Gestern bezog der Ex-Sicherungsverwahrte Hans-Peter W. trotz Protesten seine neue Wohnung. Nun zog auch Karsten D. ein.

Hamburg. Der Sexualstraftäter Hans-Peter W. ist gestern Abend, zwei Tage nach einer Protest-Demonstration von Anwohnern, in das vom Senat vorgesehene Haus für entlassene Sicherungsverwahrte eingezogen. Am heutigen Montag ist nun auch Karsten D., ein weiterer ehemaliger Sicherungsverwahrter, in das Haus in Jenfeld gezogen, wie Justizbehördensprecher Sven Billhardt bestätigt: "Inzwischen hat sich auch Karsten D. dazu entschlossen, in das Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Pflegezentrums Holstenhof umzuziehen.“ D. befand sich zuvor freiwillig in einer therapeutischen Einrichtung, die er nun gegen seine neue Jenfelder Wohnung eintauschte.

Es war gestern um 19.29 Uhr, als Hans-Peter W. in Bluejeans und orange-weiß gestreifter Jacke das gelbe Klinkerhaus an der Straße Elfsaal betrat, zusammen mit seinem schwarzen Labrador. Und acht Polizeibeamten, von denen einige den neuen Mieter der Zweizimmerwohnung in dem ehemaligen Altenheim rund um die Uhr bewachen werden.

Im Schutze der Dunkelheit war die Kolonne von vier Zivilfahrzeugen vor dem Klinkerbau eingetroffen. Es dauerte nur wenige Sekunden und Hans-Peter W., der zuletzt in einer Unterkunft einer Eilbeker Einrichtung lebte, war in dem Gebäude verschwunden. In seinem neuen Zuhause angekommen, zog der verurteilte Schwerverbrecher zunächst die Gardinen vor die Fenster. Niemand sollte sehen, wie er seine wenigen Habseligkeiten auspackte. Diese waren in zwei Kleintransporter verstaut. Der Hausrat passte in wenige Umzugskartons, außerdem lagen eine zusammengerollte Matratze und ein Holzstuhl gut sichtbar im Wagen.

300 Jenfelder protestieren gegen Unterbringung

Jenfelder protestieren täglich gegen Ex-Sicherungsverwahrte

Gewalttäter sollen neben dem Gefängnis wohnen

Mit dem Einzug von Hans-Peter W. gestern Abend ist eingetreten, was viele Jenfelder seit Wochen befürchtet hatten. Noch eineinhalb Stunden vor dem Eintreffen des Schwerverbrechers hatten sich rund 20 Anwohner zu der seit 21. Dezember täglich stattfindenden Mahnwache an der Einfahrt zu dem ehemaligen Altenheim getroffen. Auch ein Streifenwagen stand ab 18 Uhr dort - wie jeden Abend. Als gegen 18.35 Uhr jedoch ein zweiter Streifenwagen auftauchte, schöpften die ersten Protestler Verdacht: Deshalb pilgerten sie nach ihrer Mahnwache um 19 Uhr zu dem Klinkerbau. "Wir wollen uns versichern, dass noch niemand in das Haus eingezogen ist", sagte der Anwohner Ralf Sielmann, der die Protestaktionen organisiert. "Uns wurde gesagt, dass die Anwohner informiert werden, bevor die Männer hier untergebracht werden - aber der Regierung trauen wir nicht." Als die kleine Gruppe festgestellt hatte, dass alles ruhig war, verließ sie das Gelände. Etwa 15 Minuten später fuhren dort, wo Anwohner Sielmann und seine Nachbarn gestanden hatten, Hans-Peter W. und die Polizisten vor.

Lange hatten sich Hans-Peter W. und der wegen Totschlags verurteilte Schwerverbrecher Karsten D. geweigert, nach Jenfeld umzuziehen. Seit Monaten schon zieht sich die Diskussion zwischen Senatoren, Anwohnern und den ehemaligen Sicherungsverwahrten hin. Seit Bekanntwerden der Senatspläne laufen die Nachbarn des ehemaligen Altenwohnheims Sturm gegen den Umzug der Schwerverbrecher nach Jenfeld. Hamburgs Opposition forderte immer wieder neue Konzepte, machte andere Vorschläge für die Unterbringung und versuchte die Frage zu einem Politikum zu machen. Doch Justizsenatorin Jana Schiedek, Innensenator Michael Neumann und Sozialsenator Detlef Scheele (alle SPD) blieben hart. Immer wieder betonten sie: Jenfeld bleibt das einzige Angebot des Senats an die Schwerverbrecher." In einem Brief an mehr als 23 000 Haushalte in Jenfeld, Billstedt und Horn warben die Senatoren für die Unterbringung in Jenfeld. Trotzdem demonstrieren die Anwohner täglich.

Ausgelöst wurde die Diskussion um die Sicherungsverwahrten durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg vom Mai 2010. Danach ist es nicht zulässig, Strafen - und damit auch eine Sicherungsverwahrung - nachträglich zu verhängen. Als Folge dieses Urteils könnten von den 30 Schwerverbrechern, die sich in den Hamburger Justizvollzugsanstalten und dem Maßregelvollzug (Ochsenzoll) in Sicherungsverwahrung befinden, 16 bis zum Jahr 2018 entlassen werden. Unter ihnen sind auch 14 Gewalttäter. Im Juli 2010 wurde W. aus der Justizvollzugsanstalt Freiburg entlassen. Zunächst zog er nach Bad Pyrmont - überwacht von 40 Beamten. Doch Anwohner protestierten massiv, und schon vier Tage später flüchtete Hans-Peter W. nach Hamburg. Hans-Peter W. gilt laut Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen auch heute noch als potenzieller Rückfalltäter. Er sei eine "anhaltende Gefahr für die Allgemeinheit", urteilte das Landgericht Heilbronn 1981. Im April 1980 hatte der Binnenschiffer eine 42-Jährige sexuell misshandelt, außerdem eine 30-Jährige vor den Augen ihres eineinhalbjährigen Sohnes vergewaltigt. Hans-Peter W., befand das Gericht damals, leide unter einer "schweren seelischen Abartigkeit". Zehnmal wurde die Sicherungsverwahrung verlängert.

Zunächst hielten die Hamburger Behörden seinen Aufenthaltsort geheim. Dann spürten ihn Reporter in seiner Unterbringung in Harburg auf, Anwohner protestierten vor dem Gebäude. W. zog nach Niendorf. Doch auch dort forderten Eltern den Bezirk auf, W. anders unterzubringen. Im Dezember 2010 zog W. auf das Gelände einer Hamburger Asklepios-Klinik um. Zuletzt war er auf dem Gelände einer Eilbeker Einrichtung untergebracht, bevor er gestern Abend nach Jenfeld kam.