Raffaello, die einzige Fransenschildkröte in Hagenbecks Tropen-Aquarium, fängt nach dem Saug-Schnapp-Prinzip seine Beute.

Hamburg. Das Saug-Schnapp-Prinzip ist so eine Sache. Man könnte meinen, dass die Komiker Mike Krüger und Bernhard Hoecker hinter der Wortschöpfung stecken und dass das Prinzip ebenso von korrupten Finanzvorständen wie von notorischen Fremdgängern praktiziert wird. Ein wirklicher Experte auf diesem Gebiet schweigt sich jedoch darüber aus: Raffaello, seines Zeichens einzige Fransenschildkröte in Hagenbecks Tropen-Aquarium. Er fängt nach dem Saug-Schnapp-Prinzip seine Beute - im Schutz der Dunkelheit, mit tödlicher Präzision.

Mata Mata, der indianische Name der aus Südamerika stammenden Süßwasserschildkröte, heißt dementsprechend auch "Ich töte!", verrät Tierpflegerin Marion Minde. "Deshalb haben wir ihr passenderweise den Namen Raffaello gegeben, wie einer der Ninja Turtles", sagt Minde und lacht. Eine asiatische Kampfkunst, wie sie die mutierten Comic-Helden ausüben, hätte sie die Fransenschildkröte jedoch noch nicht anwenden sehen.

Überhaupt bekommt man recht wenig von Raffaello mit. Das knapp 20 Jahre alte Tier, das mit seiner 2009 gestorbenen Frau bereits lange Zeit im alten Troparium gelebt hatte, versteckt sich in seinem Gehege am Südamerika-Bachlauf tagsüber gerne unter dem Steg. Minde: "Fransenschildkröten sind nachtaktive Lauerjäger in trüben Gewässern. Sie mögen es dunkel und erschrecken bei grellem Licht."

Doch nicht nur Licht macht Raffaello zu schaffen, sondern auch allzu aufdringliche Mitbewohner: Als er noch mit den Asiatischen Wasserschildkröten, den Chinesischen Dreikiel-Schildkröten und den Spitzkopf-Schildkröten zusammensaß, haben diese ihm immer in die namengebenden Fransen an Kopf und Hals gebissen. "In diesen Fransen befinden sich Nervenenden, mit denen die Fransenschildkröten die Bewegungen ihrer Beute spüren. Die Bisse müssen für ihn sehr schmerzhaft gewesen sein, deshalb haben wir ihn sofort in ein anderes Gehege gebracht", sagt Marion Minde. Dort könnte sich der Spieß nun allerdings umdrehen: Um die Barsche, die sich ebenfalls in dem künstlichen Flusslauf finden, macht sich die Tierpflegerin ein wenig Sorgen. Mit seinem starken Saugreflex und den kräftigen Kauleisten könnte sich Fischfresser Raffaello schon mal einen von ihnen schnappen. Minde: "Noch fehlt aber keiner."

Manchmal verweigert Raffaello wochenlang sein Futter - keiner weiß, warum

Gut gefüttert wird Raffaello ja auch: Zweimal wöchentlich spießen Minde und ihre Kollegen kleine tote Fische für die Fransenschildkröte auf einen Bambusstab, mit dem sie dem Jäger dann vor der Nase herumwedeln. Eine Vitamin-B-Tablette, versteckt im Fisch, komplettiert das Menü - "weil die Fische eingefroren waren", sagt Minde. Raffaello habe sich an das Prozedere gut gewöhnt und sei ein braver Esser. Nur manchmal würde er eine Futterpause von mehr als zwei Wochen einlegen, ohne dabei krank zu erscheinen. Warum, kann die Tierpflegerin nicht sagen.

Fransenschildkröten gehören zur Familie der Schlangenhalsschildkröten. So machen bei Raffaello der extrem lange Hals und der extrem lange Schwanz allein 25 Zentimeter seiner 70 Zentimeter Gesamtlänge aus. Der Rückenpanzer ist flach und dunkelbraun. Die einzelnen Schilde des Rückenpanzers sind pyramidenförmig aufgewölbt mit einer nach hinten gerichteten Spitze. "Der Brustpanzer ist dagegen reduziert ausgebildet, wie ein Ringershirt", sagt Marion Minde.

Der Kopf der Fransenschildkröte ist an ihre Tätigkeit als Lauerjäger angepasst: Flach, mit einem schnorchelartigen Rüssel, sieht er wie ein welkes Blatt aus. So können sich die Tiere in den langsam fließenden, schlammigen Gewässern ihrer Heimat gut verstecken. Und so kommt es, dass Raffaello auch nur ganz selten einmal halb aus dem Wasser heraus steigt und auf einer Baumwurzel ruht.

Dabei würden die Tierpfleger sehr gern eine Fransenschildkröte an Land sehen, am liebsten bei der Eiablage. Nur: "Dazu fehlt uns ein Weibchen für Raffaello", so Minde. Es werde derzeit gesucht. Zum fröhlichen, gemeinsamen Saug-Schnappen.

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