Hochtief-Chef Henner Mahlstedt wehrt sich im Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie gegen Vorwurf der Kultursenatorin Barbara Kisseler

Hamburg. "Keine Spielchen mehr mit der Elbphilharmonie!" Die Ansage von Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) an den Baukonzern Hochtief war unmissverständlich. Das Gezerre um Verantwortlichkeiten für Probleme und für Bauverzögerungen und die Forderungen nach mehr Geld, das mache die Stadt jetzt nicht mehr mit, hatte sie vor knapp zwei Wochen gesagt. Wenn Hochtief noch etwas wolle, zum Beispiel 100 Millionen Euro mehr wegen der längeren Bauzeit, dann könne der Konzern sich gleich an das Landgericht Hamburg wenden - das prüfe den Fall ja ohnehin.

Bislang hatte Hochtief auf den kämpferischen Auftritt der Kultursenatorin in der Bürgerschaft, der selbst der Opposition Respekt abgenötigt hatte, nicht reagiert - bis gestern Abend. Da gehörte die Bühne im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) Elbphilharmonie allein dem Hochtief-Chef, und dessen Aussage war ebenso unmissverständlich: "Wir machen keine Spielchen, sondern versuchen, dieses hochkomplexe Bauvorhaben zu realisieren", sagte Henner Mahlstedt, Vorstandsvorsitzender der Hochtief Solutions AG. Das ist die Muttergesellschaft der Hochtief Construction AG, Mutter der Zweckgesellschaft Adamanta, die die Elbphilharmonie als Generalunternehmer baut - das nur am Rande, um zu verdeutlichen, dass nichts einfach ist an diesem Projekt.

Mahlstedt verwahrte sich auch gegen - aus seiner Sicht wohl gezielt von städtischer Seite gestreute - Geraune, Hochtief könne nur "quadratisch, praktisch, gut" bauen, und wenn es komplex werde, bekomme das Unternehmen immer Probleme. Die Firma habe am höchsten Gebäude der Welt mitgebaut, am zweithöchsten, am neuen UKE, am Marco-Polo-Tower und dem Unilever-Haus in der HafenCity, und zurzeit baue man auch die U-Bahn-Linie 4 in den Hafen - alles hochkomplexe Projekte. "Wir haben diese Kompetenz", so Mahlstedt, "wir sind es gewohnt, an solchen Projekten zu arbeiten."

Für die ständigen Probleme, Bauverzögerungen (die Eröffnung wird statt 2012 wohl erst 2015 sein) und Kostensteigerungen (statt anfangs 77 Millionen Euro trägt allein die Stadt mindestens 350 Millionen), gibt es aus seiner Sicht drei Gründe: Hauptproblem sei das "Dreiecksverhältnis" aus Auftraggeber (Stadt), Generalplaner (die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron) und eben Hochtief als Generalunternehmer. "Es gibt Leistungen, die weder bei dem einen noch bei dem anderen beauftragt sind", sagte Mahlstedt. Das Konstrukt sei wohl gewählt worden, weil Stadt und Architekt möglichst viel Einfluss auf die Gestaltung behalten wollten. Hätte Hochtief auch die Planung gemacht - wie es eher üblich ist -, wäre dieser Einfluss geringer gewesen.

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Zweites Problem: "Es gibt keine Synchronisation der Verträge." Hochtief kenne bis heute nicht den Vertrag zwischen Stadt und Architekten. Folge: "Wenn einer sagt, ich brauche noch Zeit zum Planen, und der andere sagt, ich muss aber bauen, dann gibt es Probleme." Es sei die klassische Aufgabe der Stadt als Auftraggeberin, dafür zu sorgen, dass die Abstimmung funktioniere. Der dritte Kritikpunkt von Mahlstedt bezog sich auf die bekannte Tatsache, dass bei Baubeginn die Planung nicht abgeschlossen war: "Ein großer Teil ist baubegleitend noch geplant worden." Zum Beispiel war erst nachträglich ein dritter Saal in das Gebäude eingefügt worden. Allerdings räumte der 57-Jährige ein, dass es bei einem hochkomplexen "Nullserienprojekt" auch schwierig für den Architekten gewesen wäre, alles vor Baubeginn fertig zu haben.

Der Hochtief-Manager, der erst im März 2007 Vorstandschef der Construction AG geworden war und kurz darauf mit dem damaligen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) den Grundstein für den Jahrhundertbau gelegt hatte, konnte über das Zustandekommen der Vertragslage wenig aussagen. Dass Hochtief, ebenso wie der letzte Bieterkonkurrent Strabag, eine Vergaberüge eingereicht hatte, war ihm unbekannt - ebenso, was daraus geworden ist. Die Strabag-Rüge, die den Baubeginn um Jahre hätte verzögern können, war durch eine Vereinbarung mit der Stadt aus dem Weg geräumt worden, die dem Konzern andere Aufträge in Hamburg oder alternativ drei Millionen Euro in Aussicht gestellt hatte.

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Klar und deutlich erinnerte sich Mahlstedt aber daran, dass es nie einen Festpreis für das Projekt gab. "Es wurde unserer Ansicht nach kein Pauschalfestpreis vereinbart, weil innerhalb des Vertrags viele wesentliche Punkte und Leistungen nicht genau beschrieben worden sind." Unter anderem sei die Statik nicht fertig gewesen. Diese Sichtweise habe man der Stadt auch in einem Gespräch bei von Beust am 1. Juli 2008 sehr deutlich gemacht. Der damalige Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft (Rege), Hartmut Wegener, habe damals "vehement widersprochen", so Mahlstedt. Wegener musste kurz darauf gehen, und es wurde der "Nachtrag 4" vereinbart. Mit ihm stiegen die Kosten für die Stadt von 114 auf 323,5 Millionen Euro - was die Ex-Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) zu der Aussage verleitete, dies sei nun aber ein "Festpreis".

Angesichts der Tatsache, dass die Rege sich derzeit mit Hochtief über eine Lösung für die Reinigung der Glasfassade streitet und sogar erwogen wird, einige der riesigen Fenster wieder auszubauen, gab es im Untersuchungsausschuss auch komische Momente. Kurz nach Beginn betraten zwei Rathaus-Sicherheitsleute den Saal mit den Worten: "Entschuldigung, hier soll ein Fenster kaputt sein." In das Gelächter fragte ein Zuschauer: "Wer hat die eingebaut?" Die Antwort blieb aus.