Niedersachsen möchte mit Hamburg kooperieren, um gefährliche Straftäter unterzubringen: “Zusammenarbeit wäre durchaus sinnvoll“.

Hamburg. Bei der Sicherungsverwahrung gefährlicher Straftäter hat Niedersachsen signalisiert, mit Hamburg gemeinsam über neue Einrichtungen nachzudenken, die nicht mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kollidieren. "Eine Zusammenarbeit mehrerer Bundesländer wäre durchaus sinnvoll", sagte Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) dem Abendblatt. Zuvor hatte die Hamburger CDU vorgeschlagen, ein spezielles Gefängnis in Norddeutschland für mindestens 100 Insassen zu bauen.

"Wir müssen darüber nachdenken, die Sicherungsverwahrung stärker als bisher und gegebenenfalls auch räumlich von den Justizvollzugsanstalten zu trennen", sagte Busemann dem Abendblatt. Zu diskutieren sei, ob dafür neue Einrichtungen gebaut werden müssten, oder die Unterbringung in bestehenden Einrichtungen möglich sei. Im Fall des in Hamburg lebenden Sexualstraftäters Hans-Peter W. sei eine "zwangsweise Unterbringung" jedoch nicht mehr möglich, so Busemann.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte entschieden, dass eine nachträgliche Verlängerung der bis 1998 auf zehn Jahre begrenzten Sicherungsverwahrung nicht rückwirkend angewendet werden darf. Auch deshalb, weil die Sicherungsverwahrung in Deutschland häufig nicht vom Strafvollzug abgegrenzt sei - und daher weniger einer Maßregel, sondern einer Strafe ähnele.

Die CDU-Rechtsexpertin Viviane Spethmann schlägt daher vor, ein Spezialgefängnis zu bauen, das nicht unter diesen Strafbegriff fällt. Denkbar sei eine gesicherte Unterbringung etwa mit Garten und eigener Küche. Aus der von Justizsenator Till Steffen (GAL) geleiteten Behörde hieß es dazu lediglich: "Wir sehen uns alle Vorschläge an."

Die Sicherungsverwahrten auf gesetzlicher Grundlage in einer speziellen Anstalt unterzubringen, sei "auf jeden Fall besser, als sie im Strafvollzug zu belassen", sagte der Kriminologe Henning Ernst Müller (Uni Regensburg).

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Versäumnisse der Politik sieht Thomas Ullenbruch, Experte für Sicherungsverwahrung: Bereits im Jahr 2004 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass jeder Sicherheitsverwahrte Anspruch auf privilegierte Haftbedingungen habe. "Wenn man diese Vorgaben vernünftig umgesetzt hätte, hätte der EGMR vielleicht auch in Hinblick auf die Altfälle anders entschieden. Passiert ist aber so gut wie nichts", sagte Ullenbruch dem Abendblatt. Der Jurist hält es für möglich, dass auch die nachträgliche Sicherungsverwahrung bald vom EGMR kassiert wird - "genauso wie das Institut der Sicherungsverwahrung insgesamt", sagte Ullenbruch. Bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung wird die Maßregel nicht im Urteil, sondern während der Haft angeordnet - sofern der Täter als weiterhin gefährlich eingestuft wird.

SPD-Rechtsexperte Andreas Dressel wies den Vorstoß, Spezialgefängnisse zu bauen, zurück. "Da fehlt die eindeutige Grundlage." Stattdessen sei zu prüfen, ob im Fall der entlassenen Straftäter eine Verwahrung nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz möglich sei. "Wer krank und deshalb gefährlich ist, kann auf dieser Grundlage untergebracht werden".