Die Stimmzettel zum Volksentscheid am 18. Juli werden ab Ende Mai verschickt. Die FDP startet eine Kampagne gegen die Reform.

Hamburg. So sieht er also aus, der Stimmzettel zum Volksentscheid, der am 18. Juli über die Zukunft der Hamburger Schullandschaft entscheiden wird. Gestern ging er in den Druck, ab Ende Mai wird er mit den Briefwahlunterlagen an rund 1,2 Millionen stimmberechtigte Hamburger verschickt. Diese sollen dann zwischen zwei Varianten entscheiden: Sie könnten für den Vorschlag der Initiative "Wir wollen lernen!" stimmen, die eine sechsjährige Primarschule ablehnt und das Elternwahlrecht nach Klasse vier beibehalten will. Sie könnten sich auch dem Vorschlag der Bürgerschaft anschließen, die sich einstimmig für die Schulreform ausspricht. Kurioserweise können sie ihr Kreuzchen aber auch unter beide Vorlagen machen - das Chaos bei der Abstimmung scheint programmiert.

Bevor das Parlament am Mittwoch darüber abgestimmt hatte, mit einem Gegenvorschlag zur Initiative "Wir wollen lernen!" in den Volksentscheid zur Schulreform zu ziehen, hatten alle Fraktionen und Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) noch einmal für die Schulreform geworben. Die GAL kündigte für den kommenden Sonnabend eine Plakat-Aktion für die Primarschule an. Auf einer öffentlichen Plakatierparty werden Grünen-Politiker die ersten 500 Plakate mit dem Slogan "Chancen für alle - die Schulverbesserer" kleben, die vom 21. Mai an im gesamten Stadtgebiet hängen sollen.

Auch die GEW machte sich für die Schulreform stark. Einen Ärztebrief, in dem 47 Hamburger Chefärzte die Schulreform jüngst als "erheblichen Standortnachteil der Gesundheitsmetropole" bezeichnet hatten, kommentierte der GEW-Vorsitzende Klaus Bullan gestern mit den Worten: "Ein hoher Bildungsabschluss schützt nicht vor Engstirnigkeit. Die standesbewussten Ärzte setzen auf Polemik und Panikmache und scheuen sich nicht, den Klassenkampf ins Wartezimmer zu tragen." Nach Meinung der GEW hätten Hamburgs Schulen eine sachorientierte und unideologische Debatte über ein gutes und gerechtes Bildungssystem verdient - die Ärzte täten genau das Gegenteil.

Grafik: Würden Sie für oder gegen die Senatspläne stimmen?

Die FDP dagegen hat sich in den vergangenen Monaten ganz klar auf die Seite der Reformgegner gestellt. Jetzt startet sie eine große Unterstützer-Aktion: Mit 1500 Plakaten und 50.000 Flyern, bei Facebook und im Internet wollen die Liberalen in den nächsten Monaten ihre Argumente gegen die Schulreform deutlich machen. Ihre Plakate tragen Aufschriften wie: "Jedes Kind ist anders. Warum also ein starres Schulsystem?" oder "Primarschule: Freiwillig ja - Zwang nein!" oder "Keine Axt an die Gymnasien!" "Alle FDP-Bezirke machen mit, die erste Aktion startet am 11. Mai in den Alsterarkaden am Rathaus", sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Kurt Duwe gestern. Gegen eine neue Schulreform sprächen G8, das Abitur nach zwölf Jahren, und das Zwei-Säulen-Modell, das als weiterführende Schulen nur noch Stadtteilschule und Gymnasium vorsieht. "Das sind zwei wichtige Reformen, die durch die Primarschule gekappt werden", so Duwe.

Unterstützt wird die FDP-Aktion auch von PR-Frau Alexandra von Rehlingen, die sich für den Erhalt der Gymnasien als Bildungsträger und Kulturgut einsetzt, von Anna von Treuenfels, die bei den Senatsverhandlungen mitgemischt hat, und von der Bundestagsabgeordneten Sylvia Canel, für die der Volksentscheid auch ein Präzedenzfall für Koalitionsüberlegungen in Nordrhein-Westfalen ist. "Wir wollen kein schwarz-grünes Versuchslabor sein und keine didaktischen Moden einführen", sagte Canel. "Außerdem wollen wir weg vom zentralistischen Modell: Wir brauchen bundesweite Bildungsstandards und für die Schulen die Freiheit, dass die selber über ihre Schulform entscheiden können." Kritik äußerten die Schulreformgegener auch an der Vorlage der Bürgerschaft. "Das ist ein Trick und ein Störmanöver", sagte Sylvia Canel. "Eine klare Abstimmung mit Ja oder Nein wäre der richtige Weg gewesen, weil sie zu einem eindeutigen Ergebnis geführt hätte."