Ausrangierte Handys sind Gold wert. Prof. Kerstin Kuchta erforscht an der TUHH, wie wertvolles Metall aus Handys zurückgewonnen wird.

Harburg. Im Abfall befinden sich wahre Schätze. Ausrangierte Mobiltelefone sind Gold wert. Bis zu 300 Gramm des edelsten aller Metalle stecken in jeder Tonne Handy-Schrott. Kerstin Kuchta, 45, Professorin an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH), forscht am Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft im Harburger Binnenhafen nach Verfahren, mit denen Gold und andere Metalle gewinnbringender wiederverwertet werden können.

Bislang lassen sich aus dem Elektro-Schrott, der täglich weltweit in Tonnen anfällt, höchstens ein Viertel der verborgenen Edelmetalle gewinnen. "Viel zu wenig in Ressourcen schonenden Zeiten", sagt Kuchta. "Beim derzeitigen Goldpreis müssen wir herausholen, was geht. Wir können es uns nicht leisten, Gold wegzuwerfen."

Viel besser sei es, das recycelte Edelmetall wieder in den Produktionsprozess zu bringen. Die promovierte Ingenieurin forscht seit November am neuen Lehrstuhl für Abfallressourcenwirtschaft der TUHH auf diesem Gebiet der Abfallverwertung.

Zwei Verfahren stehen zurzeit im Labor zur Verfügung. Die "kalte" Aufbereitung. Dabei wird der Elektro-Schrott zunächst geschreddert, und anschließend werden die Metalle mit mechanischen Verfahren vom Kunststoff getrennt. Beim "heißen" Verfahren wird der Kunststoff aus dem Schrott in mehreren Stufen bei Temperaturen bis zu 2000 Grad Celsius verbrannt. Zurück bleiben Metalle, die getrennt und je nach Güte weiter verwertet werden könnten - noch funktioniert all dies nur im Labor. Was fehlt, ist die großtechnische Umsetzung. Genau daran arbeitet Kerstin Kuchta.

Ein Goldrausch ist im Harburger Binnenhafen aber noch nicht ausgebrochen. "Die Goldbeschichtungen in den Handys werden immer dünner", sagt Kerstin Kuchta, "deshalb nimmt der Goldwert von Handys ab." Frühestens in fünf Jahren, so hofft die Professorin, wird es industrielle Verfahren geben, um etwa aus Handys das Gold und aus Elektro-Schrott andere wertvolle Metalle zu lösen.

"Bis dahin werden wir sicher auch ein ganz anderes Problem gelöst haben", sagt Kerstin Kuchta. Handy-Besitzer trennen sich offensichtlich höchst ungern von ihren Geräten. "Deshalb fehlt auf dem Recycling-Markt noch die kritische Masse."

Fast so wertvoll wie Gold und vor allem genauso relevant für die Industrie ist Neodym: Das seltene Erdmetall ist wesentlicher Bestandteil von Dauermagneten in Festplatten und Elektromotoren. Die weltweite Nachfrage, vor allem für die Herstellung von elektrischen Produkten sowie von Technik im Bereich der erneuerbaren Energien, wird nach Einschätzung Kuchtas das Angebot in wenigen Jahren übersteigen. Umso wichtiger seien Verfahren zum Recycling von Neodym. Diese befinden sich noch in der Entwicklung. Auch die seltenen Erdmetalle Indium und Europium sind wichtige Metalle für die Elektronikindustrie - sie kommen als Flüssigkristalle in den Displays von Handys vor. Neodym, Indium und Lanthan finden sich in Rechnern und Fernsehern.

Bei Aurubis auf der Veddel, so Kerstin Kuchta, würden schon Festplatten aus Computern geschreddert und eingeschmolzen - und somit Kupfer und Gold zurückgewonnen. "Die seltenen Erdmetalle werden bei Aurubis aber noch nicht recycelt. Und Handys werden von Aurubis nicht aufgearbeitet."

Kerstin Kuchta studierte an der TU Berlin Technischen Umweltschutz, arbeitete danach als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Darmstadt im Fachbereich Bauingenieurwesen, promovierte 1997 über die "Qualitätssicherung der thermischen Abfallbehandlung" bevor sie bei der Ingenieurgemeinschaft Technischer Umweltschutz GmbH (ITU) in Berlin und in Dieburg sowie als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei der Mess- und Prüfstelle Technischer Umweltschutz GmbH in Berlin Praxiserfahrungen sammelte.

1999 gründete die gebürtige Hamburgerin aus dem Stadtteil Marienthal gemeinsam mit ihrem Vater die kuchtagroup umwelt & management GmbH, die seitdem Dienstleistungen für das Abfallmanagement und Umweltmanagement anbietet. 2002 kehrte die Wissenschaftlerin in ihre Heimatstadt zurück, wo sie bis zur Rufannahme an die TUHH als Hochschullehrerin am Lehrstuhl für Umweltmanagement der Hochschule für Angewandte Wissenschaften arbeitete.

Als Gründungsdekanin der ingenieurwissenschaftlichen Fakultät war Kuchta von 2008 bis 2010 an der Deutsch-Kasachischen Universität in Almaty, hat dort wochenweise gelehrt, ein Labor eingerichtet "und mit dem Zoll gekämpft". In Istanbul hielt sie an der Bosporus-Universität 2006 und 2008 im Rahmen von Summer-Schools Vorträge über "Abwasser und erneuerbare Energien". Ihre Kontakte zu beiden Universitäten will Kuchta jetzt wieder aufnehmen. "Die Abfallressourcenwirtschaft ist ein globales Thema", sagt sie. Für das Recycling und die Produktion von Metallen gelten in Kasachstan und Türkei die gleichen Regeln wie in Europa. Auch China sei ein interessanter Markt.

Kerstin Kuchta ist Mitglied der Expertengruppe des Umweltbundesamtes für Elektronikschrott-Recycling und gehört dem Wissenschaftlichen Beirat der Umwelthauptstadt 2011 ("Green Capital") sowie dem Kuratorium der Entsorgergemeinschaft der Deutschen Entsorgungswirtschaft an.

Die 45-Jährige ist in Marienthal groß geworden und hat 1985 auf dem Gymnasium Marienthal ihr Abitur gemacht. Ihre Leistungsfächer waren Chemie und Mathematik. "Mein Vater ist Maschinenbauer", sagt Kerstin Kuchta, " da war es der klassische Weg, dass die Tochter auch Ingenieurin geworden ist. Es war mir immer klar, dass ich was Technisches machen wollte, und dann ist bei mir als Frau auch immer der Weltrettungsgedanke dabei - das vereinigte sich ideal in Umwelttechnik."

Kerstin Kuchtas Partner Jochen Holzkamp, 45, ist als promovierter Maschinenbauer ebenfalls Ingenieur. Beide haben die Kinder Habibe, 7, und Kayo, 9. In ihrer Freizeit segelt Kerstin Kuchta auf der Alster auf einer H-Jolle, im Urlaub auch gerne auf einem Binnengewässer in der Nähe des englischen Norfolks. Frau Professorin joggt und baut im Garten in Marienthal Zucchini, Tomaten und Gurken an.