Der Unternehmer Ian Karan soll Wirtschaftssenator werden. Mit drei Jahren war er schon Waise. Er wird Nachfolger von Axel Gedaschko.

Hamburg. Wie sich der Soundtrack eines Lebens doch ändern kann. "Born to lose", diesen traurigen Verlierer-Song hört Ian Karan oft in seiner Jugend. Später wird "Bridge Over Troubled Water" zu seinem Lieblingslied. Er handelt davon, eine Brücke für andere Menschen zu sein, die weniger Glück im Leben haben.

Welche Platte Karan nun auflegt, wenn er im Alter von 71 Jahren als Wirtschaftssenator gewählt wird, muss sich noch zeigen. Der Mann, der Millionen im Containergeschäft verdient hat, gilt jedenfalls als großzügiger Spender. Als einer, der sich mit Hamburg mehr identifiziert als manch gebürtiger Hanseat. Die Heimat, die er vor 40 Jahren fand.

Karan wächst im Norden von Sri Lanka auf, bei seiner Geburt per Kaiserschnitt stirbt seine Mutter. Drei Jahre später verliert er seinen Vater. "Er war bei der British Airforce als Pilot, kämpfte in Nordafrika und wurde über Libyen abgeschossen", erinnert sich Karan im Gespräch mit NDR Info. Seine Großmutter zieht ihn und seine zwei Schwestern auf. "Es war eine unbekümmerte Kindheit", so Karan. Mit vier Jahren besucht er das Mädcheninternat seiner Schwestern. Erst mit neun Jahren wechselt er auf eine Jungenschule. "Zum Glück war ich ganz gut im Boxen", sagt Karan, "denn zuerst wurde ich dort ziemlich gehänselt."

Vom Tellerwäscher zum Wirtschaftssenator

Ein Sportstipendium führt ihn mit 16 Jahren ins ferne England, kurz darauf stirbt seine Großmutter. In London lebt er sich schwer ein, fühlt sich fremd, auch aufgrund seiner Hautfarbe. "Für die anderen Jungs unter der Dusche war es merkwürdig, dass ich am ganzen Körper braun war, und nicht nur bis auf den Streifen der Badehose", sagt Karan .

Karan findet Freunde beim Cricket. Bald studiert der gläubige Christ, der die Methodistische Kirche besucht, an der London School of Economics. Er beendet sein Studium nicht, erhält dort aber eine Traineestelle im deutschen Speditions-Unternehmen Schenker. Karan will nun die deutsche Sprache lernen. Am 6. Januar 1970 kommt er nach Hamburg, mit 3000 Mark in der Tasche. Er beginnt als Tellerwäscher in einem vegetarischen Restaurant. Bis heute bewundere er Menschen, die für niedrige Löhne anderen Menschen das Leben angenehmer machen, sagt er.

Doch er will einen besseren Job. Er arbeitet als Sachbearbeiter, sitzt in einem Büro an der Außenalster, plaudert bald regelmäßig auf Englisch mit seinem Chef. Karan wird Abteilungsleiter. Als Firmenwagen fährt er einen Käfer. "Ich fühlte mich nach einem Jahr angekommen in dieser Stadt", so Karan , der nun Unabhängigkeit will. Er gründet nacheinander drei Logistik-Firmen, doch es läuft nicht gleich rund. Karan macht Schulden, verkauft sein Haus. Sein dritter Anlauf, das Container-Unternehmen Capital Intermodal, funktioniert. "Ich wollte beweisen, dass ich ein guter Kaufmann bin", sagt Karan, der mit Ehefrau Barbara drei Kinder hat. Seine älteste Tochter Navina, aus einer früheren Beziehung Karans, ist in das Unternehmen eingestiegen, gemeinsam herrschen Vater und Tochter über 500 000 Container.

Die ganze Welt könne nur ein Milliardär wie Bill Gates besser machen, sagt Karan. Aber für Hamburg wolle er es versuchen. Karan spendet für Jugendliche, Sportprojekte, Kultur, gibt auch Geld für die Elbphilharmonie. Freunde schätzen ihn als Gast mit glänzenden Augen und freundlicher Ruhe. In der Hamburger Gesellschaft ist er bestens vernetzt. Als Höhepunkt bezeichnet er jedoch nicht das Bundesverdienstkreuz, sondern seine Einbürgerung. Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst bat ihn darum. "Heute bin ich ganz sicher, dass ich der glücklichste Deutsche bin", sagte er damals. Auch wenn es 40 Jahre bis zu seinem deutschen Pass dauerte, "so habe ich nur 40 Sekunden gebraucht, bis ich mich in Hamburg verliebt habe".