Chefs des Vorstands und des Verwaltungsrats treten bei der Bank nach Manipulationen zurück

London. Der weltweite Skandal um Zinsmanipulationen sorgt bei der britischen Großbank Barclays für ein Führungschaos. Innerhalb von 24 Stunden nahmen die beiden Topmanager des Instituts ihren Hut. Vorstandschef Bob Diamond begründete gestern seinen Entschluss mit dem massiven Druck aus der Politik, der den Ruf der Bank gefährde. "Das kann ich nicht zulassen", sagte er nur einen Tag nach dem Rücktritt von Verwaltungsratschef Marcus Agius, der nun noch einen Nachfolger für den 60-Jährigen suchen soll. Auch der Leiter des operativen Geschäfts (COO), Jerry del Missier, verlässt das Unternehmen. Er ist ein enger Gefolgsmann Diamonds.

Noch am Montagmorgen hatte sich Diamond in einem Brief an die Mitarbeiter kämpferisch gegeben und Agius die volle Verantwortung für den Skandal übernommen. Doch kurze Zeit später kündigten Premierminister David Cameron und Finanzminister George Osborne eine parlamentarische Untersuchung des Skandals an. "Ich glaube, Herr Diamond hat die richtige Entscheidung getroffen", kommentierte Osborne den Rücktritt, der mit sofortiger Wirkung gilt. Das sei ein erster Schritt in Richtung einer neuer Verantwortungskultur, sagte er. Der Labour-Politiker Lord Peter Mandelson nannte Diamond schon vor Jahren das "unakzeptable Gesicht des Bankenwesens", als es in der Bankenkrise um Bonuszahlungen und Gelder in Steueroasen ging. Diamond steht erst seit vergangenem Jahr an der Spitze der Bank. Zuvor verantwortete er das Investmentbanking, also die Abteilung, in der es zu den Zinsmanipulationen gekommen ist.

Barclays war vergangene Woche zu einer Strafe von fast einer halben Milliarde Dollar verurteilt worden, weil es die ermittelnden Behörden in Großbritannien und den USA als erwiesen ansahen, dass das Institut Marktzinsen manipuliert hat. Die gut 300 Jahre alte Traditionsbank hat als erstes Geldhaus ein Fehlverhalten einiger Händler eingeräumt. Die Untersuchungen in der Europäischen Union, der Schweiz und den USA richten sich gegen mehr als ein Dutzend Großbanken, darunter auch die Deutsche Bank und die Schweizer UBS. Ihnen wird vorgeworfen, den weltweit gültigen Interbanken-Zinssatz Libor und andere Zinsen verzerrt zu haben. Der täglich in London fixierte Libor-Satz dient als Referenz für Kredite von Privatleuten und Unternehmen, Derivate sowie andere Finanzprodukte im Volumen von 360 Billionen Dollar (286 Billionen Euro). Er basiert auf Daten mehrerer Großbanken.

Durch die Weitergabe falscher Zinsen verschleierten die Institute ihre wahren Refinanzierungskosten und strichen Handelsgewinne ein. Barclays räumte ein, bewusst niedrigere Zinsen übermittelt zu haben, da man davon ausgegangen sei, dass andere Geldhäuser das auch täten. Diamond muss heute vor dem Untersuchungsausschuss aussagen, Agius morgen.