Der Kinofilm Nemo hat das Interesse an den Clownfischen geweckt. Die Familiengeschichte der Clownfische bei Hagenbeck ist spannender.

Stellingen. Ozeane wurden vollgeheult, als 2003 die anrührende Geschichte um Clownfisch Nemo in die Kinos schwappte. Und jetzt das! Traue keinem Zeichentricktier, kann ich nur sagen. Schaut man bei Familie Clownfisch nämlich mal genauer in die Anemone, entdeckt man Abgründe: Mutter prügelt Vater, Vater ist im Geheimen eigentlich Mutter, und noch dazu ist Nemo im Tropen-Aquarium von Hagenbecks Tierpark ein "Falscher Clownfisch". Und das schwarze Schaf der Familie.

"Wir haben ihn so bekommen", sagt Tierpfleger Sven Vogler, und das soll keine Entschuldigung sein. Vor zwei Jahren wurde ein Schwung Clownfische von einem Züchter geliefert - einer von ihnen war Nemo. Er stach deutlich aus der Schar seiner Geschwister heraus: Ist seine weiß-orange Ringelung doch ohne Signalfarbe ausgekommen. Nemo ist schwarz-weiß gestreift.

Für Sven Vogler ist das kein Makel, im Gegenteil: "Schwärzlinge sind nicht so häufig, da ist es doch toll, unter 40 normal gefärbten einen besonderen Clownfisch dabeizuhaben." Ob seine Farbe Nemo in der freien Wildbahn wirklich gut bekommen wäre, ist jedoch fraglich: Zwar hätte er sich im Zweifel im Riff damit ganz gut verstecken können. "Aber da Clownfische ihre Partner nach optischen Gesichtspunkten auswählen, wäre er vielleicht leer ausgegangen", sagt Vogler. Und kein Partner bedeutet: keine Weitergabe der Gene. Tatsächlich kommt die schwarze Variante jedoch auch vor der Küste Nordaustraliens vor - da scheinen sich also einmal zwei Schwärzlinge begegnet zu sein. Der Falsche Clownfisch (Amphiprion ocellaris) kommt generell in den Riffen Südostasiens vor. Die sechs bis acht Zentimeter langen Fische leben dort in Symbiose mit Seeanemonen. Im Tropen-Aquarium sind das Blasen- oder Kupferanemonen. Vogler: "Die Anemonen schützen die Clownfische mit ihren nesselnden Tentakeln vor Fressfeinden. Umgekehrt machen das die Clownfische für die Anemonen auch, noch dazu füttern sie die Anemonen." Wenn einer der Happen Fisch-, Krebs-, Muschel- oder Tintenfischfleisch einmal zu groß für die Fische ist, schleppen sie ihn in ihre Anemone.

Dass die Clownfische dabei nicht selbst von den Nesseltieren verdaut werden, liegt an einer besonderen Schleimschicht auf ihrer Haut, erklärt Vogler: "Die Anemone erkennt quasi den Geschmack ihres Haustiers, aber dazu bedarf es eines längeren Kennenlernens. Stürzt ein Clownfisch einfach so in eine neue Anemone, kann auch er zum Opfer werden."

Geschlechtswechsel durch sozialen Stress ist im Meer üblich

Apropos Opfer: Clownfischmännchen haben es wirklich nicht leicht, auch wenn sie freiwillig paarweise oder in kleinen Haremsgruppen mit einem Weibchen und mehreren Männchen leben. "Sie werden zeitlebens von ihren Weibchen verprügelt, dadurch bleiben sie Männchen", sagt Vogler. Stirbt das (übrigens wesentlich größere) Weibchen, so wechselt das Männchen das Geschlecht und wird zum Weibchen. "Deshalb", sagt Sven Vogler triumphierend und lacht, "kann im Film Nemos Vater Marlin auch kein Vater gewesen sein! Nach dem Tod von Nemos Mutter wäre er zur Mutter geworden." Geschlechtswechsel durch sozialen Stress sei im Meer an der Tagesordnung.

Hagenbecks Nemo, der seine Körperlänge von anfänglich 3,5 Zentimetern auf gut sieben Zentimeter gesteigert hat und damit ausgewachsen sein sollte, hat immerhin filmbekannte Mitbewohner in seinem röhrenförmigen Aquarium: einen Paletten-Doktorfisch ("Dori"), einen Fahnenbarsch, Spitzkopfmuränen, Schlangensterne und einen Pfeilschwanzkrebs. "Von den anderen Clownfischen wird er angenommen - er ist in die Gruppe integriert", sagt Vogler.

Nur ein Weibchen hat er noch nicht gefunden, doch auch die anderen Clownfische kommen bei Hagenbeck nicht zur Nachzucht. "Das liegt an den Schlangensternen, die lieben Kaviar", sagt Sven Vogler. Die Natur ist nun einmal kein Zeichentrickfilm.

Lesen Sie nächsten Mittwoch: Löwenkopfkaninchen Leo