Die Rathausfraktionen gehen mit einem eigenen Text in den Volksentscheid - Initiative “Wir wollen lernen“ hält das für verfassungswidrig.

Hamburg. Beim Volksentscheid zur Schulreform am 18. Juli werden die Hamburger über zwei Textvorlagen entscheiden müssen. Die eine kommt von der Initiative "Wir wollen lernen", die den Bürgerentscheid erzwungen hat - die andere von den vier Bürgerschaftsfraktionen. Dass sie mit einer Gegenvorlage ins Rennen um die Stimmen gehen wollen, haben CDU, GAL, SPD und Linke gestern in der Bürgerschaftssitzung ohne Aussprache beschlossen.

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In den Wahlunterlagen wollen die Rathausfraktionen mit dem Slogan "Für eine bessere Schule" werben. Die Initiative "Wir wollen lernen", die die Schulreform ablehnt, hält diesen Slogan nicht nur für "irreführend", sondern ist der Ansicht, dass damit die Verfassung verletzt wird. "Die Elterinitiative setzt sich seit ihrer Gründung im Mai 2008 für eine bessere Schule ein", sagt Walter Scheuerl, der Sprecher von "Wir wollen lernen". "Deshalb ist die von den Parteien geplante Vorlagenbezeichnung 'Für eine besser Schule' unfair und irreführend. Sie legt es darauf an, die Wähler zu verwirren und Stimmen auf die Gegenvorlage der Bürgerschaftsparteien umzulenken."

Tatsache ist, dass Gegenvorlagen bei Volksentscheiden durchaus zulässig sind. Eine Gegenvorlage gab es beispielsweise auch beim Bürgerentscheid zur Privatisierung der Hamburger Krankenhäuser. Dennoch gibt es offenbar rechtliche Bedenken gegen das Vorgehen der Fraktionen. Nach Auskunft der Volksinitiative "Wir wollen lernen" ist der Verfassungsrechtler Ulrich Karpen der Ansicht, dass mit dem Text der Gegenvorlage gegen drei verfassungsrechtliche Gebote verstoßen wird: das der Transparenz, der Organtreue und der Waffengleichheit.

Sollten sich Karpens Bedenken nicht bestätigen, stünden am 18. Juli zwei Fragen zur Wahl, die mit entsprechenden Informationstexten garniert werden. Die Frage der Volksinitiative lautet: "Stimmen Sie der Vorlage aus dem Volkbegehren 'Wir wollen lernen' zu?" Die Frage der Bürgerschaftsfraktionen lautet: "Stimmen Sie der Vorlage der Hamburgischen Bürgerschaft zu?"

Diese Hamburgische Bürgerschaft hat sich gestern in der Aktuellen Stunde des Parlaments noch einmal Mut gemacht und für ihre Ziele geworben. Christa Goetsch (GAL), die Schulsenatorin, machte mit einem emotionalen Vortrag den Anfang. Sie skizzierte die Fähigkeiten und Probleme dreier sehr unterschiedlicher Kinder, um der aus ihrer Sicht "derzeit noch viel zu abstrakten Diskussion über die Primarschule" Leben einzuhauchen. Leistungsstarke und leistungsschwächere Schüler, so ihre Botschaft, profitieren gleichermaßen vom längeren gemeinsamen Lernen. "Mit dem neuen System, dass übersichtlich und gerecht ist, schaffen wir den Durchbruch in die schulpolitische Moderne."

Ties Rabe von der SPD machte auf das Grundproblem aufmerksam, das mit der Reform gelöst werden soll: "Ein Viertel der Schüler eines Jahrgangs scheitert in der Schule." Wer aus einem "besseren Elternhaus" komme, habe derzeit viel mehr Aussichten auf Erfolg beim Lernen. "Da müssen wir für mehr Chancengleichheit sorgen." Die Primarschule sei der richtige Weg, berge aber auch ein Risiko. "Schon erfolgreiche Schulen können nicht wie bisher weitermachen, sie müssen umgebaut werden." Dennoch: "Wenn es gut gemacht wird, überwiegen die Chancen." Marino Freistedt (CDU) sagte: "Eine Großstadt wie Hamburg darf eine Quote von rund 25 Prozent wenig ausgebildete Jugendliche nicht hinnehmen. Das neue Konzept hilft den Schwachen und den Starken." Und Dora Heyenn (Linke) ergänzte: "Die Primarschule ist ein Schritt in die richtige Richtung."