Berlin. Die Rüstungsindustrie boomt – eine Folge des Ukraine-Krieges. Satellitenbilder zeigen, wie Rheinmetall sich in der Provinz breitmacht.

Es gibt sie noch, die Initiative „Rheinmetall entwaffnen“. Mehr denn je kämpfen die Friedensaktivisten allerdings auf verlorenem Posten. Im öffentlichen Diskurs stellt sich mittlerweile die Frage, wer eigentlich wen entwaffnet.

Denn die Rüstungsproduktion hat seit dem Ukraine-Krieg massiv an Bedeutung gewonnen. Die Daseinsberechtigung von Rüstungsunternehmen ist seither quasi politisch selbsterklärend.

Rheinmetall: Gewinner der Zeitenwende

Wer noch nach einem Beleg für die Zeitenwende sucht, von der Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Februar 2022 sprach, der wird in Düsseldorf fündig: in der Firmenzentrale von Rheinmetall. Gerade der führende Munitionshersteller wächst rasant – und macht sich breit. Auf X verlinkten die Friedensaktivisten jüngst Satellitenbilder von LiveEO und „Wirtschaftswoche“ von allen Standorten des Rüstungskonzerns.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Aus der Vogelperspektive erkennt das Düsseldorfer Magazin ein Muster: Die Munitionsfabriken stehen meist an abgelegenen Orten. So halten es freilich auch die anderen Waffenproduzenten.

Waffen: Kleine Standorte zur Produktion

Der Hersteller der Taurus-Marschflugkörper sitzt im bayrischen Schrobenhausen, Diehl produziert am Bodensee, Heckler&Koch in Oberndorf am Neckar. Das sind nur ein paar Beispiele. Allein die Werften, die Kriegsschiffe produzieren, sind naturgemäß an Hafenstädten.

Zur Risikominimierung gehört, dass die Unternehmen zwar wie Rheinmetall in einer Großstadt sitzen können, aber für die Produktion die Ballungsräume mit vielen Menschen meiden. Die Anlagen werden quer durch Europa und Deutschland verteilt.

Die Orte muss man auf der Landkarte meist suchen. Sie heißen Burbach, Petershausen oder eben Unterlüß an der Lüneburger Heide; ein überaus großer und traditioneller Standort von „Rheinmetall“.

Lesen Sie dazu: Putins Materialschlacht: Ist Rheinmetall kriegsentscheidend?

Kleine Standorte haben viele Vorteile. Sowohl bei Unfällen als auch bei einem militärischen Konflikt wären bei einem Angriff nicht so viele Menschen bedroht wie in einer Industrieregion – wie etwa das Ruhrgebiet. Auch hat man in der Provinz eher den Raum, um weiter zu wachsen. So entsteht in Unterlüß gerade eine neue Munitionsfabrik von Rheinmetall. Kleine Standorte werden schneller übersehen, und in Großstädten könnten Gegner auch leichter für Protestaktionen mobilisieren.

Das könnte Sie auch interessieren: Auf Putins Abschussliste: Hohe Verluste bei Leopard-Panzern

In Spanien, wo Rheinmetall für über eine Milliarde Euro die Firma Expal gekauft hat, produziert man in Quintanilla Sobresierra, irgendwo in Kastilien. Ein paar weitere Nirgendwo-Adressen: Rüstorf in Österreich oder Várpalota am Plattensee in Ungarn.

Rheinmetall ist weiter auf Expansionskurs

Jahrzehntelang redete die Politik vor allem von einer Friedensdividende. Nachdem der Kalte Krieg zu Ende war und Russland nicht mehr als Bedrohung, sondern zeitweise als Partner angesehen wurde, da wurden die Verteidigungsbudgets heruntergefahren. Die Bundeswehr verlegte sich beim Material auf Mangelverwaltung. Nachdem Russland jedoch die Ukraine überfallen hat, soll die Truppe jetzt im Eiltempo von einem erschreckenden in einen abschreckenden Zustand versetzt werden.

Lesen Sie auch den Kommentar: Rüstungsexporte auf Rekordniveau – kein Grund zum Feiern

Plötzlich hatte es für die Ampel-Koalition hohe Priorität, tatsächlich Nato-konfom zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben. Und ein sogenanntes Sondervermögen für Rüstungsinvestitionen in Höhe von 100 Milliarden Euro ist auch schon wieder verplant.

Unterlüß: Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4.
Unterlüß: Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4. © DPA Images | Philipp Schulze

Viele Rüstungsfirmen sind Krisengewinnler, aber kein Unternehmen ist vielleicht so auf der Erfolgsspur wie Rheinmetall. Firmenchef Armin Papperger hat den Expansionskurs forciert. Das zahlt sich jetzt zusehends aus:

  • Im März 2023 wurde der Konzern in den deutschen Leitindex DAX aufgenommen.
  • An der Börse gilt man als gute Anlage. Großbanken raten zum Kaufen; das Rekordhoch der Aktie von 571,80 Euro in Schlagdistanz.
  • Rheinmetall hat in rascher Folge mehrere Unternehmen hinzugekauft. Der Umsatz von 2023 noch 7,1 Milliarden Euro soll schon 2024 auf zehn Milliarden steigen.
  • Die Verteidigungsbudgets dürften weiter steigen und damit die Umsätze der Waffenhersteller; erst recht, weil in Europa Zweifel laut werden, ob und wie lange auf die Sicherheitsgarantien der USA noch Verlass ist.
  • Ob des Abnutzungskrieges, den Kremlchef Wladimir Putin der Ukraine aufzwingt, kommt es gerade auf eine Kernkompetenz von Rheinmetall an: als weltgrößter Lieferant von Artilleriemunition.
Armin Papperger, CEO von Rheinmetall, timmt das Unternehmen auf Expansion.
Armin Papperger, CEO von Rheinmetall, timmt das Unternehmen auf Expansion. © AFP | Ina Fassbender

Allein in den letzten vier Wochen haben die Düsseldorfer einen Abschluss nach dem anderen vermeldet: Den Aufkauf eines niederländischen Start-Ups, ein Zwei-Milliarden-Auftrag vom deutschen Heer, 130 Millionen Euro an Fördergeldern der EU, die Bestellung von unter anderem 22 Fahrgestellen für die Panzerhaubitze 2000, ein Auftrag der spanischen Armee für 100.000 Mörsergranaten, die Lieferung einer autonomen Fahrzeugflotte nach Japan, ferner den Verkauf von 20 Marder-Schützenpanzern für die Ukraine und erst vor wenigen Tagen von 123 Transportpanzern an Australien.

Rüstungsgegner machen Druck

Am Niederrhein zieht man derweil im Rekordtempo ein Werk hoch, in dem Bauteile für den Kampfjet F-35 vom weltgrößten Rüstungskonzern Lockheed Martin produziert werden sollen. Die Leute von der „Wirtschaftswoche“ staunten nicht schlecht, als sie sich die Satellitenbilder von LiveEO anschauten: Noch vor einem halben Jahr war hier in Laarbruch-Weeze grüne Wiese. Wieder so ein typischer, ein abgelegener Standort. Und wieder eine Fahne auf der Karte für die Protestcamps von „Rheinmetall entwaffnen“.

Auch interessant: Bundeswehr: Neuer Flakpanzer – das kann der Skyranger