Der neue Senat muss beweisen, dass Hamburg in guten Händen ist

Wenn der CDU-Politiker Christoph Ahlhaus heute mit den Stimmen der Grünen gewählt ist, sollte er seine sinnenfrohe Seite nicht verstecken und den Moment genießen. Denn so schön wird es nach Lage der Dinge in den verbleibenden anderthalb Jahren seiner Amtszeit nicht mehr.

Selten ist eine Regierung mit einem derartigen Misstrauensvorschuss gestartet. Die Chance, sich nach der Flucht des nach eigenen Worten "durchgenudelten" Ersten Bürgermeisters Ole von Beust ins Privatleben und der gescheiterten Schulreform, dem zentralen schwarz-grünen Projekt, durch Wahlen neu zu legitimieren, hat die Koalition vorsichtshalber ausgelassen - sie wäre von Hamburgs Bürgern krachend abgewählt worden. Also wurden die Bürger lieber nicht gefragt. Der alte Senat entzog sich damit selbst den winzigen Rest an Vertrauen, den er nach dem Totalversagen im winterlichen Eischaos, der atemberaubend schlecht gemanagten Baustelle der Elbphilharmonie und der Geisterdebatte um die Stadtbahn noch hatte.

Ahlhaus' wichtigste Aufgabe besteht darin, mit vertrauensbildenden Maßnahmen die abhandengekommene Gewissheit wiederherzustellen, dass Hamburg bei diesem Senat in guten Händen ist. Ein erster Meilenstein könnte eine inhaltsstarke, bewegende und richtungsweisende Regierungserklärung sein. Umso irritierender ist, dass der neue Erste Bürgermeister heute noch gar keine solche Rede halten will.

Verglichen mit den Hypotheken, die seine Senatorinnen und Senatoren mit in die Koalitionsrunde schleppen, ist das allerdings noch die kleinste Sorge am heutigen Tag.

Der neue Wirtschaftssenator Ian Karan kommt ohne Behördenerfahrung, dafür aber mit zurechtgeschummeltem Lebenslauf und einer nur häppchenweise eingeräumten, unappetitlichen Schill-Partei-Spende an den Kabinettstisch. Hätten die Grünen den Anschein vermeiden wollen, eine machtversessene Jasager-Partei geworden zu sein, sie hätten ihr Veto gegen Karan einlegen müssen. Ahlhaus' Nachfolger an der Spitze der Innenbehörde, Heino Vahldieck, strebte schon zweimal in das hohe Amt, ist jeweils aber von für besser gehaltenen Kandidaten überholt worden. Kultursenator Reinhard Stuth war einst von Ole von Beust wegen schlechter Umgangsformen aus der Behörde entlassen worden und soll diese nun leiten. Beide Senatoren werden gegen das Vorurteil ankämpfen müssen, eine Notlösung zu sein.

Aber auch die bereits in der Ära von Beust den Bürgern dienenden Senatorinnen und Senatoren haben einiges gutzumachen. Der Mann fürs Soziale, Dietrich Wersich, hatte vor lauter Begeisterung für seine ebenso peinliche wie aussichtslose Eigenbewerbung als Beust-Nachfolger ganz vergessen, die höheren Kita-Gebühren genau nachzurechnen, und damit bei allen Eltern Zweifel an seiner Kompetenz aufkommen lassen. Schulsenatorin Christa Goetsch, die inhaltlich und politisch Verantwortliche für die gescheiterte Schulreform, die sich in selbstkritischen Momenten fragen wird, mit welchem Recht sie eigentlich noch im Amt ist, hält unverdrossen an den Starterschulen und damit an der abgewählten Primarschulidee fest.

Und schließlich Finanzsenator Carsten Frigge, der nach einer Razzia in seiner Privatwohnung mit einer Anklage wegen der Verwicklung in eine Finanzaffäre im Zusammenhang mit einer früheren Tätigkeit rechnen muss. Frigge, ein kühler Analytiker, hätte sich vermutlich wegen zu hohen Risikos für den Ersten Bürgermeister am liebsten selbst ausgetauscht.

Der Staatsdienst müsse zum Nutzen derer geführt werden, die ihm anvertraut werden, nicht zum Nutzen derer, denen er anvertraut ist, lautet eine auf den Senatskritiker Cicero zurückgehende Weisheit der Staatskunst. Ahlhaus' kaum zu meisternder Auftrag nach einer Phase, in der diese Grundlage in der öffentlichen Wahrnehmung zu oft erschüttert wurde, lautet: Rückgewinnung des Vertrauens der Bürger, dabei 500 Millionen Euro einsparen und nur noch 18 Monate Zeit. Es ist dem neuen Bürgermeister hoch anzurechnen, dass er sich das zutraut.