SPD-Strategie zur Elbphilharmonie birgt Risiko. Die Gefahr, dass sich die Regierung mit dem PUA selbst ins Knie schießt, ist gegeben.

Der Fragesteller ließ nicht locker: "Was wissen Sie darüber?"

"Nichts, ich war ja damals noch nicht dabei", versicherte der Zeuge.

"Ich war auch nicht dabei. Trotzdem weiß ich einiges darüber. Also noch einmal: Was wissen Sie?"

Solche Wortgefechte, wie es sich sinngemäß zwischen dem SPD-Abgeordneten Metin Hakverdi und dem Hochtief-Chef Henner Mahlstedt abspielte, sind im Rathaus derzeit keine Seltenheit. Wenn der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) Elbphilharmonie tagt, geht es mitunter zu wie vor Gericht. Das ist auch ausdrücklich so vorgesehen, denn nicht umsonst gilt der PUA als "das schärfste Schwert der Opposition", Zeugen werden vor ihrer Vernehmung darauf hingewiesen, dass Falschaussagen strafrechtliche Konsequenzen haben können.

Ein Novum ist aber die Situation, dass ein Untersuchungsausschuss nicht von der Opposition betrieben wird, sondern von der Partei, die den Senat trägt - der SPD. Sie hatte den PUA Elbphilharmonie schon im Frühjahr 2010 ins Leben gerufen, als noch CDU und GAL regierten. Seinerzeit hatten alle Parteien für die Aufklärung der Vorgänge rund um das Jahrhundertprojekt gestimmt - wobei die CDU schon damals kaum verhehlt hatte, dass sie das für überflüssig hält. Weit kam man nicht, denn durch die Neuwahl im Februar löste sich nicht nur die Bürgerschaft auf, sondern auch alle ihre Ausschüsse inklusive PUA - womit die ungewöhnliche Konstellation ihren Lauf nahm.

Weil der hastig zusammengeschusterte "Zwischenbericht" viel anreißt, aber wenige Antworten liefert, hatte sich die SPD schon damals für einen neuen PUA nach der Wahl ausgesprochen und setzte das dann auch um. So eine Wiederaufnahme eines Untersuchungsausschusses war in der Hamburger Nachkriegsgeschichte zuvor dreimal vorgekommen - aber noch nie auf Betreiben einer Regierungspartei. Die CDU, obwohl von den Wählern zur größten Oppositionspartei gemacht, hatte nun jedoch überhaupt kein Interesse mehr an einem Untersuchungsausschuss. "Der PUA ist unnötig, überflüssig und soll, wie bereits in der letzten Legislaturperiode, nur der politischen Show dienen", begründete der Abgeordnete Jörg Hamann die einsame Ablehnung der CDU bei der Abstimmung am 14. April.

Wenn die SPD nur "Show" im Sinn hatte, kaschiert sie das allerdings gut. Denn mit Hakverdi hat sie ganz bewusst einen gelernten Strafverteidiger zu ihrem Obmann gemacht - und so agiert der 42-Jährige auch. Hinter dem Aufklärungsinteresse der Genossen steckt jedoch mehr als demokratische Gesinnung und Wunsch nach Transparenz, sondern auch eine mehrschichtige Strategie. Offensichtlichstes Ziel ist es, den politischen Gegner vorzuführen. Zwar hatten die Sozialdemokraten den Bau der Elbphilharmonie immer unterstützt. Dennoch ist es in erster Linie ein CDU-Projekt, vorangetrieben und beschlossen in der Ära Ole von Beusts. Weil die SPD seinerzeit keine Verantwortung trug, bietet der PUA ihr die Chance, die Schuld für Kostensteigerungen und Verzögerungen bei der Vorgängerregierung zu suchen.

Der zweite Punkt der Strategie ist etwas subtiler. Bürgermeister Olaf Scholz hat sofort nach Amtsantritt dem Projekt Elbphilharmonie einen sozialdemokratischen Anstrich gegeben: Statt eines zumindest gefühlt elitären Ortes für zahlungskräftige Touristen und die oberen Zehntausend der Hansestadt soll das Konzerthaus eine Begegnungsstätte für alle Hamburger werden. Scholz' zentraler Satz dazu heißt: "Jedes Kind in der Stadt soll einmal ein Konzert in der Elbphilharmonie besucht haben." Da kommt die Transparenz ins Spiel: Ein geheimnis- und skandalumwittertes "Millionengrab" würden die Hamburger schwerlich in ihr Herz schließen. Wenn sie das Gefühl haben, dass die Regierung sich mit aller Kraft für Aufklärung und gegen weitere Kostensteigerungen einsetzt, dürfte das leichter fallen.

Allerdings ist die SPD-Strategie nicht ohne Risiko - aus zwei Gründen. Erstens passt die Suche nach den Verfehlungen früherer CDU-Senate nicht so recht zur Strategie der Kultursenatorin Barbara Kisseler, die den Schwarzen Peter kürzlich öffentlich und mit aller Vehemenz dem Baukonzern Hochtief übergab: "Keine Spielchen mehr mit der Elbphilharmonie" waren ihre Worte in der Bürgerschaft.

Das zweite Risiko betrifft die "smoking gun". Wenn der PUA den rauchenden Colt, diese eine brisante Akte aufspürt, die belegt, dass die Stadt, egal, von wem sie damals regiert wurde, selbst schuld ist an all dem Dilemma - dann schießt sich die SPD womöglich selbst ins Knie. Denn die Folge könnte sein, dass die definitiv steigenden Kosten eben nicht von dem Baukonzern übernommen werden müssten, sondern vom Auftraggeber. Das ist die Stadt Hamburg. Regiert von der SPD.

Bislang ist nicht bekannt, dass Chefaufklärer Hakverdi mit Blick auf das Staatswohl gebremst werden soll. Es heißt, er habe sich das ausdrücklich verbeten, bevor er den Job annahm. Die spannende Frage ist, ob das so bleibt, wenn die SPD vor der Wahl stehen sollte: aufklären und Millionen nachzahlen - oder wegschauen und Geld sparen.