Von außen betrachtet macht die Elbphilharmonie schon sehr viel her. Die Krise tobt seit Jahren hinter der schönen Kulisse. Eine Entstehungsgeschichte

Hamburg. Falls sich die aktuellen Prognosen des Baukonzerns Hochtief bewahrheiten, wird die Elbphilharmonie nicht im November 2013, sondern erst im April 2014 fertig. Genauer gesagt, am 15. April 2014. Eine Uhrzeit hat Hochtief bei dieser Wahrscheinlichkeitsberechnung, die der Senat nun in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage nennt, nicht mitgeliefert. Schade eigentlich. Dieser Kundendienst hätte eine unterhaltsame Abwechslung in das seit Jahren praktizierte Rätselraten über Termine, Kosten und Schuldige gebracht. Das ist bekanntlich traurig und verzweifelt genug.

Mittlerweile hat man als Beobachter des Bauprozesses und der juristischen Prozesse, die damit verbunden sind, das Gefühl, unrettbar in einer Zeitschleife gefangen zu sein, die sich immer schneller zuzieht. Erst vor wenigen Wochen präsentierte die amts- und themenneue Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) der Gegenseite das städtische Kriegsbeil, kommentiert mit der Kampfansage: "Wir wollen keine Spielchen mehr." Gestern sagte ein Hochtief-Sprecher: "Wir bauen so schnell wie möglich." Anfangs lagen noch größere Ruhephasen zwischen den Eskalationsstufen, schien es. Doch auch dieser Eindruck täuschte wohl nur. Wenn auf eines Verlass ist in dieser Geschichte, dann auf die Streitlust.

Jetzt klagt man nicht mehr nur übereinander und über die immer wieder verbesserungsbedürftige Kommunikation, jetzt ist auch eine Klage aktenkundig. Wer ist ab wann an was schuld, wer bezahlt, was dann an Strafe im mindestens zweistelligen Millionenbereich nachzuzahlen wäre? Die Stadt brachte sich gegen Hochtief in Stellung, beide Seiten schieben kiloweise Akten als Beweismittel vor sich her. Keine Seite zeigt sich einsichtig. Verständlich, denn es geht um viel zu viel Geld, um viel zu viel Prestige, das verloren gehen kann.

Dabei fing einmal alles so gut an, so vielversprechend und euphorisch. Mit Bildern und Visionen, Hoffnungen und Träumen. 2001 sprachen Alexander Gérard und Jana Marko aus Hamburg mit zwei Basler Architekten, Jacques Herzog und Pierre de Meuron, über die Idee eines Konzertsaals auf dem damaligen Kaispeicher A. Der Entwurf zeigte eine kühne Welle aus Glas, es war die spektakuläre Verpackung einer überfälligen Investition in die kulturelle Tradition und Größe dieser Stadt.

2003 wurden diese Ideen publik, der Stein kam ins Rollen. Als sich der Senat, mit einem Wahrzeichen rechnend, 2005 einstimmig für den Bau der Elbphilharmonie entschied, stand ein Eröffnungstermin im Jahr 2009 auf dem Papier, und auf dem Preisschild für die Stadt stand "77 Millionen Euro". Im Januar 2005 verkündete der mittlerweile entlassene Projektkoordinator, diese Summe habe sich erledigt. Im November 2006 erhielt Hochtief den Zuschlag. Der "Festpreis": 241 Millionen Euro, davon 114 Millionen Euro aus dem Hamburger Haushalt. Im März 2007 gab die Bürgerschaft grünes Licht. Am 1. April 2007 - kein Aprilscherz - fand die symbolische Grundsteinlegung statt, Eröffnungsprognose: Sommer 2010. Im Juni 2008 wurde sie auf Herbst 2011 verschoben. Im März 2011 meldete sich Hochtief, nun sei Ende November 2013 als Bau-Ende angezeigt. Auf dem Preisschild für die Stadt steht momentan "323 Millionen Euro".

Nach wie vor scheint nur der Himmel über der gläsernen Welle die Grenze zu sein, was endgültige Gewissheiten angeht. Generalintendant Christoph Lieben-Seutter ist wie ein König ohne Land. Seine Prestige-Adresse ist nach wie vor virtuell, er muss sich auf Bespielung die Laeiszhalle beschränken.

Die Kultur-Großbaustelle ist für viele zum Symbol großspuriger Überforderung geworden, zum Menetekel dessen, was passieren und gründlich schiefgehen kann, wenn die öffentliche Hand öffentliches Geld zum Bauen in die Hand nimmt. Es gab Planungswirrwarr, Verträge mit Schlupflöchern, Dilettanten und Phrasendrescher. Manche Köpfe rollten, einige Amtsträger verloren ihren Posten. Nachtragshaushalte, Korrekturen, neue Sicherungsmechanismen sollten es richten.

Vertrauen wäre gut, Kontrolle wäre noch besser. Das Gefühl der Linderung oder gar ein Vertrauen in die Kom-promissfähigkeit der Verantwortlichen mag sich dennoch nicht recht einstellen. Im Gegenteil, je vollendeter die spektakuläre Hülle der Elbphilharmonie sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen wird, desto größer wird der Leidens- und Erklärungsdruck der Betroffenen. Weil sie arglosen Zeitgenossen immer wieder mit Engelszungen erklären müssen, warum es nicht auch im Inneren so schön vorangeht. Und damit ist die Frage nach zukunftsfähigen Visionen für Bespielungs- und Begeisterungskonzepte noch gar nicht gestellt. Es gibt rund um die gläserne Welle in der HafenCity immer noch viel mehr zu tun, als es den meisten Zuständigen lieb sein kann.

Teuer kommt sie das Ganze ohnehin zu stehen.