Die Hansestadt hatte angekündigt, mit großen Investitionen die Wirtschaft stützen zu wollen, doch bisher wurden nur zehn Prozent ausgegeben.

Hamburg. Die Stadt Hamburg hat im vergangenen Jahr erheblich weniger investiert als geplant. Die groß angekündigte "Konjunkturoffensive" war bisher nicht viel mehr als ein finanzielles Rinnsal. Nur 60,5 Millionen Euro von insgesamt 578,5 Millionen Euro hat Hamburg ausgegeben - so der Stand vom 15. Februar dieses Jahres. Die meisten der 65 geplanten Maßnahmen sind noch nicht einmal begonnen worden.

Allein im Bereich Schulbaumaßnahmen, der mit insgesamt 110 Millionen Euro einen Großteil des Gesamtpakets ausmacht, sind bis Jahresende 2009 gerade mal 4,2 Millionen Euro ausgezahlt worden.

Dabei war die Konjunkturoffensive des Senats eigentlich dafür gedacht, der Wirtschaft im Jahr 2009 kräftig unter die Arme zu greifen. "Schnell und sinnvoll" wolle die Stadt handeln, hatte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) im Februar 2009 bei der Vorstellung des Pakets gesagt. Der Grund: Konjunktureinbrüche im Jahr 2009 sollten abgemildert werden. Das Mittel: Investitionen von 250 Millionen Euro, die für einen späteren Zeitpunkt geplant waren, sollten vorgezogen werden. "Wir wollen, dass die Aufträge von Unternehmen hier in der Region wahrgenommen werden", sagte damals der Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU).

Daraus wurde dann nichts. Aus der Wirtschaftsbehörde ist heute als Begründung zu hören, dass die Vergabe von Aufträgen eben doch länger dauere. In vielen Fällen seien die Bauvorhaben auch noch nicht einmal geplant gewesen. "Dass 2009 nicht so viel Geld ausgegeben wurde, ist im Grunde kein Problem, weil die Wirtschaft in jenem Jahr wider Erwarten gut zurechtgekommen ist. Die Investitionen werden nur auf dieses und die kommenden Jahre verschoben", sagt Pressesprecher Michael Ahrens. "Die Vergabe der Aufträge ist eine hoch komplexe Aufgabe, das könnte zu den Verzögerungen beigetragen haben. Aber wir sind nicht unzufrieden mit dem Zwischenstand unserer Konjunkturoffensive."

Die Opposition ist alles andere als zufrieden. Peter Tschentscher, der Haushaltsexperte der SPD-Bürgerschaftsfraktion, sagt: "Die Behörden haben nicht schnell genug gearbeitet. Die Wirtschaftsbehörde, die federführend ist, hat gar nicht genug Personal gehabt." Mit rund 60 Millionen Euro könne man keinen nennenswerten Beschäftigungseffekt erzielen. "Da sind zum Beispiel technische Großgeräte für den Wissenschaftsbereich angeschafft worden, die aus Asien kommen. Das hat null Beschäftigungseffekt." 23 Millionen Euro sollen im Wissenschaftsbereich investiert werden, 2009 waren es rund sechs Millionen Euro.

Nach Tschentschers Ansicht kommen die Hamburger Investitionen zu spät. "Fachleute sagen, dass man in der kritischen Phase der Konjunkturkrise intervenieren muss, also möglichst früh, wenn es bergab geht." Viele Wirtschaftsexperten seien nun allerdings der Ansicht, dass es schon wieder bergauf gehe. "Die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik ist überwunden", sagte Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, schon am 14. August 2009 im Hamburger Abendblatt. Und das Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) prognostizierte drei Monate später, dass in Hamburg die konjunkturelle Wende Mitte 2010 eintreten werde.

Die Hamburger Konjunkturoffensive wird also, wenn nichts dazwischenkommt, ihre volle Kraft genau dann entfalten, wenn die Konjunktur selbst in die Offensive geht. Derzeit ist geplant, dass am meisten Geld im letzten Quartal 2010 ausgezahlt wird. Baubeginn ist zum Beispiel für Arbeiten am Gymnasium Rahlstedt (12,7 Millionen Euro für eine Grunderneuerung und den Neubau einer Dreifeld-Sporthalle) und an der Gesamtschule Öjendorf (elf Millionen Euro für eine Grunderneuerung und einen Neubau für Klassenräume).

Für Josef Katzer, den Präsidenten der Handwerkskammer, sind die verzögerten Investitionen kein Problem. Der harte Winter habe viele Arbeiten ohnehin unmöglich gemacht. "Aber die Betriebe erwarten, dass es jetzt losgeht mit den Aufträgen", sagt er. Wolfgang Rose, Chef der Gewerkschaft Ver.di, sagt: "Die Differenz zwischen dem, was Senator Gedaschko angekündigt hat, und dem, was tatsächlich investiert wurde, ist gewaltig. Die Offensive ist ein Misserfolg."

Einen Vorteil hat dieser Misserfolg allerdings. Die Neuverschuldung der Stadt Hamburg ist im vergangenen Jahr deutlich niedriger ausgefallen als erwartet. Ursprünglich wollte man sich rund 1,65 Milliarden Euro leihen, nun sind es nur rund 900 Millionen Euro geworden. Das liegt unter anderem an den gesunkenen Investitionen, aber auch an höheren Steuereinnahmen (plus 140 Millionen Euro) und an Minderausgaben im laufenden Betrieb. Die höheren Steuereinnahmen resultieren nach Angaben der Finanzbehörde unter anderem aus drei großen Fällen von Erbschaftssteuer. Auch fürs Jahr 2010 scheint es auf der Einnahmenseite nicht so schlecht auszusehen. Im ersten Quartal wurden bereits rund zwei Milliarden Euro an Steuern eingenommen. Fürs ganze Jahr war mit 7,39 Milliarden Euro gerechnet worden. "Ob diese übertroffen wird, lässt sich nach dem Quartalsergebnis noch nicht beurteilen", sagt Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde. Erst nach der Mai-Steuerschätzung wisse man Genaueres.