Berlin. Die Corona-Epidemie führt zu drastischen Einschränkungen. Sandra Maischberger diskutiert mit ihren Gästen, ob die Maßnahmen ausreichen.

Spätestens nach der Ansprache der Bundeskanzlerin dürfte vielen der Ernst der Lage in puncto Corona-Epidemie bewusst geworden sein. „Wir müssen aus Rücksicht voneinander Abstand halten“, sagte Angela Merkel und bat jeden einzelnen Bürger darum, sich umsichtig zu verhalten. Doch reicht diese Weisung tatsächlich aus, um die Zahl der Neuinfektionen zu mindern?

Genau dieser Frage geht Sandra Maischberger mit Hilfe ihrer Gäste nach. Eindeutige Antworten gibt es aber nicht, das versucht die Moderatorin immer wieder klar zu machen. Anweisungen und Maßnahmen würden sich ja mittlerweile täglich oder sogar stündlich ändern. Das liegt auch daran, dass das Covid-19-Virus in der kurzen Zeit nicht ausreichend untersucht werden konnte und in vielen Ländern noch nicht ausreichend getestet wurde.

Maischberger – das waren die Gäste:

  • Armin Laschet, CDU-Politiker und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen
  • Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitspolitiker und Epidemiologe
  • Susanne Herold, Infektiologin-Uwe Janssens, Chefarzt der Intensivstation am Klinikum Eschweiler
  • Markus Gürne, Leiter der ARD-Börsenredaktion
  • Ute Teichert, langjährige Gesundheitsamtleiterin

Karl Lauterbach: Dunkelziffer der Corona-Infizierten wahrscheinlich im sechsstelligen Bereich

„Wir müssen davon ausgehen, dass wir sieben- bis zehnmal so viele Infizierte haben, als uns aktuell bekannt sind“, meint der SPD-Politiker Karl Lauterbach, der auch studierter Epidemiologe ist. Durch die Verzögerung der Laborergebnisse, der Inkubationszeit des Virus und vielfachen symptomfreien Verläufen ist die Zahl der Infizierten wahrscheinlich viel größer als bisher angenommen.

„Ich würde ab dem Wochenende mit deutlich höheren inoffiziellen Zahlen im sechsstelligen Bereich rechnen“, sagt Lauterbach voraus. Derzeit gibt es in Deutschland über 12.000 bestätigte Corona-Fälle. Für Krankenhäuser bedeutet das eine extreme Belastung, wie Uwe Janssens, Chefarzt der Intensivstation in Eschweiler, weiß. Wenn man davon ausgehe, dass es bis zum Ende der Woche etwa 90.000 Fälle gebe, würde das „weltmeisterliche Kapazitäten“ an Intensivbetten verlangen.

Coronavirus- Die komplette Ansprache von Merkel im Video

weitere Videos

    Armin Laschet möchte Ausgangssperre wegen Corona-Epidemie vermeiden

    Umso wichtiger sei es deshalb, das Tempo aus der Infektionskette rauszunehmen, meint Armin Laschet. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident ist gerade nahezu jeden Abend in einer Talkshow zu sehen, in der er die Zuschauer zum Zuhausebleiben motivieren will. „Wenn man die Ausgangssperre nicht will, dann muss man sich jetzt den Maßnahmen entsprechend verhalten“, mahnt der CDU-Politiker an.

    Laschet möchte eine Ausgangssperre vermeiden – auch weil er der Meinung ist, dass das öffentliche Leben mittlerweile genug eingeschränkt wurde: „Wir haben jetzt schon mal eben so vier Grundrechte ausgesetzt. Ich weiß nicht, ob es klug ist, jetzt den Menschen zu verbieten, das Haus zu verlassen.“ Er plädiert dafür, erstmal abzuwarten, wie sich die bisher beschlossenen Maßnahmen auf die Zahl der Infizierten auswirken werden – das dauert aber in etwa eine Woche.

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Karl Lauterbach bei Maischberger: „Ein Großteil der Bevölkerung hat den Gong nicht gehört“

    Diese Zurückhaltung könnte aber auch verheerend sein: „Meine persönliche Voraussage ist, dass wir es ohne noch stärkere Einschränkungen nicht schaffen werden, die Kurve abzuflachen“, meint Lauterbach, „mein Eindruck ist, dass ein Großteil der Bevölkerung den Gong nicht gehört hat.“ Der SPD-Bundestagsabgeordnete hofft, dass sich dies vielleicht durch die Ansprache der Bundeskanzlerin nun ändern wird.

    Die Infektiologin Susanne Herold schlägt sich aber auf Laschets Seite. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gäbe es derzeit noch keine Begründung für ein Verbot das Haus zu verlassen: „Es gibt bisher eigentlich keine guten Daten zur Wirksamkeit der Ausgangssperre“, stellt sie fest. Auch sie rät zum Abwarten.

    Coronavirus- So läuft die Suche nach einem Impfstoff

    weitere Videos

      Intensivmediziner bei Maischberger: Idee der Herdenimmunität gegen Corona ist gefährlich

      Das bedeutet laut den Medizinern in der Runde aber längst nicht, eine Infektion zu riskieren. Die Idee einer Herdenimmunität halten alle Mediziner in der Talk-Runde für brandgefährlich. Bei dieser soll die Infektionskette durch eine entsprechend hohe Infektions- oder Impfungssrate unterbrochen oder verlangsamt und somit eine epidemische Ausbreitung gestoppt werden. Die notwendige Rate liegt beim Covid-19-Virus bei etwa 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung.

      „Eine Herdenimmunität ist vollkommen unrealistisch, weil das Risiko viel zu groß ist“, sagt Herold. Schließlich könnten auch empfindliche junge Menschen schwer erkranken. Weiterhin sei es nicht abschätzbar, ob das Virus nachhaltig die Lunge schädige.

      Auch der Intensivmediziner Janssens hält die Idee einer Herdenimmunität für falsch: „Das ist absolut gefährlich, weil wir zu wenig über das Virus wissen. Ich hätte da größte Bauchschmerzen.“ Und Lauterbach ergänzt: „Das würde medizinisch einem Ritt über den Bodensee gleichen.“

      Mediziner appelliert: „Leute, verzichtet auch soziale Kontakte!“

      Gut, dass die Bundesregierung sich daher weiter auf eine andere Strategie konzentriert: die Infektionskurve abzuflachen. Das ist nicht nur für die Krankenhäuser wichtig, sondern auch für die Gesundheitsämter, wie die langjährige Gesundheitsamtsleiterin Ute Teichert berichtet: „Wir schaffen es teilweise schon jetzt nicht mehr, die Kontaktpersonen vollständig zu ermitteln. Wir haben zu wenig Personal für die vielen Fälle.“

      Jeder Einzelne trägt jetzt die Verantwortung, dass die Situation für die Krankenversorgung tragbar bleibt. Oder wie Uwe Janssens es salopp formuliert: „Leute, verzichtet auch soziale Kontakte. Es ist das einzige, was wir jetzt noch in der Hand haben.“