Unser Leserbotschafter Ralf Nehmzow befasst sich jeden Donnerstag mit neuen Fällen.

Haben Sie Sorgen, Probleme im Alltag? Ralf Nehmzow ist Leserbotschafter des Hamburger Abendblatts, er vermittelt, hilft, engagiert sich für die Interessen der Leser. Immer donnerstags lässt er in seiner Kolumne Leser mit jeweils drei Fällen zu Wort kommen, konfrontiert damit die betroffenen Behörden, Institutionen und Unternehmen. Nicht alle Ärger-Fälle lassen sich lösen, manchmal gibt es nur Erklärungen. Am jeweils letzten Donnerstag eines Monats dokumentiert er den "Fall des Monats" mit Ergebnis:

Der Fall

Es war ein grauer Novembertag im Jahr 2010. Brigitte M., 82, aus Schenefeld machte mit ihrem Ehemann, 80, einen Einkaufsbummel. Sie berichtet: "Wir kamen in den Colonnaden bei der Schneiderwerkstatt Cove & Co. vorbei. Dort haben wir uns einen Anzug für meinen Mann ausgesucht. Es war eine spontane Entscheidung, normalerweise kaufen wir nicht so teure Sachen. Wir sind sehr bescheiden, geben insgesamt wenig Geld aus. Aber an diesem Tag habe ich aus einer Laune heraus meinen Mann überredet, den Anzug zu kaufen." Gesamtpreis der Maßanfertigung: 1249 Euro. Die bundesweit renommierte Traditionsfirma mit Ateliers in ganz Deutschland bietet ein Stammsortiment von Maßkonfektion, zudem eine Auswahl rahmengenähter Schuhe. "645 Euro hatten wir für den Anzug sofort angezahlt, der Rest sollte bezahlt werden, wenn wir die Ware erhalten würden." Doch es kam anders. Einen Tag nach dem Kauf, "da schlug das Schicksal zu", sagt Brigitte M. Denn: Ihr Mann brach an seinem Schreibtisch zusammen. "Er hatte vier Tage vorher noch Tennis gespielt, niemand hatte damit gerechnet." Die Diagnose: Gehirntumor. Er wurde operiert, bekam mehrere Bestrahlungen. Brigitte M. sagt: "13 Tage nach dem Kauf habe ich die Firma angerufen und gebeten, den Auftrag zu stornieren. Ein paar Wochen danach ist mein Mann verstorben." Der Kummer, der Verlust ihres Mannes dominiere seitdem ihr Leben, sagt die Rentnerin, "es fällt mir alles nicht leicht". Neben der Trauer muss sie ihren Alltag bewältigen, dazu gehört auch die Abwicklung der finanziellen Geschäfte. Sie fragt den Leserbotschafter: "Muss ich nun den vollen Preis für den Anzug bezahlen, oder bekomme ich eventuell die Anzahlung zurück?" Schließlich habe sie die Firma zeitnah informiert, "vielleicht ist der Anzug ja noch gar nicht bearbeitet worden."

Die Recherche

Christian Tietz, einer der Inhaber von Cove & Co, schaut sich den tragischen Fall an. Dann nimmt er Stellung: Natürlich habe er viel Mitgefühl für den Fall, betont der Geschäftsmann. War der Anzug schon in Arbeit? "Ich habe mich mit den Kollegen und dem Filialleiter beraten. Zum zeitlichen Rahmen: Als die Dame uns informierte, war der Anzug leider schon fast fertiggestellt. Der Kunde hatte uns den Auftrag zur Anfertigung eines auf seine Körpermaße zugeschnittenen Kleidungsstücks erteilt. Dieses höchst individuelle Kleidungsstück können wir bedauerlicherweise keiner anderen sinnvollen Verwendung zuführen. Wir bitten daher um Verständnis dafür, dass wir die Anzahlung für die von uns erbrachten Leistung nicht, auch nicht in Teilen, zurückzahlen können."

Das Ergebnis

Inhaber Tietz berücksichtigt gleichwohl die tragischen Einzelumstände des gesamten Falles, insbesondere die Tatsache, dass der Kunde so kurze Zeit nach dem Kauf starb. Die erfreuliche Entscheidung wenig später: "Aus Kulanz verzichten wir auf die noch ausstehende Restzahlung in Höhe des halben Anfertigungspreises, den die Witwe normalerweise zu zahlen hat. Hiermit entlasten wir sie finanziell." Im Klartext: Die restlichen 604 Euro für den Maßanzug muss die Witwe nicht mehr bezahlen, obwohl sie als Erbin rechtlich dazu verpflichtet wäre. Sie nehme die Entscheidung zur Kenntnis, sagt Brigitte M. "Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass mein Mann 24 Stunden über den Kauf des Anzugs glücklich gewesen ist."

So erreichen Sie den Leserbotschafter: Schicken Sie bitte Ihre Alltagsärger-Fälle, kurz skizziert, mit Ihrer Telefonnummer per E-Mail an: Leserbotschafter@Abendblatt.de oder an: Leserbotschafter Ralf Nehmzow, Chefredaktion Hamburger Abendblatt, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg.