Berlin. Ungewöhnlich scharf rechnet der Arbeitgeberpräsident mit der Bundesregierung ab. Was an der Kritik dran ist und woher Gegenwind kommt.

Verlorenes Vertrauen, fehlende Strategie, unerfüllte Erwartungen: Ungewöhnlich deutlich hat der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (DGA), Rainer Dulger, die Wirtschaftspolitik der Ampel im Bund kritisiert.

„Die Unternehmen haben das Vertrauen in die Bundesregierung verloren“, sagte Arbeitgeberpräsident Dulger am Dienstagabend vor Journalisten. „Es kommt einfach nichts.“ Deutschland müsse wieder funktionieren. „Das wünschen wir uns, das wollen wir. Und uns und vor allem meinen Landesverbänden reißt mittlerweile der Geduldsfaden.“ Der Arbeitgeberverband spricht eigenen Angaben zufolge für rund eine Million Unternehmen mit mehr als 30 Millionen Beschäftigten.

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Dulgers Äußerungen riefen am Mittwoch sowohl Zustimmung als auch Unverständnis hervor. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Reinhard Houben, sagte dieser Redaktion: „Eine schlechte wirtschaftliche Lage wurde noch nie durch Gesundbeten bereinigt – aber eben auch nicht mit Schlechtreden. Arbeitgeberpräsident Dulger macht es sich mit seiner Pauschalkritik an der Wirtschaftspolitik der Ampel zu einfach.“

Grüne: Bundesregierung hat „in allen relevanten Bereichen geliefert“

Houben wies auf die Erfolge der Bundesregierung hin. Dazu gehörten das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, Steuerentlastungen, Bürokratieabbau, Planungsbeschleunigungen sowie die Erweiterung und Diversifizierung des Energieangebots. Die Ampel arbeite an vielen Stellen am neuen Aufschwung, so Houben. „Dafür brauchen wir konstruktive Beiträge auch von den Entscheidungsträgern der Wirtschaft“, mahnte der Bundestagsabgeordnete an.

Robert Habeck (l-r), Bundeskanzler Olaf Scholz und Christian Lindner müssen sich harscher Kritik aus der Wirtschaft erwehren. Das Vertrauen zur Regierung sei verloren gegangen.
Robert Habeck (l-r), Bundeskanzler Olaf Scholz und Christian Lindner müssen sich harscher Kritik aus der Wirtschaft erwehren. Das Vertrauen zur Regierung sei verloren gegangen. © DPA Images | Michael Kappeler

Auch die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Sandra Detzer, wies die Kritik des Arbeitgeberpräsidenten zurück. „Die Bundesregierung hat in allen relevanten Bereichen geliefert.“ Man werde weiter alles daran setzen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfest zu machen.

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Verena Hubertz, erklärte: „Statt mit Schnappatmung sollte sich der Arbeitgeberpräsident mit der wirtschaftlichen Realität beschäftigen. Ein DAX auf hohem Niveau und umfangreiche Dividendenzahlungen der Konzerne zeigen, dass wir doch robust durch die Energiepreisschocks und Corona gekommen sind.“ Wirtschaftlich stünde Deutschland deutlich besser da, als es die Stimmung im Land vermuten ließe, sagte Hubertz und reagierte damit auch auf den Vorwurf, Deutschland werde zum Bremsklotz innerhalb der Europäischen Union.

Was der Arbeitgeberverband nach seiner Abrechnung nun ankündigt

Dass die Wirtschaft durchaus hart mit der Scholz, Habeck undLindner ins Gericht geht, ist nicht neu. Dulgers Worte aber zeugen von fundamental unterschiedlichen Wahrnehmungen der Regierungsarbeit. Für gewöhnlich sind die Drähte zwischen Bundesregierung und Spitzenverbänden der Wirtschaft kurz. Nach dem Karlsruher Haushaltsurteil und seinen Folgen für die Unternehmen informierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) noch am Abend BDI, DIHK & Co. über das weitere Vorgehen.

Bei allen Meinungsverschiedenheiten schafften es Politik und Wirtschaft in der Vergangenheit in der Regel stets, sachlich an einem Tisch über Herausforderungen zu beraten. Daran dürfte auch die Abrechnung des Arbeitgeberpräsidenten nichts ändern. Der BDA kündigte an, im Gespräch mit der Bundesregierung weiterhin „konstruktiv zu bleiben“, so ein Sprecher gegenüber dieser Redaktion.

Herr Dulger mahnt zu Recht an, dass die Ampel ein überzeugendes Konzept für Wirtschaftswachstum vorlegen müsste.
Clemens Fuest, Ökonom

Wirtschaftswissenschaftler Clemens Fuest vom Münchner Ifo-Institut sagte am Mittwoch, er könne den Äußerungen Dulgers „in Teilen“ zustimmen. Das Gesamtbild, was die Leistung der Ampel angehe, sei aber aus seiner Sicht differenzierter zu sehen. „Die Ampel war in den letzten beiden Jahren mit akuten Krisen konfrontiert und hat im Krisenmanagement durchaus Erfolge vorzuweisen. Dazu gehört, dass es nicht zu einer Gasmangellage gekommen ist“, so Fuest.

CDU: „Mikromanagement“ der Ampel führt in die Sackgasse

Dennoch hält auch der Ökonom die wirtschaftspolitischen Leistungen der Bundesregierung nicht für ausreichend. „Herr Dulger mahnt zu Recht an, dass die Ampel ein überzeugendes Konzept für Wirtschaftswachstum vorlegen müsste, das den aktuellen Herausforderungen wie Arbeitskräftemangel, Energieverknappung und Strukturwandel in der Industrie gerecht wird“. Fuest wies weiter darauf hin, dass die unterschiedlichen Konzepte der Koalitionspartner aus seiner Sicht nicht zusammenpassten. „Während das grün geführte Wirtschaftsministerium explizit argumentiert, dass allgemeines Wirtschaftswachstum keine Priorität hat und Klimaschutz wichtiger sei, setzt das gelb geführte Finanzministerium eher auf Wachstum“, erklärte Fuest. Die Folge sei, dass eine „überzeugende wirtschaftspolitische Agenda“ fehle.

Peter Adrian, der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) hatte bereits Ende des vergangenen Jahres in ähnlich scharfem Ton wie Arbeitgeberpräsident Dulger jetzt vor dem wirtschaftlichen Abschwung in Deutschland gewarnt. „Der Frust bei den Unternehmen sitzt tief. Investitionen bleiben aus, Konjunkturerwartungen werden nach unten korrigiert, industrielle Produktion ins Ausland verlagert“, schrieb Adrian in einem internen Mailing, das dieser Redaktion vorliegt, an die deutschen Kammern. „Dahinter steckt eine tiefe Vertrauenskrise zwischen Wirtschaft und Politik.“

Aus der Opposition hieß es als Reaktion auf die Dulger-Äußerungen, der Unmut über die Politik der Ampel sei mittlerweile in allen Teilen und auf allen Ebenen unseres Landes spürbar. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Union, Julia Klöckner (CDU), sagte weiter: „Die deutschen Unternehmen schlagen Alarm, weil dieses politische Mikromanagement und immer neue Vorgaben und Bremsen von Bundesminister Habeck erkennbar in die Sackgasse führen.“ Die Ampelregierung sollte die Kritik ernst nehmen und eine grundsätzliche Kurskorrektur vornehmen, foderte sie.