Wollten beiden Männer in Berlin Bomben bauen? Es wurde Haftbefehl erlassen. Debatte um Sicherheitsgesetze in Deutschland verschärft.

Berlin. Die beiden in Berlin festgenommenen Terrorverdächtigen müssen in Untersuchungshaft. Der Ermittlungsrichter habe dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Haftbefehls stattgegeben, sagte Gerichtssprecher Robert Bäumel am Freitagabend. Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, sagte zu den Gründen für die Entscheidung des Richters: "Es gibt einen dringenden Tatverdacht, und es besteht Fluchtgefahr."

Der 24-jährige Samir M., ein Deutscher libanesischer Herkunft und der 28 Jahre alte Hani N. aus dem Gazastreifen stehen im Verdacht, einen Bombenanschlag vorbereitet zu haben. Sie sollen sich große Mengen Chemikalien besorgt haben, die zur Herstellung von Sprengstoff geeignet sind - mehrere Kilo 37-prozentige Schwefelsäure und ein Kilo Salzsäure. Einer der Männer hatte zudem beim Internet-Auktionshaus Ebay angeblich 600 Kühlpads auf Ammoniumnitrat-Basis bestellt. Die beiden Terrorverdächtigen verweigerten am Freitag jegliche Aussage. Die Fahnder erhoffen sich jetzt neue Erkenntnisse durch die Auswertungen von Computern, Dateien und USB-Sticks, die bei Wohnungsdurchsuchungen sichergestellt wurden.

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Kritik kam von den Behörden des Bundes. Dem Vernehmen nach hätten sie es lieber gesehen, wenn die Berliner Ermittler mit dem Zugriff noch gewartet hätten, um zu erfahren, was die Männer wirklich planten.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verteidigte die Festnahmen. Die Anschlagsplanungen seien in der Anfangsphase gewesen. Den frühen Eingriff der Polizei, die beide Männer bereits seit Ende Juni unter dem Codenamen "Operation Regenschauer" rund um die Uhr observieren ließ, halte er aber für richtig. "Lieber jetzt zugreifen und verhindern, dass großer Schaden entsteht", sagte Körting im Deutschlandfunk.

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Sicher scheint bisher: Die Verdächtigen gehören keiner internationalen Terrorgruppe an. Experten kennen Samir M. aus dem Umfeld der Deutschen Taliban Mudschaheddin (DTM). "Dieser Samir M. soll nach unbestätigten Aussagen bereits einmal versucht haben, in Richtung eines Ausbildungslagers auszureisen", sagte Guido Steinberg, Islamwissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik am Freitag. Die Ausreise sei aber verhindert worden. Vor zwei Jahren war eine Gruppe Berliner Islamisten der DTM in Terrorcamps im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet ausgereist. In dem Zusammenhang sei auch Samir M. aktenkundig geworden.

Jetzt wird ihm und Hani N. die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen. Dies wird nach dem 2009 neu eingeführten Strafgesetzbuch-Paragrafen 89a mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Die Verhafteten sollen dem Salafismus anhängen - eine Strömung des Islam, die Sicherheitsbehörden als besonders streng und rückwärtsgewandt einschätzen. Laut Verfassungsschutz können salafistische Prediger einen Radikalisierungsprozess befördern. Der Berliner Verfassungsschutz geht davon aus, dass es in der Hauptstadt um die 350 strenggläubige Anhänger des Salafismus gibt. Rund 100 von ihnen sollen gewaltbereit sein. Dem "Tagesspiegel" sagte Innensenator Körting, es gebe etwa "zwei Dutzend Dschihadisten aus Berlin", die den Heiligen Krieg unterstützt hätten. Als Reiseziele der Islamisten nannte er Afghanistan, Pakistan sowie die Kaukasusregion, darunter Tschetschenien. Einige hätten sich aber wieder vom Dschihadismus abgekehrt, sagte Körting.

Die Festnahmen in Berlin sowie die neuen Terrorwarnungen in den USA haben die Debatte um die Sicherheitsgesetze in Deutschland weiter angefacht. Innenminister Hans-Peter Friedrich fordert eine schnelle Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Die Behörden benötigen mehr Möglichkeiten zur Auswertung der Daten von Verdächtigen. "Wir sind jetzt darauf angewiesen, dass die Unternehmen die Daten zufällig noch gespeichert haben", sagte der CSU-Politiker im ZDF. "Das ist häufig der Fall. Aber oft leider auch nicht", bemängelte er. Unions-Fraktionschef Volker Kauder griff Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) direkt an, weil sie sich bisher gegen die Vorratsdatenspeicherung sperrt. "Eine Justizministerin, die die Umsetzung einer verbindlichen EU-Richtlinie verweigert, ist ein Problem", sagte der CDU-Politiker den "Ruhr Nachrichten". Auch der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verlangte eine zügige Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung.

"Alle, die behaupten, Vorratsdatenspeicherung würde die Freiheitsrechte beeinträchtigen, schüren völlig unbegründete Ängste", sagte Schily. Eine Vorratsdatenspeicherung gebe es schon lange, "nämlich zu Abrechnungszwecken, damit jeder seine Telefonrechnung überprüfen kann". Schily: Das wiederkehrende Argument, die Bevölkerung werde unter Generalverdacht gestellt, sei vollkommener Unsinn. "Niemand ist deswegen von vornherein unter Verdacht." Die Vorratsdatenspeicherung sei für den Kampf gegen den Terror unabdingbar. Dieser Meinung sind auch die Polizeigewerkschaften.

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hielt dagegen, die alte Regelung sei zu Recht für verfassungswidrig erklärt worden. Alle seien gut beraten, vor dem Hintergrund des Falls in Berlin nicht "schon wieder mit der Vorratsdatenspeicherung zu kommen". Sie wolle sich einer Debatte über eine Datensammlung aber nicht verschließen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht nun vorsichtig Druck, um den Streit zügig zu beenden. Die Regierungschefin ließ durch ihren Sprecher Steffen Seibert ausrichten, eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung sei notwendig. Innen- und Justizressorts seien zu dem Thema in einem konstruktiven Gespräch, das zu Ergebnissen führen werde.

Nach der alten Regelung zur Vorratsdatenspeicherung waren Telekommunikationsfirmen verpflichtet, alle Telefon-, Handy- und E-Mail-Daten sechs Monate lang zu speichern. Das Bundesverfassungsgericht kippte jedoch die Regelung vor mehr als einem Jahr. Seitdem streiten Union und FDP über eine Neuregelung.