Hamburg. Der U-21-Nationalspieler blüht in Holland auf. Im Podcast erzählt er, warum man ihn im Volkspark zwischenzeitlich vergessen hatte.

14.45 Uhr ging es für Mats Köhlert am Freitag zurück nach Holland. Flug KL 1782 brachte den 21-Jährigen von Hamburg nach Amsterdam. Von dort aus fuhr er weiter nach Tilburg. Beim niederländischen Erstligisten Willem II startet für Köhlert am Sonnabend um 11.30 Uhr die Vorbereitung auf die Rückrunde. „Wir wollen bis zum Ende da oben bleiben“, sagt der Flügelstürmer des Tabellenvierten, als er zuvor die Redaktion des Abendblatts besucht, um im Podcast „HSV – wir müssen reden“ über seinen ehemaligen und seinen neuen Club zu sprechen. Nach sechs Jahren beim HSV holte ihn Manager Joris Ma­thijsen im Sommer nach Tilburg. Und wie bei vielen jungen Spielern vor ihm wurde auch bei Köhlert nach seinem Abgang aus Hamburg alles besser.

„Ich hatte mir viele Gedanken gemacht und dann für mich entschieden, dass es für meine Entwicklung besser ist, wenn ich einen einen anderen Schritt gehe“, sagte Köhlert im Rückblick auf die Zeit vor einem Jahr, als er sich mit der Regionalligamannschaft auf die Rückrunde vorbereitete. Zu diesem Zeitpunkt war Köhlert bereits seit drei Jahren HSV-Profi. Gespielt hatte er für die erste Mannschaft aber noch nie. Und auch beim Training war er nicht mehr dabei, obwohl ihm das eigentlich zugesichert wurde, als ihm im Januar 2016 die damaligen Verantwortlichen Dietmar Beiersdorfer und Peter Knäbel in seinem Wohnzimmer seine persönliche HSV-Zukunft aufzeigten.

Köhlert spielte eine große Vorrunde

Heute ist der HSV für Köhlert Vergangenheit. Seine Gegenwart heißt Willem II. Für den kleinen Club spielte der Linksfuß eine große Vorrunde. Ende August hatte er Tilburg mit seinem ersten Doppelpack seiner Profikarriere sogar an die Tabellenspitze geschossen. Außerdem gewann er gegen die Topclubs PSV Eindhoven und im Dezember beim Meister Ajax Amsterdam. „Das war mein bislang größtes Highlight“, sagt Köhlert, der auf vier Tore und vier Vorlagen kam, in allen 18 Ligaspielen in der Startelf stand und ganz nebenbei seine Premiere in der deutschen U-21-Nationalmannschaft feierte.

Warum aber hat es beim HSV nicht geklappt? Köhlert muss ausholen und erinnert sich vor allem an eine schwere Phase im Sommer 2017. „In der Zeit wurde man vergessen“, sagt er. Bei der U-19-Europameisterschaft in Georgien zog sich Köhlert im Training einen Muskelfaserriss in den Adduktoren zu, der sich zu einer Schambeinverletzung entwickelte. „Ich habe es einfach nicht in den Griff bekommen. Dann bin ich mental in ein Loch gefallen. Es war nicht einfach, da wieder rauszukommen.“ Köhlert lässt durchblicken, dass er in dieser Zeit die Unterstützung des HSV vermisste.

Er durchlief alle Auswahlmannschaften des DFB

Erst im Frühjahr 2019 stand er plötzlich wieder im Blickpunkt. Hannes Wolf hatte ihn in seiner Personalnot wieder zu den Profis geholt – und beim Spiel in Bochum Ende März erstmals eingesetzt. Als am letzten Spieltag der verpasste Wiederaufstieg schon klar war, durfte auch Köhlert beim 3:0 gegen Duisburg erstmals für den HSV in der Startelf ran. Prompt wählte ihn der „Kicker“ zum Spieler des Spiels. „Für mich ist an diesem Tag ein Traum in Erfüllung gegangen. Das war ein Gänsehautmoment, und ich denke, dass ich ihn mir auch verdient hatte.“

An seinem Wechselwunsch änderte dieses Erlebnis aber nichts mehr. Der HSV hatte zu diesem Zeitpunkt keine Chance mehr, Köhlert zu halten. Zu lange hatte er warten müssen. Dabei war seine Entwicklung eigentlich vorhersehbar. Immerhin durchlief Köhlert seit der U 16 alle Auswahlmannschaften des DFB. Ob er an seiner Karriere gezweifelt hatte, als er beim HSV lange auf der Stelle trat? „Ich habe viel nachgedacht“, sagt Köhlert.

Mit zwölf Jahren stand er vor der Kamera

Zu diesem Zeitpunkt hätte sich der Fußballer auch für einen anderen Weg entscheiden können. Denn was viele nicht wissen: Bereits mit zwölf Jahren stand der Schüler für das ZDF vor der Kamera. Im Zweiteiler „Schicksalsjahre“ spielte er den Sohn von Maria Furtwängler. 30 Drehtage unter anderem in Polen und Duisburg. „Diese Erfahrung werde ich nie vergessen“, sagt Köhlert neun Jahre später. Seine Mutter hatte ihn damals einfach mal bei einer Castingagentur angemeldet. Es folgte seine erste Rolle in einem Werbespot für Kinder Schokobons und ein kleiner Auftritt im Tatort. Köhlert hatte Talent und musste sich für eine Karriere entscheiden. „Ich habe Fußball gewählt, weil es dann doch einen Tick mehr Spaß gemacht hat.“

Vielleicht auch, weil er seinem Vater nacheifern wollte. Papa Dirk spielte einst für Holstein Kiel und Eintracht Norderstedt und ist immer dabei, wenn sein Sohn spielt. „Mein Vater ist mein größtes Vorbild und mein größter Kritiker, auf den ich am meisten höre“, sagt Köhlert Junior, der in Tilburg wie einst Köhlert Senior in Kiel „Mini“ genannt wird. Zu jeder Partie reist Dirk Köhlert von Norderstedt in die Niederlande. Nach jedem Spiel sprechen die beiden über die Leistung. „Er kann mich am besten einschätzen“, so Mats.

Rückkehr in den Volkspark schwer vorstellbar

Silvester verbrachten die beiden in Hamburg. Auch Freunde von früher waren dabei. So wie Jakob Golz, Sohn von Richard Golz und mittlerweile Torhüter bei Rot-Weiss Essen. Golz überraschte Köhlert im Podcast ebenso mit einer Frage wie Finn Porath, der 2016 gemeinsam mit Köhlert zu den HSV-Profis aufstieg und im Trainingslager in der Schweiz mit ihm auf einem Zimmer wohnte. Aus dieser Zeit währt auch eine gemeinsame Marotte. So verrät Köhlert, dass er wie Porath zum Einschlafen gerne mal zu einer ungewöhnlichen Maßnahme greift: dem Föhn. „Das klingt bescheuert, aber ich habe auch irgendwann damit angefangen“, sagt Köhlert und lacht. Wie das genau aussieht? Wenn er Einschlafpro­bleme hat, wird im Schlafzimmer der Föhn eingeschaltet. „Das ist einfach schön warm und super angenehm.“

Es ist eine der guten Erinnerungen an seine Zeit beim HSV. Eine Rückkehr in den Volkspark? „Schwer vorstellbar“, sagt Köhlert. Aber er ist ja auch erst ein halbes Jahr weg. „Man soll nie nie sagen“, sagt Köhlert zum Abschluss und steigt nach dem Podcast-Gespräch in seinen Mini. Ziel: immer weiter nach oben.

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