Untersuchungsausschuss: Stadt hatte kein Angebot und verhandelte frei mit Hochtief. Laut Experten beinhaltete der Vertrag viele Risiken.

Hamburg. Es gibt Politiker, die halten den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur Elbphilharmonie für reine Zeit- und Geldverschwendung. Sie werden künftig wohl kleinere Brötchen backen, denn das, was der PUA jetzt in einer sechsstündigen Mammutsitzung ans Licht förderte, war bemerkenswert.

Die Kurzform: Im September 2006 stand die Stadt ohne gültiges Angebot für den Bau der Elbphilharmonie da. Um nicht die ganze Ausschreibung von vorne starten zu müssen, wurde mit dem Baukonzern Hochtief eine "Vereinbarung" unterzeichnet, um die Kosten für die Stadt senken und im Gegenzug die Erträge für Hochtief erhöhen zu können. Der dann geschlossene Bauvertrag beinhaltete nach Ansicht eines Experten dennoch erhebliche Risiken, und das müsse beiden Seiten auch bewusst gewesen sein.


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Doch der Reihe nach. Bis zum 15. September 2006 mussten die Baufirmen Strabag und Hochtief als letzte Interessenten ein Angebot für den Bau des Konzerthauses auf dem Kaispeicher A in der HafenCity abgeben. Wie mehrfach berichtet, sah sich Strabag dazu nicht in der Lage und reichte eine Vergaberüge wegen ungenügender Ausschreibungsunterlagen ein - wie das Abendblatt berichtet hatte, wurde diese Rüge aus der Welt geschaffen, indem mögliche Strabag-Forderungen auf den Auftrag für den Bau der Airbus-Landebahn "angerechnet" wurden. Die Antwort, was das bedeutet, steht noch aus.

Wie Thomas Möller, Leiter der Hamburger Hochtief-Niederlassung, im PUA aussagte, hatte seine Firma keinerlei Probleme, ein Angebot zu erstellen. Wohl auch, weil die Stadt die entscheidende Auskunft längst gegeben hatte. Auf die siebte von insgesamt 236 "Bieterfragen" zur Ausschreibung antwortete die Stadt Möller zufolge schon am 28. November 2005 unmissverständlich: "Das Planungsrisiko für die Elbphilharmonie verbleibt bei der Freien und Hansestadt Hamburg."

Das Angebot, das Hochtief an jenem 15. September einreichte, lehnte die Stadt dennoch "aus formalen Gründen" ab. Das rügte Hochtief - schon um 2,5 Millionen Euro Planungskosten später einfordern zu können, so Möller. Insider vermuten, dass sich die Stadt mit diesem Winkelzug nur zwei Hintertüren öffnen wollte: eine, um aus dem Projekt aussteigen zu können, die andere, um mit Hochtief "freihändig", also ohne Ausschreibung, verhandeln zu können. Auf dem Papier war die Elbphilharmonie zu diesem Zeitpunkt tot, zumindest für einige Tage.

Was dann kam, wird unterschiedlich interpretiert. Tatsache ist, dass die Stadt mit Hochtief am 27. September 2006 eine "Vereinbarung" abschloss, aus der Metin Hakverdi, SPD-Obmann im PUA, zitierte: "Die Baukosten für das Gesamtgebäude ... sollen um 44 Millionen Euro reduziert werden." Und der Betrag von 44 Millionen Euro reduziere sich "durch den Barwert möglicher Ertragsoptimierungen". Hakverdi interpretiert das so, dass die Stadt aus politischen Gründen den Preis drücken wollte. "Aber auf Umwegen wollte man Hochtief das Geld doch zuschustern, damit die den Auftrag annehmen."

Möller stellte es etwas anders dar: "Es ging darum, die Baukosten zu senken oder die Einnahmen aus dem kommerziellen Mantel zu erhöhen." Letzterer umfasst die privat finanzierten Bereiche Hotel, Gastronomie und Parkhaus. Das Ziel habe man erreicht, indem unter anderem das Hotel durch Verlagerung des Konferenzbereichs in den Speicher 40 Zimmer mehr bekam, was bei 18 000 Euro Jahrespacht pro Zimmer mehrere Millionen Euro ausmache. Auch Hochtief habe aber früh Bedenken angemeldet, so Möller: "Ich fand den Terminplan extrem sportlich." Doch die Bieterfragen 129 und 130, ob man selbst ein Angebot für die Tragwerks- oder die Fassadenplanung abgeben dürfe, um Kosten zu sparen und das Projekt zu beschleunigen, wehrte die Stadt ab: nein, ist nicht erwünscht. Die Planung sollte in den Händen der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron verbleiben. Hochtief wurde nur mit der Bauausführung beauftragt.

Als sich 2008 abzeichnete, dass allein die Kosten für die Stadt von 114 auf 323 Millionen Euro explodieren würden, bat die Stadt den Hamburger Einkaufszentren-Betreiber ECE um eine Prüfung des Vertragswerks. Deren Jurist Peter Waldheuer sagte im PUA, als Hochtief-Vertreter hätte er den Vertrag auch als "Einfallstor" für Mehrkostenforderungen betrachtet. Nur in einem "Best-Case-Szenario" hätte alles gutgehen können. Aber, so Waldheuer: "Der Best Case hat nicht stattgefunden." Stadt und Baukonzern wussten wohl sehr genau, "auf welche Risiken sie sich einlassen". Überrascht zeigten sich die Politiker im PUA, dass ECE keinen Cent für die Prüfung des Vertrags nahm. Waldheuer konnte das auch nicht so recht erklären, es sei aber nicht unüblich, dass große Unternehmen der Stadt einmal einen Gefallen tun.

Vorwürfe von städtischer Seite, Hochtief lasse sich extra Zeit, um Geld nachfordern zu können, wies Thomas Möller zurück: "Hochtief bummelt ganz sicher nicht. Wir handeln nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, und da ist Bummeln kontraproduktiv, weil es Kapazitäten bindet." Allerdings räumte er ein: "Die Situation an der Elbphilharmonie ist verfahren."