George Clooney steht für eine neue Art des ernsthaften Unterhaltungskinos. Er ist Hollywoods Fachmann für komplexe Themen.

Die Arbeitswelt hat Hollywood nie besonders interessiert. Einen Film darüber zu drehen, wie Leute entlassen werden, klingt eher nach einer Michael-Moore-Dokumentation als nach Unterhaltung. Es ging und geht den großen Studios darum, Träume zu verkaufen und nicht Albträume zu zeigen. Doch nun kommt mit "Up in the Air" ein Film in die Kinos, der einen Jobkiller zum Helden macht. George Clooney spielt diesen Fachmann für Rationalisierung und Firmenverschlankung.

Dem Kinopublikum kann man in so einer fiesen Rolle nur einen extrem sympathischen Schauspieler vorsetzen. "Diese Rolle war maßgeschneidert für George Clooney", sagt Regisseur Jason Reitman. Als Ryan Bingham führt Clooney "Karriereübergangsberatungen", ein zynischer Ausdruck dafür, dass Angestellte gefeuert werden und ihr Glück in Zukunft in die eigene Hand nehmen dürfen. In seiner Rolle ist Clooney/Bingham freundlich, mitfühlend und schlagfertig. Dabei macht er nur die Drecksarbeit für jene Chefs, die ihren Angestellten nicht in die Augen schauen wollen.

Dass Clooney sich für so eine diffizile und ambivalente Rolle entschieden hat, überrascht nicht. In den vergangenen Jahren war der 48 Jahre alte Amerikaner nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Regisseur und Produzent an einer ganzen Reihe von Filmen beteiligt, die sich kritisch mit Amerika auseinandersetzen. "Ich mache solche Filme, weil sie politische und soziale Felder berühren. Ich glaube an Unterhaltung, aber ich bin mir genauso sicher, dass Filme unsere Gesellschaft reflektieren sollten", sagte er in einem Interview mit dem Filmmagazin "Sight & Sound". An Themen wie den Bespitzelungen unter Senator McCarthy ("Good Night & Good Luck") oder Korruption im Ölgeschäft ("Syriana") haben die großen Hollywood-Studios kein starkes Interesse. Also gründete Clooney unter anderem mit Regisseur Steven Soderberg Produktionsfirmen, um solche kritischen Themen umsetzen zu können. Dabei hilft Clooney sein großes Netzwerk aus Schauspielerfreunden, die sich alle gern in seinem Haus am Comer See verwöhnen und dabei von ihrem Gastgeber auch schon mal von einem Projekt überzeugen lassen, das keine riesige Gage abwirft.

In "Up in the Air" agiert Clooney zwar nur als Schauspieler, doch die Komödie gehört zu jenen neuen leichten amerikanischen Filmen mit ernstem Hintergrund. Unterhaltung mit Tiefgang, wie von Clooney gefordert. "Up in the Air" reflektiert das Leben eines modernen Handlungsreisenden. Ohne familiäre Bindungen führt Ryan Bingham ein Leben zwischen den Abfertigungshallen der großen Flughäfen, den Büros, in denen er Arbeitnehmer nach Hause schickt, und teuren Hotels. Bingham ist ein moderner Nomade, allerdings ohne Oase. Ein Wertesystem scheint es für ihn nicht zu geben. Bingham funktioniert im Sinne seiner Auftraggeber, das Einzige, was ihn interessiert, ist die Zehn-Millionen-Meilen-Grenze seiner Fluggesellschaft zu knacken, um in einen exklusiven Kreis von Vielfliegern aufgenommen zu werden. "Bingham ignoriert die Verantwortung, Teil eines größeren Ganzen zu sein", beschreibt Jason Reitman das Dilemma seines Helden.

Bereits vor zwei Jahren hat George Clooney in "Michael Clayton" eine ähnliche Figur gespielt. Auch Clayton macht für eine große Anwaltskanzlei die Drecksarbeit und befindet sich permanent in den Grauzonen des Rechts. Auch Clayton hat nur rudimentäre familiäre Bindungen, doch er träumt davon, aus diesem 24-Stunden-Job auszusteigen. Trotz seiner teuren Anzüge und der edlen Limousine führt Clayton ein elendes Leben. Ablenkung findet der Anwalt nur in einer Sucht, dem Pokerspiel. Für die Rolle erhielt George Clooney eine Oscar-Nominierung. "Ich bin froh, dass ich in Filmen mitspiele, an die man sich länger erinnert als an ihr Eröffnungswochenende. Auf 'Michael Clayton' bin ich sogar richtig stolz."

Stolz kann der in Kentucky geborene Schauspieler auch auf den nächsten Film sein, der am 4. März in die deutschen Kinos kommt und in dem Clooney die Hauptrolle spielt und ihn produziert hat. "Männer, die auf Ziegen starren" erzählt die Geschichte einer Spezialeinheit der US-Armee, die mit übersinnlichen Fähigkeiten Krieg führen sollte. "Jedi-Krieger" wurden diese Hippie-Soldaten genannt, die sogar mit bewusstseinserweiternden Drogen experimentierten. Für diese absurde Militär-Story konnte Clooney Freunde wie Ewan McGregor, Jeff Bridges und Kevin Spacey gewinnen. "Die Arbeit am Drehbuch hat viel Spaß gemacht mit all den lustigen Sachen, die wir da reingeschrieben haben. Die abgefahrensten Dinge darin sind allerdings wahr", sagt Clooney. Bei der US-Generalität wird er sich mit dieser durchgeknallten Groteske sicher nicht viel Freunde machen. Der Zuschauer allerdings kommt aus dem Staunen und Lachen nicht heraus. Unterhaltungskino mit Anspruch eben.

Clooney, der Cary Grant des 21. Jahrhunderts, ist mit seinem Charisma ein Kassenmagnet und ein guter Rechner. "Da wir selten mehr als 20 Millionen Dollar für einen unserer Filme ausgeben, verdienen wir Geld und können immer neue Projekte umsetzen", sagt er. Da ist es gleich, ob Hollywood sich für diese anspruchsvollen Stoffe interessiert oder nicht. Sein nächstes Projekt hat Clooney bereits in Arbeit. Unter der Regie von Anton Corbijn spielt er in "The American" einen Auftragskiller. Klingt nach Spannung und Unterhaltung. Und hat sicher einen ganz besonderen Dreh.