Bürgermeister Christoph Ahlhaus über seine Hamburg-Kenntnisse, das Sparpaket, das Schanzenfest und seine Frau.

Hamburg. Seit dem 25. August ist Christoph Ahlhaus (CDU) Erster Bürgermeister . Im Abendblatt-Interview äußert sich der 41 Jahre alte Nachfolger von Ole von Beust über seine politischen Einstellungen und Ziele.

Abendblatt:

Herr Ahlhaus, herzlichen Glückwunsch zur Wahl. Sprechen wir mit einem Übergangsbürgermeister?

Christoph Ahlhaus:

Das werden die Wähler zu entscheiden haben, wenn Sie darauf anspielen, wie die Wahlchancen im Jahr 2012 sind. Ich werde meine Kraft, mein Engagement und mein Herzblut in den nächsten 18 Monaten für dieses Amt einbringen.

Nein, das ist Ansporn, richtig gute Arbeit zu leisten. Es ist außerdem eine Frage des Bekanntheitsgrades: Es ist kein Geheimnis, dass Olaf Scholz als früherer Innensenator, SPD-Generalsekretär und späterer Bundesarbeitsminister den Hamburgern schon länger bekannt ist. Im schwarz-grünen Senat, in dem ich Innensenator war, war bislang alles auf Ole von Beust ausgerichtet. Ich habe jetzt die Aufgabe, aber auch die Chance, mich bei den Menschen bekannter zu machen. Da bin ich aber sehr zuversichtlich.

Planen Sie einen ähnlichen Regierungsstil wie Ole von Beust?

Ich habe nicht die Absicht, Ole von Beust zu kopieren. Wir sind unterschiedliche Typen. Ich bin nicht Ole zwei. Es gibt ein neues personelles Angebot, das heißt Christoph Ahlhaus. Ich muss mich jetzt bewähren, die Fußstapfen sind groß. Eins mache ich nicht: Ich werde mich auf keinen Fall verstellen.

Wie fühlt es sich an, Bürgermeister zu sein?

Es fühlt sich gut an, aber ich spüre auch die Verantwortung. Wenn ich früher auf Veranstaltungen etwas Schwieriges gefragt wurde, konnte ich bisweilen sagen: Das ist ein wichtiges Thema, aber ich bin leider nicht zuständig (lacht). Das geht jetzt nicht mehr. Ich muss mich in viele Themen neu einarbeiten, aber das ist auch sehr spannend.

Die Ausgangslage ist schwierig. Die SPD liegt in Umfragen vorn, und deren potenzieller Spitzenkandidat Olaf Scholz ist beliebter als Sie. Macht Ihnen das Angst?

Ahlhaus stellt Sparplan für Hamburg vor

Wie häufig sehen Sie Ihre Frau noch?

Im Moment eher wenig, weil die Zahl der Termine besonders groß ist. Meine Frau hat dafür aber viel Verständnis. Und sie bringt sich ab und zu selbst ein, wenn es gewünscht wird. Dann sehen wir uns eben wie jetzt beim Staatsbesuch aus Malawi. Neu ist, dass wir über gemeinsame berufliche Erlebnisse zu Hause sprechen können. Ich hoffe, dass wir uns die Freiräume erhalten können, die nötig sind, um Privatmenschen bleiben zu können neben dem Amt.

Spüren Sie schon einen anderen Umgang der Menschen mit Ihnen? Gibt es jetzt mehr Einschmeichler?

Ich würde nicht von Einschmeichlern reden, ich spüre eine ernsthafte Neugier und ein fröhliches Interesse an mir.

Hat es auch unangenehme Erlebnisse in den ersten Tagen gegeben?

Mich hat gewundert, dass Profis, die mit wichtigen Ämtern in der Stadt betraut sind, glauben, mir gleich am ersten Amtstag Briefe schreiben zu müssen, um mir ihre Sicht der Dinge im Vorgriff auf ein persönliches Gespräch mitteilen zu müssen. Wenn so ein Brief auch noch bei einer Zeitung landet, ist das ein Kommunikationskonzept, das nicht immer erfolgreich sein muss.

Muss sich Universitätspräsident Dieter Lenzen, über dessen Brief an Sie das Abendblatt berichtet hat, Sorgen machen? Schmälert das die Chancen der Uni bei den Haushaltsberatungen?

Nein, es geht um Sachthemen und nicht um Befindlichkeiten oder Strafaktionen. Ich mache keine Politik nach Stimmungslage. Aber: Auch die Universität wird schauen müssen, wo sie manche Strukturen effizienter gestalten kann.

Vor Ihrer Wahl gab es kritische Bemerkungen, dass Sie kein Hamburger sind. Deswegen ein kleiner Hamburg-Test. Wie viele Brücken gibt es in der Stadt?

Mehr als in Venedig. Tausende.

Richtig. Es sind etwa 2450. Welcher Kirchturm ist der höchste?

Nicht der Michel.

Stimmt. Es ist St. Nikolai. Nennen Sie drei Hamburger Originale, die Sie beim Neujahrsempfang begrüßen werden!

Zitronenjette und Hummel-Hummel, der Wasserträger ...

... vielleicht fällt Ihnen noch einer aus Ihrem alten Bereich ein.

Ach ja, der Udel, der Polizist.

Wie viele Menschen ausländischer Herkunft leben in Hamburg etwa?

Deutlich über zehn Prozent.

Es sind 15 Prozent. Hat Thilo Sarrazin auf Hamburg bezogen recht mit seiner These der Nicht-Integrierbarkeit einzelner Migrantengruppen?

In der Allgemeinheit, in der Thilo Sarrazin das formuliert hat, ist es falsch. Es gibt Problemgruppen. Es gehört zur Redlichkeit, dass man das auch aussprechen können muss, ohne in eine Ecke gestellt zu werden. Aber die große Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund ist nicht nur integrationswillig und -fähig, sondern hat auch eine außerordentlich erfolgreiche Integration hinter sich.

Als Innensenator haben Sie gesagt, Hamburg habe ein Integrationsproblem. Tun Sie das als Bürgermeister auch noch?

Es geht um eine kleine Minderheit, die sich nicht integrieren und unsere Grundüberzeugungen in einem demokratischen Rechtsstaat nicht akzeptieren will. Um diese Menschen müssen wir uns kümmern: mit Angeboten, aber auch mit Druck, um das deutlich zu sagen. Jede pauschale Verurteilung ist aber einfach töricht.

Außer den gewaltbereiten Jugendlichen mit Migrationshintergrund bereitet auch die Gewalt im Schanzenviertel Sorge. Was erwarten Sie vom Schanzenfest an diesem Wochenende?

Ich befürchte, dass wir damit rechnen müssen, dass es nach dem friedlichen Fest wieder gewalttätige Krawallmacher gibt, die Randale machen. Wir sind uns mit dem Bezirksamt einig, das Fest zu dulden. Die Polizei wird aber keine rechtsfreien Räume zulassen.

Warum ist das Problem nicht in den Griff zu bekommen?

Gegenfrage: Warum wird trotz intensiver Verkehrsüberwachung immer wieder zu schnell gefahren? Warum gibt es immer noch Ladendiebstähle? Das Schanzenviertel hat offensichtlich eine besondere Anziehungskraft für diejenigen, die den Staat herausfordern möchten. Ich habe den Eindruck, dass wir es verstärkt mit Jugendlichen zu tun haben, die das Ganze nicht mehr politisch, sondern als Kultkrawall verstehen.

Als Innensenator haben Sie betont, nicht bei der "Polizei auf der Straße" sparen zu wollen. Gilt das noch?

Ich werde als Bürgermeister nichts zurücknehmen, was ich als Innensenator gesagt habe. Dass die Sicherheit der Menschen in unserer Stadt ein Schwerpunkt auch meiner Arbeit sein wird, ist selbstverständlich.

Apropos sparen: Ist es nicht politisch selbstmörderisch, 18 Monate vor der Wahl ein Sparpaket auflegen zu wollen, dessen Auswirkungen jeder Hamburger spüren wird?

Das ist eine Frage des Politikverständnisses. Es gibt durchaus Menschen um mich herum, die sagen: Ist es nicht ungeschickt, jetzt ein Sparpaket von einer halben Milliarde Euro pro Jahr zu machen? Kümmer dich doch erst mal um die Bürgerschaftswahl, mit Sparprojekten hat noch keiner eine Wahl gewonnen. Ich habe da ein anderes Politikverständnis, ein vielleicht antiquiertes, aber ich glaube, dass es wieder in Mode kommt. Für mich gilt, dass ich Wahlen gewinnen will, um Politik machen zu können, um das umsetzen zu können, wovon ich glaube, dass es richtig ist. Heute läuft es vielfach so, dass Politik gemacht wird, um Wahlen zu gewinnen. Das ist eine Umkehrung von Zweck und Mittel, und ich glaube, dass das auf Dauer nicht funktioniert.

Also halten Sie trotz der Wahl in 18 Monaten am Spardruck fest?

Ich glaube, die Menschen wissen sehr genau, dass der Staat sparen muss. Wir werden zwar keinen Beliebtheitspreis gewinnen, wenn wir die Sparmaßnahmen im Einzelnen darlegen. Es wird viel Ärger in der Stadt geben, es wird viel Kritik geben. Mein Anspruch ist, das so gerecht und nachvollziehbar wie möglich zu machen. Ich habe aber nicht die Absicht, es mir leicht zu machen. Ich will diese Stadt so regieren, dass die Leute am Ende sagen: Er hat zwar Dinge gemacht, die ich nicht gut fand, weil ich selbst betroffen war, aber im Großen und Ganzen wird die Stadt ordentlich und verantwortungsvoll regiert. Daran führt auch kein Weg vorbei.

Warum nicht?

Die Alternative wäre, das ganze Sparthema abzublasen. Aber dann würden Sie zu Recht kommentieren, dass ich nur Schönwetterpolitik mache.

Wo werden Sie denn sparen?

In erster Linie muss es darum gehen, die Verwaltung zu verschlanken und effizienter zu gestalten. Deshalb müssen wir uns alle Verwaltungsstrukturen der Stadt, also auch in den Bezirken, anschauen. Ich plane aber nicht, die Bezirksamtsleiter abzuschaffen, die Zahl der Bezirke zu reduzieren oder sie neu zu gliedern. Man kann nicht auf der einen Seite die Bürgerbeteiligung durch Volksentscheide stärken und auf der anderen Seite die Kommunalverwaltungen und die kommunalen Mitwirkungsrechte über die Bezirksversammlungen abschaffen. Das passt nicht zusammen.

Machen Sie die von vielen Eltern als ungerecht empfundene Erhöhung der Kitagebühren rückgängig?

Ich richte mein Handeln nicht allein danach aus, was mir am meisten Sympathie einbringt. Ich gebe zu, dass ich vor vier, fünf Wochen darüber nachgedacht habe, ob es nicht eine reizvolle Idee wäre, in meiner ersten Regierungserklärung am 15. September die Erhöhung des Elternbeitrags zurückzunehmen. Aber man muss sich fragen, ob der kurzfristige mediale Erfolg, den man damit landen könnte, mit verantwortungsbewusster Politik vereinbar ist. Konkret: Wenn ich das verkünde, habe ich drei Tage tolle Schlagzeilen. Aber ich habe 30 Millionen Euro mehr, die ich woanders einsparen muss. Und dann gibt es eine andere Grausamkeit, für die mich die Öffentlichkeit genauso beschimpft.

Wo kürzen Sie dann? Können wir uns noch alle staatlich subventionierten Theater und Museen leisten?

Auch im kulturellen Bereich müssen wir uns sehr genau anschauen, was wünschenswert und was notwendig ist. Ich glaube, dass in einer Stadt wie Hamburg ein lebendiges, aktives Kulturleben notwendig ist. Aber möglicherweise nicht mit allem, was uns in den letzten Jahren lieb und teuer geworden ist.

Mit Ian Karan haben Sie einen hoch angesehenen Unternehmer zum Wirtschaftssenator ernannt. Doch er musste nach seiner Nominierung eingestehen, öffentlich die Unwahrheit gesagt zu haben. Darf so jemand Senator werden?

Jeder Mensch macht auch mal Fehler. Aber die Menschen wollen nicht nur glatt gebürstete Leute ohne Ecken und Kanten. Davon haben wir genug, und die bringen das Land auch nicht nach vorne. Ich werbe nachdrücklich dafür, Herrn Karan eine faire Chance zu geben. Er wird ein guter Wirtschaftssenator sein.

Hamburg hält den größten Teil an der HSH Nordbank. Wie lange halten Sie angesichts der Vorwürfe gegen die HSH-Führung, unter anderem geht es um untergeschobene Kinderpornos als Entlassungsvorwand, noch an Vorstandschef Nonnenmacher fest?

Es ist Aufgabe der zuständigen Institutionen, nämlich Staatsanwaltschaft und Aufsichtsrat, diese Fakten zu ermitteln. Wenn dann alles auf dem Tisch liegt, muss man natürlich schauen, wie darauf zu reagieren ist.

Wie wollen Sie den Spagat schaffen zwischen den Forderungen Ihres Koalitionspartners GAL und einer schwächelnden, von Selbstzweifeln geplagten CDU, die ein neues, konservatives Profil sucht?

Ich sehe überhaupt nicht, dass die CDU schwächelt oder von Selbstzweifeln geplagt ist. Aber eine Koalition ist immer ein Spagat, ein Kompromiss. Die Spielregeln stehen im Koalitionsvertrag, und an diesen Regeln zweifelt keine der beiden Parteien. Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass Schwarz-Grün auf Grundlage dieses Koalitionsvertrags noch 18 Monate gute Politik machen wird.

Und danach?

Aus heutiger Sicht kann ich mir vorstellen, dass diese Koalition, die der Stadt guttut, ihre Arbeit fortsetzt, wenn es das Wahlergebnis hergibt.