Die Staatsanwaltschaft geht einer neuen Spur nach - und stellt die Ermittlungen gegen den SPD-Abgeordneten Metin Hakverdi ein.

Hamburg. Bei der Bürgerschaftswahl 2008 ist es möglicherweise zu Wahlmanipulationen gekommen. Die Staatsanwaltschat hat deshalb Ermittlungen wegen des Verdachts eines Wahlfälschungsdelikts im Wahlkreis Altona wieder aufleben lassen, die im Ursprung bis aufs Wahljahr zurückgehen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers, legt Wert auf die Feststellung: "Wir ermitteln gegen unbekannt." Das Ergebnis im Wahlkreis Altona war ein großer Erfolg für den Jungpolitiker Bülent Ciftlik. Er bekam mehr Stimmen als der frühere SPD-Fraktionsvorsitzende Walter Zuckerer, der deshalb seinen Sitz in der Bürgerschaft verlor.

Ciftlik steht mittlerweile vor Gericht - wegen des Verdachts der Förderung einer Scheinehe. Die ersten Ermittlungen der Fahnder im Wahljahr verliefen erfolglos. "Das Verfahren wurde im Juni 2008 eingestellt", sagt Wilhelm Möllers. Im Oktober 2009 tat sich dann eine neue Spur auf. Die alte Ermittlungsakte wurde wieder geöffnet. Auf welche Weise damals bei der Bürgerschaftswahl manipuliert worden sein soll, mochte Möllers nicht sagen - "sonst ist der Ermittlungszweck gefährdet". Bei der SPD wollte man die angeblichen Wahlmanipulationen nicht kommentieren. Unter der Hand ist zu hören, dass man von den Ermittlungen im Jahr 2008 nichts gewusst habe.

Ermittelt wird mittlerweile nicht mehr gegen Metin Hakverdi. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Anwalt war kurzzeitig in Verdacht geraten, bei der Vermittlung der Scheinehe das Paar beraten zu haben. Er hatte deshalb sein Mandat ruhen lassen. "Wir wollen die Ermittlungen wegen geringer Schuld gegen eine Zahlung von 750 Euro ans Rote Kreuz einstellen", sagt Möllers. Es sei nur "eine minimale Förderung der Haupttat festzustellen gewesen". Sie bestehe in der Weiterleitung des Paares an einen Fachanwalt. Hakverdi sei nicht beratend tätig geworden, er habe dazu umfassende Aussagen gemacht. Er habe die Entscheidung der Staatsanwaltschaft akzeptiert.

Im aktuellen Scheinehe-Prozess gegen Ciftlik, seine ehemalige Lebensgefährtin Nicole D. und deren späteren Ehemann Kenan T. erläuterten die Beteiligten unterdessen erstmals eine ominöse Mail, die angeblich von Nicole D. abgeschickt worden sein soll. Sie enthält Sätze, die Ciftlik klar entlasten und konträr zum Geständnis der jungen Frau bei Staatsanwaltschaft und Gericht stehen. Fraglich ist jedoch, wer tatsächlich hinter der Computerpost, die einem Kollegen Nicole D.s zugegangen war, steckt.

Zwei Tage vor dem Prozess war die Mail versandt worden. Um 1.38 Uhr nachts. Einen Tag vor dem Prozess gab eine unbekannte Person einen Ausdruck des Schriftstücks bei der Staatsanwaltschaft ab. Sie enthält in einem Absatz über Ciftlik die Bemerkung: "Natürlich hat er mich nicht zu meiner Heirat angestiftet, sondern mir davon abgeraten." Nicole D. sagt jedoch, sie habe eine Mail mit derartigem Inhalt niemals geschrieben oder verschickt. Die Staatsanwaltschaft glaubt ihr. Die Ermittler gehen davon aus, dass "ein Dritter" die Mail verschickt hat. Um Ciftlik aus der Schusslinie zu bekommen? Laut Erkenntnissen des Gerichts ist die Mail tatsächlich vom Computer der 33-Jährigen versandt worden. Jedoch war ihr Mail-Account dafür lediglich zwei Minuten lang aktiviert.

Der Absender muss also an dem betreffenden Laptop aufgerufen, den Text in eine Mail kopiert, versendet, gelöscht und die Mail-Funktion wieder abgeschaltet haben. Das Passwort der 33-Jährigen ist dabei nicht gehackt worden. Den Text kopierte der Verfasser nach Gerichtserkenntnissen von einem USB-Stick des Anbieters O2 in die Mail. Nicole D. sagte vor dem Gericht aus, ihre Schwester kenne das Passwort. Aber auch Ciftlik habe in der Vergangenheit mit ihrem Computer gearbeitet, unter anderem um belastende Unterlagen zu löschen. Und Kenan T. benutze oft einen O2-USB-Stick. Bülent Ciftlik und Kenan T. beteuern weiterhin, dass es nie eine Scheinehe gegeben habe. Staatsanwaltschaftssprecher Wilhelm Möllers sagt: "Wir halten die Aussagen von Nicole D. weiterhin für glaubhaft."