Nördliche Hornraben sind intelligent, immer unterwegs, unglaublich neugierig und auch ausgesprochen fürsorglich. Ihren Augen entgeht nichts.

Stellingen. Die beiden sind einfach faszinierend. Irgendwie sehen sie zwar wie zum Leben erwachte Handpuppen mit viel schwarzem Humor aus, aber wer Raven und Blue einmal längere Zeit beobachtet, wird den schwarzen Vögeln verfallen. Intelligent, immer unterwegs, unglaublich neugierig, aber auch ausgesprochen fürsorglich stellen die beiden Hornraben selbst ihre vierbeinigen Mitbewohner auf der Freianlage im Afrika-Teil von Hagenbecks Tierpark in den Schatten. Wobei Weibchen Blue neulich das Nachsehen hatte.

Da wollte Männchen Raven nämlich unbedingt seine Intelligenz beweisen - und war so begierig darauf, sich von den Zoologiestudenten der Universität Hamburg ausgiebig testen zu lassen, dass er Blue keine Teilnahme an den Experimenten zugestand. "Da sie eh die Zögerlichere von den beiden ist, hat sie sich dann im Hintergrund gehalten", sagt Thomas Günther. Der Reviertierpfleger, ein glühender Hornraben-Fan, hatte sich dafür eingesetzt, dass das Pärchen 2004 zu den Rothschild-Giraffen, den Großen Kudus und Impalas auf die Anlage kam.

Nördliche Hornraben, auch Sudanhornraben genannt, gehören zu den afrikanischen Nashornvögeln. "Sie haben mit Rabenvögeln nichts zu tun", betont Günther, auch wenn er gleich eingestehen muss, dass seine Namensgebung "Raven" (englisch: Rabe) für das Männchen "nicht sonderlich konsequent" gewesen sei. Nördliche Hornraben leben in den afrikanischen Savannen südlich der Sahara, vom Westen Afrikas bis in den Osten.

Von ihrer Schwesterart, den Südlichen Hornraben, unterscheiden sie sich durch die blauen, ungefiederten Partien im Gesicht, die zu Blues Namen geführt haben. Beim Südlichen Hornraben sind diese Stellen leuchtend rot.

Blue schlüpfte 2001 im Zoo in Dortmund aus dem Ei, Raven ein Jahr später im Zoo in Gelsenkirchen. "Sie können keine Fußballfans sein, denn sie lieben sich abgöttisch", scherzt Thomas Günther über die Herkunft der beiden ausgewachsenen, imposanten Vögel. Mit einer Körperlänge von einem Meter, einer Flügelspannweite von 1,85 Metern und einem Gewicht von drei bis vier Kilogramm machen die Tiere schon etwas her. Wobei besonders der hornartige Fortsatz oder Helm über ihrem Schnabel, der der Familie den Namen gab, ihr besonderes Merkmal ist.

Nichts entgeht den scharfen Augen der gefiederten Gehege-Polizei

Läuft da ein Eichhörnchen? Was raschelt im Laub? Nichts entgeht Blue und Raven. "Ich nenne sie deshalb auch unsere Gehege-Polizei - sie sind extrem aufmerksam und neugierig und immer sofort zur Stelle", sagt Günther. Sehr zur Freude der Großen Kudus, die sich nämlich gerne von dem Hornraben-Pärchen "inspizieren" lassen: "Wenn einer der beiden Vögel auf dem toten Baumstamm mitten im Gehege sitzt, kommt oft ein Kudu vorbei und hält dem Vogel seine Ohren hin, die dann vorsichtig mit dem Schnabel 'beknibbelt' werden. Das scheinen beide so richtig zu genießen", sagt der Tierpfleger.

Blue sei dabei, wie in allem, ein wenig zurückhaltender als ihr Partner - ganz "echte Lady". Mit ihren langen Wimpern sieht sie auch ganz so aus, und wenn Raven in der Balzzeit kleine Geschenke wie Stöckchen, kleine Steine oder einen fleischigen Futterhappen für sie anschleppt, ist sie richtig in ihrem Element. Und selbst wenn die beiden ein abgeschirmtes Haus hinter dem Freigehege haben, in dem ihnen Thomas Günther liebevoll ein Nest gebaut hat - mit der Nachzucht hat es noch nicht geklappt. Dabei ist gerade diese bei den Hornraben sehr spannend: Zimmern die Männchen ihre Weibchen doch als einzige Hornvogelvertreter nicht in der Nisthöhle ein, sondern holen sogar noch ältere Jungtiere hinzu, die beim Füttern und der Aufzucht der Geschwister helfen.

So bleibt den passionierten Spaziergängern, die nur bei Gefahr fliegen, vorerst der Zeitvertreib mit den Antilopen - oder den Studenten: Denen bewies Raven unlängst in den Tests, dass er zählen und Formen unterscheiden kann. Wenn Blue noch ein wenig durchsetzungskräftiger wird, schafft sie es vielleicht auch noch. Und wird im nächsten Semester in den Universitätskursus "Experimentelle Ethologie" aufgenommen.

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