Der Kreisvorstand hatte im AWO-Büro in Altona-Nord zur Sitzung gebeten. Es ging um die Ermittlungen wegen des Verdachts der Vermittlung einer Scheinehe und erneut um den Untersuchungsbericht zum Stimmzettelklau.

Es war das erste Aufeinandertreffen der SPD-Widersacher Bülent Ciftlik und Mathias Petersen seit dem erneuten Hochkochen der Stimmzettel-Affäre. Und der tiefe Graben zwischen den beiden war spürbar und sichtbar.

Donnerstagabend, 20 Uhr, AWO-Seniorentreff Altona-Nord: Die SPD-Kreisvorsitzende Melanie Schlotzhauer hat die Kreisverwaltung, die Distriktvorsitzenden und SPD-Mitglieder aus Altona zu einer nicht öffentlichen Sitzung eingeladen. Ciftlik soll Stellung nehmen zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts auf Vermittlung einer Scheinehe. Er bestreitet dies vehement.

Ein weiteres Thema sind Abweichungen in seinen Aussagen zum Stimmzettelklau im partei-internen Untersuchungsbericht ("Grambow-Bericht"). Petersen sieht sich als Opfer des Diebstahls, der ihn um die Bürgermeisterkandidatur brachte. Ciftlik war damals bereits Parteisprecher und überwarf sich in den turbulenten Tagen mit Petersen, der zugleich noch Landesvorsitzender war.

Die Anspannung der vergangenen Woche ist Bülent Ciftlik am Abend deutlich anzusehen. Fünf Minuten vor Beginn der Sitzung erscheint er - gewohnt adrett: grauer Anzug, weißes Hemd, keine Krawatte. Die dunklen Augenringe aber sprechen eine eigene Sprache. Trotzdem sagt er vor der Sitzung: "Ich freue mich über eine Diskussion mit offenem Visier. Nur so kann man alle Fragen klären, und das ist notwendig."

Mathias Petersen kommt erst nach Beginn des Parteitreffens. Bewusst geplant oder Zufall? Kein Zufall jedenfalls ist das Vorgehen der Altonaer Genossen. Kreisgeschäftsführer Sebastian Jahnz empfängt Petersen persönlich, führt ihn an der ersten Eingangstür vorbei, lässt ihn erst durch die zweite Tür im hinteren Teil des Raumes eintreten. Er vermeidet damit ein direktes Aufeinandertreffen mit Ciftlik, der im vorderen Teil des Raums sitzt - umringt von Parteifreunden. Petersen bleibt hinten.

Was er sich von dem Abend erwartet? "Ich hoffe auf eine faire Aussprache", sagt Petersen. Dann schließen sich die Türen.

Ciftliks eigener Distrikt Flottbek-Othmarschen steht zu ihm. Sein Angebot, den Posten des Distriktsvorsitzenden ruhen zu lassen, lehnten sie am Vortag ab.

Unterdessen hat die Parteibasis im Nachhinein grünes Licht für die Veröffentlichung des internen Untersuchungsberichts zum Stimmzettelklau gegeben. Der Landesarbeitsausschuss - das höchste Parteigremium zwischen den Parteitagen - unterstützte den Kurs von Parteichef Ingo Egloff mit breiter Mehrheit. "Wir werden den Bericht jetzt auch online stellen", sagte Landesgeschäftsführerin Karin Timmermann. Die Nutzer von abendblatt.de können den fast zwei Jahre lang geheim gehaltenen Bericht bereits seit Dienstagabend in voller Länge lesen.

Mehr als 60 der 79 Distriktsvorsitzenden, die dem Landesarbeitsausschuss angehören, hatten an der gut zweistündigen Diskussion teilgenommen. "Der größte Teil war sehr erfreut darüber, dass alle den Bericht jetzt bekommen haben", sagte Timmermann. Einige Distriktschefs seien der Ansicht gewesen, dass der Bericht schon viel früher hätte veröffentlicht werden können.

"Alle sehen jetzt, dass nichts Neues drinsteht", sagte Timmermann.

Egloff hatte sich zur Veröffentlichung entschlossen, nachdem aus dem Bericht in den Medien zitiert worden war. Die Kommission hatte ebenso wenig wie die Staatsanwaltschaft Tatverdächtige für den Diebstahl von knapp 1000 Briefwahlstimmen aus der SPD-Parteizentrale Kurt-Schumacher-Haus Ende Februar 2007 ermitteln können.