Der Umzug von Sicherungsverwahrten nach Jenfeld ist nur eine Übergangslösung.

Hans-Peter W. und Karsten D. sind freie Männer. Sie können nachmittags ein Schwimmbad besuchen oder durch den Park spazieren gehen, sich abends einen Film im Kino anschauen oder nachts auf dem Kiez vergnügen. Sie haben dieselben Rechte wie jeder unbescholtene Bürger in diesem Land. Zumindest in der Theorie. In der Realität werden Hans-Peter W., der 1980 zwei Frauen vergewaltigt hat, und der 1993 wegen Totschlags verurteilte Karsten D. rund um die Uhr von der Polizei überwacht. Die Beamten sind der ständige Schatten der entlassenen Sicherungverwahrten, sobald diese sich in der Öffentlichkeit bewegen.

Die Manndeckung, wie es die Polizei nennt, führt jedoch nicht dazu, dass die Bürger Hans-Peter W. und Karsten D. beruhigt in ihrer Nachbarschaft aufnehmen. Im Gegenteil: Bereits jetzt formiert sich unter den Bewohner Jenfelds Protest, nachdem sie erfahren haben, dass die verurteilten Schwerverbrecher für ein Jahr in einem Haus mitten in einem Wohngebiet leben sollen. Die Menschen haben Angst. Eine verständliche Angst. Vor allem, wenn man Kinder hat.

Der Senat steht vor einem klassischen Dilemma. In Haft behalten dürfen sie die Männer nicht. Vor zwei Jahren entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Sicherungsverwahrung nicht nachträglich auf unbestimmte Zeit verlängert werden darf. Allein in Hamburg werden bis zum Jahr 2021 insgesamt acht ehemalige Sicherungsverwahrte in die Freiheit entlassen. Doch sie einfach freizulassen und sich selbst zu überlassen ist natürlich keine Alternative.

Das weiß man spätestens seit vergangenem Jahr: Der Sexualstraftäter Ricardo K. wird 2010 aus der Sicherungsverwahrung entlassen. In Duisburg wird er eine knappe Woche lang mit großem Aufwand rund um die Uhr von der Polizei observiert. Dann wird die Überwachung abgebrochen - zu aufwendig. Ein fataler Fehler. Am vierten Tag in Freiheit schlägt Ricardo K. wieder zu. Er attackiert eine Zehnjährige, würgt das kleine Mädchen. Das Kind kann sich glücklicherweise befreien. Ricardo K. wird verhaftet, kommt wieder ins Gefängnis.

Auch deswegen lässt es sich die Stadt Hamburg viel kosten, die Überwachung der verurteilten Straftäter sicherzustellen. Zwar befanden die Gutachter, dass Karsten D., der in den 80er-Jahren alkoholisiert mit einem Komplizen einen Mann stranguliert hatte, nicht mehr hochgradig gefährlich und die Rückfallgefahr bei Hans-Peter W. gering ist - doch als Sicherheit genügt das nicht.

Verständlich also, dass Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek, Innensenator Michael Neumann und Sozialsenator Detlef Scheele am Donnerstag zähneknirschend verkündeten, dass der gelbe Klinkerbau in Jenfeld die neue Heimat für die beiden Männer und möglicherweise auch Jens B. werde, der ebenfalls wegen Vergewaltigung in Haft und Sicherungsverwahrung saß.

Doch im Stadtteil Jenfeld fragen sich die Menschen: Warum hier bei uns? So wie auch die Menschen in Harburg, in Eimsbüttel oder in Blankenese fragen würden, wenn es sie getroffen hätte. Die Frage ist berechtigt.

Ist Jenfeld der beste Standort oder erwartet man dort nur den geringsten Widerstand? Dabei steht schon jetzt fest, dass es sich hier lediglich um eine Übergangslösung handelt. Denn bereits heute ist klar, dass die verurteilten Schwerverbrecher Ende 2012 wieder ausziehen müssen und eine neue Bleibe brauchen. In dem Neubau gegenüber dem gelben Klinkerhaus wird dann eine Kita einziehen.

Da kann man schon auf die Idee kommen, dass hier nur eine schnelle Lösung gesucht wurde. Aber eine schnelle ist nicht automatisch die beste. Ein schaler Beigeschmack bleibt.