Frankfurt/Main. EZB entscheidet über Leitzinsen. Experten erklären, ob sich Tagesgeldkonten jetzt noch lohnen – und wie es bei Immobilien aussieht.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erneut verkündet, die Leitzinsen unverändert zu lassen. Nachdem in den vergangenen Jahren mehrfach kräftig an der Zinsschraube gedreht wurde, um die grassierende Inflation im Euroraum in den Griff zu bekommen, ist seit einigen Monaten Ruhe eingekehrt. Banker, aber auch Anleger und Sparer stellen sich daher die Frage: Wie geht es mit den Zinsen weiter? Wie lange etwa bleiben die Zinsen bei Tages- und Festgeldkonten noch auf dem jetzigen Stand? Und fallen demnächst die Bauzinsen? Kurz: Worin lohnt sich nun ein Investment? Und bei welchen Bereichen sollte man besser noch etwas abwarten?

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Experten gehen davon aus, dass die EZB erst im Sommer die Zinswende einleiten wird. Bis dahin wird sich für viele Bankkunden vermutlich erst einmal gar nicht so viel ändern. Aktienmärkte und Kreditwirtschaft haben einen ersten Zinsschritt bereits eingepreist, viele Banken haben ihre Konditionen angepasst. Dennoch sollten Sparer und Immobilieninteressenten in den kommenden Wochen genau hinsehen.

Mit 2,4 Prozent im März nähert sich die Inflation im Euroraum beständig der EZB-Zielmarke von zwei Prozent. Selbst die um Nahrungsmittel und Energie bereinigte Kernrate rutschte erstmals seit dem Februar 2022 wieder unter die Drei-Prozent-Schwelle. Und auch bei Lebensmitteln zeichnet sich eine Normalisierung ab. Weil die Tarifabschlüsse in einigen Branchen deutliche Lohnsteigerungen brachten, bleibt für viele Verbraucher wieder mehr Geld für den Konsum. In vielen Ländern des Euroraums nimmt die Kaufkraft zu.

Wird Baufinanzierung nun günstiger? Das sagt eine Expertin

Vor allem bei den Energiepreisen ist die Entspannung zuletzt allerdings ins Stocken gekommen. Teilweise kletterte der Ölpreis in den vergangenen Tagen kurzzeitig über die Marke von 90 US-Dollar. Seit April gilt in Deutschland zudem wieder der normale Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Gas und Fernwärme. Zugleich sorgen gerade die steigenden Tariflöhne dafür, dass der Preisdruck vor allem bei Dienstleistungen wieder zunimmt.

Wer vor diesem Hintergrund für den Sommer auf schnelle Entlastung bei Konsumkrediten oder Baufinanzierungen hofft, dürfte enttäuscht werden. Die meisten Kreditinstitute hätten ihre Konditionen bereits angepasst und würden auf einen ersten Zinsschritt kaum noch reagieren, prognostizieren Experten. „Banken beziehen bei der Festsetzung ihrer Zinsen die aktuellen Markterwartungen mit ein“, erklärt etwa Katharina Lüth von der Finanzplattform Weltsparen. Entsprechend hätten vor allem die Topzinsen für Festgelder in den vergangenen Monaten bereits spürbar nachgelassen, bevor sie sich zuletzt wieder stabilisierten.

Verivox-Prognose: Trendwende steht bevor

Es zeichnet sich eine Trendwende ab. Sowohl an der Spitze des Marktes als auch im Marktdurchschnitt gäben Zinsen spürbar nach, analysiert die Vergleichsplattform Verivox: „Deutsche Topanbieter zahlen für Festgeldanlagen mit zwei Jahren Laufzeit aktuell 3,8 Prozent Zinsen – und damit einen halben Prozentpunkt weniger, als Sparer bei Kreditinstituten mit deutschem Einlagenschutz noch Anfang Dezember bekamen.“

Rührt den Leitzins nicht an: die EZB mit Sitz in Frankfurt am Main.
Rührt den Leitzins nicht an: die EZB mit Sitz in Frankfurt am Main. © iStock | kontrast-fotodesign

Ob es mittelfristig noch weiter nach unten geht, hängt vor allem von der EZB ab: „Wenn Christine Lagarde für den Sommer nicht nur eine, sondern sogar zwei Leitzinssenkungen in Aussicht stellen sollte, könnten die Festgeldzinsen noch tiefer in den Keller gehen“, prognostiziert Verivox.

Etwas besser sieht es noch beim Tagesgeld aus. Dennoch sollten sich Anleger beeilen, sagt auch der Ökonom Friedrich Heinemann vom Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW: Seiner Erwartung nach werden die Erträge für Tagesgeld schon bald spürbar sinken. Verivox rät daher: Wer noch größere Teile der Ersparnisse auf dem Tagesgeldkonto parkt, sollte die weitere Entwicklung genau im Blick behalten und das Geld gegebenenfalls abziehen, sobald die eigene Bank ihre Zinsen reduziert. Und Lüth empfiehlt: „Der Abschluss langfristiger Festgelder kann eine gute Option sein, um sich das aktuelle Zinsniveau auch für die nächsten Jahre zu sichern.“

Gute Angebote böten noch immer eine Verzinsung oberhalb der Inflationsrate, betont Verivox: Damit bringe das auf einem Festgeldkonto angelegte Kapital mehr Ertrag, als durch die laufende Teuerung verloren geht. Das war im vergangenen Jahr noch ganz anders, als die Inflation Zinsgewinne auf Spareinlagen weitgehend zunichtemachte.

Zinsentscheidung und Häuslebauer: Was sich jetzt lohnt

Etwas entspannt hat sich die Lage für angehende Häuslebauer: Nach Angaben der Münchener Interhyp sind seit Ende 2023 die Zinsen für zehnjährige Darlehen von mehr als 4,2 Prozent auf rund 3,5 Prozent gefallen. Anfang des Jahres verzeichnete der Berater für Immobilienfinanzierungen folglich eine deutlich gestiegene Nachfrage.

„Für Kaufinteressierte bietet sich am Immobilienmarkt eine gute Gelegenheit, um zuzugreifen“, sagt Vertriebsvorständin Mirjam Mohr. Auch für die kommenden Monate rechne sie damit, dass sich die Bauzinsen mit kleineren Ausschlägen nach unten und oben um die Marke von 3,5 Prozent bewegen werden. „Insgesamt hat sich mit Blick auf den Immobilienmarkt ein neues, gesünderes Gleichgewicht eingestellt – mit einem größeren Immobilienangebot als in den letzten Jahren und besserer Preisverhandlungsmacht auf der Käuferseite.“

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Aus dem vierteljährlichen „Bank Lending Survey“ der Deutschen Bundesbank entnehmen Experten bereits zarte Signale für eine Erholung im Geschäft mit Baufinanzierungen. Die steigende Nachfrage beginnt allerdings, sich auf die Immobilienpreise auszuwirken. Einen sprunghaften Anstieg bei den Preisen erwarte sie dennoch nicht, sagt Mohr. „Wer aktuell mit einem Kauf liebäugelt, für den gibt es keinen Grund zu warten.“