Michael Hanekes “Das weiße Band“ ist der Favorit für den besten ausländischen Film. Gefeiert wird aber in jedem Fall.

Hamburg. Wenn in der Nacht zum Montag die Filmfans in 200 Ländern vor den Bildschirmen gespannt darauf warten, wer in diesem Jahr die begehrtesten Filmpreise der Welt gewinnt, sind zwei Hamburger schon ganz nah dran: Burghart Klaußner und Susanne Lothar sitzen in der Preis-Gala im Kodiak Theatre in Los Angeles. Sie spielten in Michael Hanekes "Das weiße Band", der Film geht als Favorit für den "besten fremdsprachigen Film" ins Rennen. Klaußner verkörpert darin einen Pfarrer am Vorabend des Ersten Weltkriegs, dessen Strenge die Liebe zu seinen Kindern bei Weitem überwiegt.

Die Oscars sind Höhepunkt und Abschluss der Schulterklopf-Saison der Filmbranche. Hanekes Drama hat sich in den vergangenen Monaten zum Preishamster gemausert und von der Goldenen Palme über den Europäischen Filmpreis bis zu den Golden Globes viele Auszeichnungen gewonnen. Wenn ihre kühnsten Träume Wirklichkeit werden, können Klaußner und Lothar zusehen, wie Quentin Tarantino und Pedro Almodóvar Michael Haneke die Trophäe überreichen.

Darum werden sie von vielen anderen Schauspielern beneidet. Denn der Oscar in dieser Kategorie ist den Produzenten zugedacht. "Aber die haben zugunsten von Susanne und mir auf ihre Plätze verzichtet. Ich finde das sehr nobel", freut sich Burghart Klaußner, der bis kurz vor dem großen Tag noch in Dresden den "Don Carlos" geprobt hat.

Die Gästeliste im Oscar-Saal gleicht einem "Who is Who" der internationalen Filmbranche. Klaußner freut sich deshalb auf spannende Begegnungen. Wen hat der Hamburger auf seiner Wunschliste? "Die Coen-Brüder. Oder Kate Winslet, mit der ich in 'Der Vorleser' gespielt habe. Sie ist eine reizende Person. Und vielleicht treffe ich auch noch ihren Ehemann Sam Mendes, den ich für 'American Beauty' bewundere. Ich muss aber auch schauen, dass ich überhaupt mitbekomme, mit wem ich es zu tun habe, weil ich anders als meine Freundin Catrin Striebeck eben nicht immer weiß, wer mit wem gerade was für ein Verhältnis hat."

Zur Preisverleihung nach Los Angeles ist er mit seiner Frau gefahren, die sich den ganzen Trubel gemeinsam mit der restlichen Crew im Café des Artistes anschauen kann. Dort ist in jedem Fall gute Stimmung, "falls es etwas zu feiern gibt, aber auch, falls nicht", sagt Klaußner, der später dort hingeht. So wie Michael Haneke, der - sollte er zu den Gewinnern zählen - zunächst zum gediegenen Governors Ball geladen ist. Der österreichische Regisseur ist zwar als Kontrollfreak verschrien und bezeichnet sich selbst als Melancholiker, aber Klaußner erinnert sich: "Ich habe ihn schon feiern sehen. Er ist im persönlichen Auftreten doch ganz anders, als man das von seinen Filmen her erwarten könnte."

Könnte Hollywood für Klaußner auch eine Versuchung über die Oscar-Feier hinaus werden? Der deutsche Charakterdarsteller antwortet zurückhaltend: "Für mich wäre es auf jeden Fall interessant, hier mal etwas zu machen. Aber ich glaube nicht, dass ich bereit wäre, meine ganze Existenz hierher zu verlagern."

Die Vorsicht ist angebracht: Schon viele deutsche Schauspieler haben sich hier versucht und sind gescheitert - auch Filmgrößen wie Til Schweiger oder Franka Potente. Ob Klaußner, der häufig schwierige Charaktere spielt, die an eine falsche Sache glauben, in Amerika reüssieren könnte, darf bezweifelt werden.

Er war bei Haneke sicher besser aufgehoben. Schon bei den Dreharbeiten für "Das weiße Band" hat er gespürt, dass er an einem besonderen Film mitwirkt. "Der Film hat etwas Altmeisterliches. Ob es das Storyboard war, die klaren Anweisungen oder das deutliche Drehbuch: Es wurde mit guten Zutaten gekocht." Der Oscar kann kommen.