,1 Prozent, FDP und Grüne erzielten jeweils 6,2 Prozent. Rüttgers führte die CDU nach 39 Jahren zurück an die Macht in Düsseldorf und leitete damit das Ende der Bundesregierung von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ein. Damals profitierte er vom Unmut der Wähler über Rot-Grün in Land und Bund. Diesmal musste er selbst fürchten, Opfer einer Denkzettel-Wahl zu werden. Rund 13,5 Millionen Bürger waren dazu aufgerufen, den Landtag des einwohnerstärksten Bundeslandes mit mindestens 181 Sitzen zu wählen.