Der Anwalt des derzeit in Hamburg lebenden Mannes spricht von rund 90.000 Euro, die seinem Mandanten zustünden - 20 Euro pro Tag in Haft

Hamburg. Der Mann, den 24 Polizisten rund um die Uhr für 50.000 Euro in der Woche bewachen, hat selbst nicht viel Geld zum Leben. 150 Euro "Taschengeld" kriegt der Mitte Juli aus der Sicherungsverwahrung entlassene Sexualstraftäter im Monat, hinzu kommen Hartz-IV-Leistungen.

Doch das könnte sich ändern. Hans-Peter W. werde Schadenersatz für die Zeit seiner "rechtswidrigen Sicherungsverwahrung" einfordern, sagte sein Anwalt Bernd Behnke. Der Anspruch fuße auf einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), wonach vor 1998 verurteilte Straftäter maximal zehn Jahre in Sicherungsverwahrung genommen werden dürfen. Im Fall von Hans-Peter W. und bundesweit rund 80 Straftätern sei die Sicherungsverwahrung demnach rechtswidrig verlängert worden.

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Behnke geht davon aus, dass seinem Mandanten eine Entschädigung zustehe, wie sie das Gesetz auch für unschuldig verurteilte Strafgefangene vorsieht - 20 Euro pro Tag in Haft. Macht unterm Strich rund 90.000 Euro für den 53-Jährigen. "Wir werden einen Entschädigungsanspruch bei der Staatsanwaltschaft Heilbronn stellen", sagte Behnke. Sollte die Behörde ablehnen, werde er das Land Baden-Württemberg auf Schadenersatz verklagen. Dort war Hans-Peter W. 1981 wegen Vergewaltigung zu Strafhaft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Fast 30 Jahre habe Hans-Peter W. in der Justizvollzugsanstalt Freiburg verbracht, davon rechtswidrig zwölf Jahre in der Sicherungsverwahrung.

Ähnliche Schadenersatzforderungen könnten auch auf Hamburg zukommen, wo in den nächsten Jahren 17 vom EGMR-Urteil erfasste Sicherungsverwahrte auf freien Fuß kommen könnten. Wie aus einer Kleinen Anfrage der SPD hervorgeht, ist in zwei Fällen von Sicherungsverwahrung die Unterbringungsfrist überschritten worden. Nach dem EGMR-Urteil hätte im Juli 2005 ein Totschläger und im August 2009 ein Räuber aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden müssen. Ihre theoretischen Ansprüche summieren sich demnach auf rund 44.000 Euro. Allerdings befinde sich ein Inhaftierter im Maßregelvollzug, und es sei fraglich, ob er überhaupt "in die Nähe eines Entschädigungsanspruchs kommt", sagte ein Sprecher der Justizbehörde.

Sein Mandant hingegen poche zu Recht auf Schadenersatz, sagte Behnke und erhob schwere Vorwürfe gegen die Politik. "Die Betroffenen sind im Stich gelassen worden." Sein Mandant sei nicht auf ein Leben in Freiheit vorbereitet worden. Nun erlerne er mithilfe von zwei Sozialarbeiterinnen den Alltag. "Er kann nicht allein einkaufen, geschweige ein Handy oder einen Computer bedienen." Hans-Peter W., mit dem er täglich telefoniere, werde sich um Arbeit bemühen, sobald er zur Ruhe komme. "Er könnte als Hilfsarbeiter oder als Straßenreiniger arbeiten." Dass der Sexualstraftäter rückfällig wird, glaubt der Jurist nicht. Behnke: "Er verspürt keine Bedürfnisse in diese Richtung."