“Terrorlogistiker“ Said Bahaji war Strippenzieher der Hamburger Terrorzelle. Er ist einer der meistgesuchten Terroristen – und wieder aktiv.

Hamburg. An einem Mittwoch im Februar 1999 hören Verfassungsschützer das erste Mal von Said Bahaji. In Hamburg haben Beamte die Telefonanlage eines mutmaßlich dschihadistischen Deutsch-Syrers angezapft, als sie ein Gespräch belauschen, in dem zunächst die Adresse Marienstraße 54 erwähnt wird und wenig später auch die Namen Said und Mohammed Amir fallen. Damals, gut eineinhalb Jahre vor den Terroranschlägen des 11. September 2001, können die Ermittler nur wenig damit anfangen.

Heute, fast zehn Jahre nach den Attentaten auf das World Trade Center, kennt jeder Terrorismusexperte die Hamburger Adresse und die Namen: Von der Marienstraße aus agierte der Kern der Hamburger Al-Qaida-Zelle. Kopf und Todespilot war Mohammed Atta, den seine Gefährten ehrfurchtsvoll "Amir", Anführer, nannten. Nicht zuletzt war mit "Said" der Deutsch-Marokkaner Said Bahaji gemeint, einer der letzten noch flüchtigen Strippenzieher der Anschläge, wegen seines Organisationstalents besser bekannt als "Terrorlogistiker". Knapp eine Dekade später sind fast alle Anschlagshintergründe ermittelt.

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Der 36-jährige Deutsch-Marokkaner ist trotzdem noch immer einer der meistgesuchten Männer der Welt. Er gibt dem Bundeskriminalamt bis heute Rätsel auf. Doch es scheint neue Hinweise auf seinen Aufenthaltsort zu geben, wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe unter Berufung auf die jüngsten Ergebnisse der Ermittlungsakte 2 BJs 67/01-5 berichtet.

Demnach verliert sich Bahajis Spur im Mai 2010 in Pakistan, wo er sich seit zehn Jahren in einem der gefährlichsten Landstriche der Welt vor Geheimdiensten und Drohnenangriffen versteckt. Laut Ermittlungsakte war der Hamburger Deutsch-Syrer Rami Makanesi einer der Letzten, die Bahaji gesehen haben. Im Mai 2010 habe er den Angehörigen der Hamburger Terrorzelle in Mir Ali, einem Ort nahe der afghanischen Grenze, getroffen. Einen Monat später wurde Rami Makanesi selbst in Pakistan festgenommen. Danach stellte er sich als Kronzeuge zur Verfügung, packte aus und verbüßt mittlerweile eine knapp fünfjährige Haftstrafe in Deutschland. Er legte Al-Qaida-Strukturen offen und schilderte seine Begegnung mit dem Drahtzieher der Terrorvereinigung.

Said Bahaji, der im Emsland und in Marokko aufwuchs, hatte Deutschland schon am 3. September 2001 in Richtung Pakistan verlassen. Zuvor galt er in Hamburg als Buchhalter der Wohnung an der Marienstraße, ließ etwa den Telefonanschluss auf seinen Namen anmelden oder verhandelte mit dem Vermieter. Bei seiner Flucht gab er sich einen neuen Namen (Abu Zuhair) und kämpfte danach wohl an der Seite Osama Bin Ladens gegen die Angriffe der Amerikaner. Bahaji berichtete hinterher einem Islamisten von einer Beinverletzung aus der Schlacht, was sich mit den Beobachtungen des Kronzeugen Makanesi deckt. Demnach hinkte Bahaji im Mai des Vorjahres stark. Zudem trage er mittlerweile einen viel längeren Bart sowie längere Haare als auf den Fahndungsfotos. Und: Offenbar ist er ein zweites Mal verheiratet. Beim Treffen in Mir Ali habe er eine Spanierin und mehrere Kinder dabeigehabt. Nach Erkenntnissen der Ermittler wurde seine erste Ehe mit einer Frau aus Hamburg 2006 geschieden. Sie lief zeitweise verschleiert durch die Stadt und schrieb ihrem damaligen Mann von "satanischen Einflüssen" der Ungläubigen - auch auf den gemeinsamen Sohn.

In der Ermittlungsakte sind diese Fakten und die Schilderungen Makanesis um Berichte des mittlerweile ebenfalls inhaftierten Islamisten Ahmad Suiqi ergänzt. Er habe Bahaji sogar zweimal getroffen und sagte wie auch Kronzeuge Makanesi aus, dass Bahaji sich inzwischen als "Stimme des Dschihad" verstehe. Für die Produktionsfirma al-Sahab, verantwortlich für die Al-Qaida-Propaganda, spreche er Texte ein oder kümmere sich um die technische Infrastruktur. Wo diese Botschaften aufgenommen werden, wissen die Fahnder nicht. Sonst wäre die Suche nach dem "Terrorlogistiker" wohl schon erfolgreich gewesen.