Reporter spürten den ehemaligen Sicherungsverwahrten Hans-Peter W. in Harburg auf. Anwohner protestierten vor dem Gebäude.

Hamburg. Erneut stehen Polizei, Justiz und Sozialbehörde vor einer schwierigen Aufgabe. Der öffentliche Druck auf den ehemaligen Sicherungsverwahrten Hans-Peter W. steigt. Weil Reporter ihn abermals in einer Unterbringung aufspürten und sogar die Anwohner in Harburg vor dem Gebäude protestierten, musste er gestern zum dritten Mal in Hamburg umziehen. Nach Abendblatt-Informationen brachten ihn Zivilbeamte, die für seine Überwachung eingesetzt sind, auf eigenen Wunsch zunächst ins Polizeipräsidium nach Alsterdorf. Ob der Ex-Häftling dort auch die Nacht verbrachte, ist nicht bekannt.

+++ Das sagen Politiker +++

"Das Katz-und-Maus-Spiel wird zusehends zu einem Problem", sagt ein Polizist. Auch im niedersächsischen Bad Pyrmont, wo sich W. nach seiner Entlassung zuerst aufgehalten hatte, flüchtete er wegen des medialen Drucks und der Bürgerproteste. Dabei müssen die Behörden dafür sorgen, dass der vom LKA Niedersachsen als "rückfallgefährdeter Sexualstraftäter" eingestufte Mann ein vergleichsweise unbehelligtes Leben führen kann. Davon kann bisher keine Rede sein.

Hans-Peter W. ist aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus der Justizvollzugsanstalt Freiburg entlassen worden. Es hatte eine Verlängerung der Sicherungsverwahrung beanstandet. Hans-Peter W. war 1981 wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung verurteilt worden.

+++ Odyssee eines Schwerverbrechers +++

Seine Entlassung war mit mehreren Auflagen verbunden. In den kommenden fünf Jahren muss er einen strengen Rhythmus einhalten. Mindestens einmal in der Woche wird er sich bei seiner Bewährungshelferin melden müssen, die ihm vom Bezirksamt Eimsbüttel zugeteilt wurde. Ebenso oft muss er sich auf der Polizeiwache zeigen, in deren Zuständigkeitsbereich seine Wohnung liegt.

Vorgeschrieben ist auch der monatliche Besuch der Forensischen Ambulanz des UKE, die an der Max-Brauer-Allee in Altona ihren Sitz hat. In der Ambulanz wird seine psychiatrische Behandlung koordiniert und kontrolliert.

Das schreiben die Auflagen vor, die die Richter der Strafvollstreckungskammer am Landgericht Freiburg als Teil der sogenannten Führungsaufsicht von Hans-Peter W. zusammengestellt haben. Sollte der entlassene Strafgefangene eine der Auflagen missachten, drohen ihm Konsequenzen. Diese reichen von Ermahnung über Geldstrafe bis zu einer Haft von bis zu drei Jahren.

Eine Führungsaufsicht kann dann angeordnet werden, wenn die Gefahr besteht, dass ein Verurteilter weitere Straftaten begeht. Sie gilt zwei bis fünf Jahre, in Ausnahmefällen auch unbefristet. Wie bei Hans-Peter W. nach fünf Jahren verfahren wird, hängt auch davon ab, ob sich der 53-Jährige an die Auflagen halten wird und ob er die Therapieangebote annimmt.

Zu den Auflagen gehört außerdem, dass er nur in Abstimmung mit seiner Bewährungshelferin eine neue Wohnung suchen, aber auch, dass er keine Waffen oder gefährlichen Gegenstände benutzen oder bei sich führen darf. Verboten sind bereits Messer mit einer Klingenlänge von mehr als fünf Zentimetern. Kontrolliert werden seine Auflagen vom Hamburger Landgericht.

Die Kosten für die Unterbringung, Therapie und den Polizeieinsatz - allein dieser beträgt etwa 50 000 Euro in der Woche - trägt die Stadt. Zudem hat der Ex-Häftling Anspruch auf Hartz IV oder Sozialhilfe. In beiden Fällen beträgt der Satz 359 Euro im Monat. Ob er auch Schadenersatz aufgrund des EGMR-Urteils hat, ist juristisch noch unklar. Automatisch bekäme er diesen nicht. W. müsste prozessieren.

Der Fall Hans-Peter W. ist erst ein Vorgeschmack darauf, was die Polizei in den kommenden Jahren zu erwarten hat. In Hamburger Gefängnissen warten noch 17 Sicherungsverwahrte auf ihre Freilassung. In Schleswig-Holstein sind es sieben. Zwei 66 und 70 Jahre alte Männer haben die Justizvollzugsanstalt Lübeck bereits verlassen. In Niedersachsen sind es zehn Sicherungsverwahrte, auf die das EGMR-Urteil aktuell zutrifft. Drei der Männer haben bereits entsprechende Anträge gestellt. Es wird mit rund zehn weiteren Antragsstellern im Laufe der nächsten Jahre gerechnet. In Bremen geht die Justiz von fünf aus.

Unterdessen bahnt sich zwischen Union und FDP in Berlin ein Streit um die Reform der Sicherungsverwahrung an. So kündigten Unionspolitiker an, an der nachträglichen Sicherungsverwahrung festhalten zu wollen. Diese "nachträgliche Sicherungsverwahrung" muss bisher nicht im Urteil enthalten sein - sie kann auch noch vor Ende der Haftzeit angeordnet werden. Damit ist Streit mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) programmiert, die nachträgliche Sicherungsverwahrung abschaffen will.

Diese habe sich in der Praxis als wenig tauglich erwiesen, sagte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums. In zahlreichen Fällen sei sie aufgehoben worden, zudem bestünden gegen sie grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken. Es sei nicht auszuschließen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine solche Regelung kippen würde.

Heute tritt darüber hinaus ein Gesetz in Kraft, das für einheitliche Urteile bei Sicherungsverwahrung sorgen soll. Strittige Rechtsfragen soll künftig nur noch der Bundesgerichtshof in Karlsruhe klären.