Hamburg. Überall in der Stadt entstehen neue Betten für Besucher. Als gäbe es nichts anderes mehr zu bauen. Ganz ehrlich, wir haben genug.

Haben Sie die guten Neuigkeiten schon gehört? Toll, oder? Wurde auch wirklich Zeit. Man wusste ja schon gar nicht mehr, wohin. Also die Touristen. Doch nun, endlich, wird Abhilfe geschaffen: Hamburg bekommt ein neues Hotel!

Ein Neubau unmittelbar neben dem Hansa-Theater in St. Georg, also direkt am Steindamm. Rund 200 Zimmer soll das „Lifestyle-Hotel“ haben, heißt es.

Immobilien Hamburg: Noch ein Hotel – das hat der Stadt gerade noch gefehlt

Wie? Sie klingen ja nicht gerade begeistert. Sind Sie etwa nicht der Meinung, dass das, was Hamburg gerade noch gefehlt hat, ein weiteres Hotel ist?

Willkommen im Club! Hier treffen sich Gleichgesinnte, die finden, dass Hamburg sehr viel gebrauchen kann. Abgesehen von noch einer Herberge für Besucher und andere Absteiger, ganz gleich welcher Kategorie. Denn wenn wir in dieser Stadt schon etwas haben, sind es: Hotels. 373 Stück aktuell, um genau zu sein. Der Bestand ist enorm angestiegen. Vor zehn Jahren gab es hier noch 314 Häuser, vor 20 Jahren waren es 274.

Hotels in Hamburg: Der Markt wächst kontinuierlich, der Pool ist voll

Die Zahlen stammen vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, der auf Nachfrage zudem mitteilt: „Wir haben ausreichend Hotels in allen Kategorien in Hamburg.“

Selbst die Experten sind also Teil des Clubs. Trotzdem wächst der Hotelmarkt laut Dehoga „kontinuierlich“. Man muss allerdings gar nicht vom Fach sein, um diese Entwicklung zu bemerken. Das neue Etablissement am Steindamm ist ja nur ein weiterer Tropfen in den gut gefüllten Hotelpool. So ist es bereits das zweite Haus der neuen Lindner-Marke „me and all“, das in Hamburg geplant ist – der erste Ableger soll an der Reeperbahn entstehen, wobei dieser nicht nur in seiner bloßen Funktion als Hotel, sondern auch noch als Molotow-Club-Kultur-Vertreiber für Unmut sorgt.

Kiez, Innenstadt, überall entstehen neue Häuser – zumindest für Besucher

Aber logisch, gerade der Kiez braucht ganz dringend weitere Hotels. Schließlich müssen wir wer weiß noch wie lange warten, bis ein weiterer geplanter Neubau mit 150 Zimmern im Paloma-Viertel gebaut werden wird. Gott sei Dank tut sich dafür auf einer Brache schräg gegenüber etwas. An der Kreuzung Reeperbahn/Hein-Hoyer-Straße, der „Heißen Ecke“, soll noch in diesem Jahr Richtfest gefeiert werden – für ein Hotel mit 117 Zimmern.

Am Gänsemarkt war es unterdessen schon so weit, hier steht hinter historischer Fassade bereits der sechsstöckige Rohbau für ein Boutiquehotel auf „Vier-Sterne-Superior-Niveau“ mit 89 Zimmern und Suiten, bei dem laut Betreiber Wert auf „eine hochwertige Ausstattung und Wohlfühlatmosphäre“ gelegt wird. Ein Hotel, in dem man sich auch noch wohlfühlt – zumindest das Konzept klingt innovativ.

Elbtower: Vielleicht hat der Stillstand ja auch was Positives

Noch weiter ist man ebenfalls in der Innenstadt, im Johann Kontor. Seit März stehen hier 228 nagelneue Zimmer für Besucher bereit. Das Haus ist der Ableger einer bekannten Gruppe, die in Hamburg bereits rund 20 Hotels betreibt. Und von der demnächst noch weitere hinzukommen – im ebenso sehnlich erwarteten Westfield Hamburg-Überseequartier. Gleich drei Hotels werden hier gebaut, insgesamt geht es um 830 weitere Zimmer. Wenn schon XXL, dann in allen Bereichen.

Womit wir beim Elbtower wären. Traurige Geschichte, das Ganze, aber man muss ja immer versuchen, das Positive zu sehen: Vielleicht bleibt Hamburg so vor einem weiteren Hotel mit 200 Zimmern und drei Restaurants verschont, wie es in dem hochmütig geplanten Hochhaus entstehen sollte. Robert de Niro, der an der entsprechenden Hotelgruppe beteiligt ist, wird es sicher ebenso verkraften können wie potenzielle Touristen.

Hotel Hamburg: Spektakulär nächtigen – ob Bunker oder Ex-US-Konsulat

Können sich diese doch bald in einer anderen „spektakulären“ Unterkunft einbuchen: dem grünen Bunker von St. Pauli. Ein Reverb by Hard Rock Hotel mit 134 Zimmern wird hier demnächst eröffnen. Von den bisherigen Verzögerungen – der zuletzt kommunizierte Eröffnungstermin Anfang April musste aufgrund schlechten Wetters abgesagt werden – darf man sich nicht aufs Glatteis führen lassen. Dieses Hotel wird kommen, da kann auch das Hamburger Schietwetter auf Dauer nichts gegen tun.

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Und auch die Luxus-Herbergen rund um die Alster dürfen sich auf weitere Konkurrenz freuen. Zehn Häuser dieser Kategorie, darunter das laut des Schweizer Institutes for Service & Leadership „beste Hotel Deutschlands“, das Vier Jahreszeiten, sind nicht genug: Auch im „Weißen Haus an der Alster“, dem ehemaligen Sitz des US-Konsulats, ist deshalb ein – Überraschung! – Hotel geplant.

Immobilien Hamburg: Woher sollen all die Gäste für die Hotels kommen?

So, haben wir noch einen neuen Standort vergessen? Mit Sicherheit. Wie soll man bei der Menge aber auch noch den Überblick behalten? Da sieht man ja die Touristen vor lauter Betten nicht mehr. Apropos, Funfact: Im vergangenen Jahr lag die durchschnittliche Bettenauslastung in Hamburg laut Dehoga bei 58,4 Prozent. Auch wenn man diese nicht mit der Auslastung der Zimmer verwechseln dürfe, die bei mehr als 70 Prozent gelegen habe, kann man sich ausrechnen: Da stand bereits das ein oder andere Bett leer.

Und woher sollen jetzt die ganzen Besucher für die vielen neuen Hotels kommen? „Die Gästenachfrage verlief glücklicherweise fast überwiegend proportional zum Wachstum der Hotelkapazitäten“, sagt eine Dehoga-Sprecherin. „Ich hoffe sehr, dass dies so bleibt.“ Willkommen im Club der Optimisten.