Der Tag des offenen Denkmals führt in die Epoche, die die Stadt am stärksten verändert hat. Das Abendblatt stellt zehn ausgewählte Orte vor.

Hamburg. Manche Hamburger Ansicht aus dem 19. Jahrhundert mutet holländisch an. Kein Wunder, denn damals gehörten Windmühlen zum Stadtbild. In der Hansestadt gab es etwa 30 davon, und zwar nicht nur in den noch dörflichen Außenbezirken, sondern sogar mitten im Zentrum, zum Beispiel direkt neben der Lombardsbrücke. Dass sie mit der Zeit verschwanden, war eine Folge der industriellen Revolution, in der die seit vielen Jahrhunderten genutzte Wind- und Wasserkraft mehr und mehr durch die damals ultramoderne Dampftechnik abgelöst wurde. Statt der Flügel von Windmühlen ragten seit etwa 1840 immer häufiger die Schornsteine von Fabriken in den Hamburger Himmel. "Der Schornstein muss rauchen", sagte man damals und dachte dabei nicht an schädliche Abgase, sondern daran, dass die Fabrik arbeitete, ihrem Besitzer Kapital erwirtschaftete und den Beschäftigten ein Auskommen sicherte. Windmühlen, alte Fabriken, aber auch Bahnhöfe, Lagerhäuser, Brücken, Kirchen und Rathäuser sind das Hauptthema beim diesjährigen Tag des offenen Denkmals, der zu einer Zeitreise ins 19. Jahrhundert einlädt.

Von Freitag bis Sonntag sind mehr als 100 Zeugnisse der Hamburger Baukultur zu Besichtigungen, Führungen, Vorträgen und Konzerten geöffnet. Bekannte Gebäude, die man auch im Alltag besuchen kann, wie zum Beispiel das Hamburger Rathaus oder die Kunsthalle, gehören ebenso dazu wie außergewöhnliche Objekte, die normalerweise nicht zugänglich sind. Und gerade die Chance, einmal im Jahr hinter Türen zu treten, die normalerweise verschlossen sind, macht den besonderen Charme und den enormen Erfolg des Tages des offenen Denkmals aus, an dem allein in Hamburg regelmäßig mehr als 30 000 interessierte Besucher teilnehmen.

+++ Drei Tage, 100 Denkmäler, volles Programm +++

Das 19. Jahrhundert war für Hamburg eine Epoche enormer Veränderungen. Um 1800 umgaben noch Mauern die Hansestadt, deren Tore nachts verschlossen wurden. Wer die Stadt besuchte, kam entweder zu Fuß, mit der Postkutsche oder mit dem Schiff. 100 Jahre später schickte sich Hamburg gerade an, eine moderne Großstadt zu werden, mit eleganten Geschäftshäusern in der neuen City, einem prächtigen Rathaus, einem völlig neuen Kontorhausviertel und einem Hafen, der größer, moderner und leistungsfähiger war als die meisten anderen europäischen Konkurrenten. Und wer die Stadt nun besuchte, der konnte entweder ein Dampfschiff nehmen oder mit einem Schnellzug anreisen.

Modernes hinter klassizistischer Fassade

Das 19. Jahrhundert hat Hamburg so stark verändert wie keine andere Epoche: Die noch mittelalterlich geprägte Stadt der ersten Jahrzehnte fiel im Mai 1842 einer Brandkatastrophe zum Opfer. Doch das Unglück erwies sich auch als Chance, denn anschließend konnte sich die Stadt moderner und großzügiger neu erfinden. Nach dem Großen Brand begann das zu entstehen, was der Architekt und Stadtplaner Fritz Schumacher später als das "Kunstwerk Hamburg" bezeichnete. Viele der Gebäude, die damals errichtet wurden, werden zum Tag des offenen Denkmals mit besonderen Programmen und Angeboten für die Besucher geöffnet. Dazu zählt das Gebäude der Patriotischen Gesellschaft, das 1844-45 auf dem Grundstück errichtet wurde, auf dem sich zuvor das im Großen Brand zerstörte Hamburger Rathaus befand. Oder der Rathausmarkt-Hof, ein 1899 eröffnetes Kontorhaus, in dem seit 2006 die Hanseatische Wertpapierbörse untergebracht ist.

Oder auch das Mahnmal St. Nikolai mit der Ruine der neogotischen Nikolaikirche, die nach dem Großen Brand errichtet wurde und ein Jahrhundert später der zweiten großen Katastrophe in Hamburgs Geschichte zum Opfer fiel: dem Feuersturm vom Juli 1943.