Nachträgliche Sicherungsverwahrung nachbessern.

Hamburg hat ein Problem. Eines, das die Stadt ausnahmsweise sich nicht selber eingebrockt hat wie etwa die explodierenden Kosten der Elbphilharmonie oder die Tatsache, dass ihr vor der Zeit ein Bürgermeister und gleich zwei Senatoren abhandenkommen. Das Problem ist ein neuer Mitbürger. Der heißt Hans-Peter W. und war das, was man heutzutage gerne Sextäter nennt. Der heute 53-Jährige war 1981 wegen Vergewaltigung zu einer Haftstrafe verurteilt und danach in Sicherungsverwahrung genommen worden.

Der Mann hat hier nicht eingesessen, ist auch nicht von einem Hamburger Gericht auf freien Fuß gesetzt worden, sondern in Baden-Württemberg aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes, der in der deutschen Praxis der Sicherungsverwahrung einen Verstoß gegen die Menschenrechte sah. Hans-Peter W. wollte nach Hamburg. Das ist geltendes und damit auch sein Recht. Und damit muss man leben, wenn man einen Rechtsstaat will. Zwei Wohnungen musste er nach Anwohnerprotesten schon aufgeben.

Überhaupt nicht in Ordnung ist, dass die deutsche Politik auf diesen wie andere Fälle nicht im Geringsten vorbereitet war. Sie hatte keinen Plan B und überließ das Problem letztlich der Polizei - und den Bürgern, die damit, völlig nachvollziehbar, überfordert sind. Sie bekommen plötzlich einen Nachbarn, der, wie etwa Hans-Peter W. von Experten als gefährlich eingestuft wird. Dass diesen Mann irgendjemand - egal ob Frau oder Mann, Vater oder Mutter - in seiner Nachbarschaft mit offenen Armen empfängt, kann wohl nur jemand glauben, der weitab vom wirklichen Leben zum Beispiel in seinem Politiker-Glaspalast in Berlin sitzt.

Der Skandal besteht darin, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ja nicht wie aus heiterem Himmel auf die armen Deutschen herabgefallen ist, sondern durchaus vorhersehbar war. Das Gesetzeswerk zur nachträglichen Sicherungsverwahrung war von der rot-grünen Bundesregierung offenbar mit zu heißer Nadel gestrickt worden - nach dem immer mal sehr populären Motto: Einsperren, Schlüssel wegwerfen.

Bis Ende des Jahres können bis zu 100 Sicherungsverwahrte auf freien Fuß kommen. Das würde, im schlimmsten Fall, etwa 2500 Polizisten bedeuten, die rund um die Uhr für die Sicherheit der Bürger und die der aus der Sicherungsverwahrung Entlassenen sorgen müssten. Für Parteiengezänk ist jetzt keine Zeit mehr. Die entsprechenden Gesetze müssen schnellstens nachgebessert werden, damit sie auch den Ansprüchen der Europäischen Gerichte standhalten.