Weil der Hamburger Senat am Breitensport spart, erwägt der Niendorfer TSV sogar, keine Kinder und Jugendlichen mehr aufzunehmen.

Hamburg. Wenn sich heute Nachmittag in Raum 186 des Rathauses der Sportausschuss der Bürgerschaft trifft, werden Sportsenatorin Karin von Welck (parteilos) und Staatsrat Manfred Jäger (CDU) unangenehme Fragen von SPD und Linken zu beantworten haben. Es geht um den Einzelplan 3.3 der Behörde für Kultur, Sport und Medien, Kapitel 3770 "Sportförderung", und konkret darum, warum der Senat das Galopp-Derby in Horn (10. bis 18. Juli) mit 400.000 und das Tennisturnier am Rothenbaum (17. bis 25. Juli) mit 200.000 Euro unterstützen will. Stein des Anstoßes: Um diese 600.000 Euro soll im Haushalt der Titel Bau und Instandsetzung von Sportstätten von 3,819 auf 3,219 Millionen Euro gekürzt werden. Die Basis hat ihr Urteil längst gefällt. Der Daumen geht nach unten. Joachim Seidel, 50, steht am Spielfeldrand des Sportzentrums Sachsenweg und feuert Sohn Anton an, der in der älteren D-Jugend des Niendorfer TSV spielt.

Trotz Dauerregens gibt der 13-Jährige alles. "Warum soll in einen typischen Sponsorensport investiert werden, wenn dadurch weniger Geld für den Breitensport übrig bleibt?", fragt Seidel. Gerade in der Pubertät sei das Mannschaftsgefühl, das die Jungen beim Fußball erleben, ein Gewinn. Neben ihm steht der Vater von Antons Teamkollegen Jan, 13. Michael Zimmermann ärgert sich über die Senatspläne: "Den Jungs macht der Sport viel Spaß und uns Eltern das Zuschauen." Spieler-Mutter Christina Bartsch, 44, fordert, dass "der Senat bei der Entscheidung auch an die Familien denken" solle.

Es gebe immer lange Gesichter, wenn sich die Mannschaften beim Training das Spielfeld mit zwei anderen Teams teilen müssen, ergänzt Zimmermann. Einige der Jugendmannschaften des Niendorfer TSV können nur einmal wöchentlich üben - es fehlt an Trainingsmöglichkeiten. Im vergangenen Winter hatten die Eltern bereits Geld zusammengelegt, damit eine Halle angemietet werden konnte. Mit rund 1200 Spielern hat der NTSV die größte Jugend-Fußballabteilung Deutschlands.

Der Klub weiß um die drängenden Probleme, er möchte den Sportplatz Bondenwald sanieren. Dann wäre genug Platz für die 45 Jugendmannschaften. Ein Kunstrasenplatz mit Flutlichtanlage könnte auch in den Abendstunden und im Winter genutzt werden. Der Bau war zunächst für das kommende Jahr geplant, "nun hat das Sportamt die Modernisierung auf 2012 verschoben", sagt Michael Vierth, der Vereinsvorsitzende. "Wenn die Sanierung immer weiter verzögert wird, müssen wir über einen Aufnahmestopp für Kinder und Jugendliche nachdenken." Der NTSV ist der einzige Sportverein im Stadtteil. Die Schwierigkeiten der Niendorfer sind kein Einzelfall. Auch für den Walddörfer Sportverein hätte der Plan des Senats, die Sanierungsmittel um 600.000 Euro zu kürzen, Konsequenzen. "Für den Hamburger Sport wäre diese Prioritätensetzung eine Katastrophe, denn das Geld wird an einer anderen Ecke fehlen", sagt der Vorsitzende Ulrich Lopatta. "Es ist ein Unding, dass solche Entscheidungen anscheinend ohne Rücksprache mit dem organisierten Sport getroffen werden sollen."

Darüber ärgert sich auch Vierth: "In der Diskussion um die Sportstadt Hamburg mit möglichen Topevents des Leistungssports darf der Breitensport und damit das Angebot an alle nicht vergessen werden. Diese Tendenz besteht aber." Vierths Sorge: Je mehr Mittel aus dem Subventionierungs-Budget abgezweigt werden, desto unwahrscheinlicher ist es, dass alle Vereine am Ende etwas von dem Geld abbekommen.

Unterstützung erhalten Vierth und Lopatta von Günter Ploß, dem Präsidenten des Hamburger Sportbundes (HSB): "Der HSB setzt sich wie der Senat dafür ein, Sportgroßveranstaltungen nach Hamburg zu holen. Eine damit verbundene Umwidmung von Haushaltsmitteln zulasten der Eventförderung ist für uns jedoch nicht akzeptabel. Wir halten dies für ein verheerendes sportpolitisches Signal. Verschiebebahnhöfe zulasten der Vereine und Verbände können wir nicht gebrauchen." Ploß fordert die Bürgerschaft auf, eine alternative Finanzierung für die Zuschüsse für das Galopp-Derby und das Tennisturnier zu finden. Über den Plan des Senats soll das Parlament am 2. oder 3. Juni abstimmen.

Den HSB ärgert, dass der Verband in den Verhandlungen mit der Stadt über den neuen Sportfördervertrag für die Jahre 2011 und 2012 "um vergleichsweise kleine Summen kämpfen musste" und auch in den nächsten beiden Jahren je 200.000 Euro zur Haushaltskonsolidierung zu leisten hat, während der Senat innerhalb kürzester Zeit zum zweiten Mal größere Summen bereitstellt, die nicht im Haushalt vorgesehen waren. Ploß: "Die heute bekannten Mehrkosten von 900.000 Euro für den Ausbau der Regattastrecke Allermöhe (Gesamtkosten: 2,9 Millionen, d. Red. ) stehen im Etat des Sportamtes anscheinend problemlos zur Verfügung. Nun werden kurzfristig weitere Haushaltsmittel umgewidmet, obwohl eine Förderung des Galopp-Derbys und des Tennisturniers lange geplant sein müsste." Das versteht auch Frank Fechner nicht. Der Vorsitzende des Eimsbütteler TV: "Finanzielle Schwierigkeiten plagen seit Jahren beide Großveranstaltungen. Ohnehin sollte das Geld aus der Wirtschaftsförderung oder dem Standort-Marketing kommen."