Neue Gebührenordnung ermöglicht höhere Preise für Zahnreinigungen, Kronen und Keramikfüllungen. Mehrkosten von 14 bis 20 Prozent erwartet.

Hamburg. Bevor die Zahnmedizinische Fachangestellte mit Kratzen und Polieren begann, hatte sie für ihren Patienten Olaf F. noch einen wichtigen Hinweis: "Es gibt jetzt eine neue Gebührenordnung. Damit wird die professionelle Zahnreinigung (PZR) etwas teurer. In Ihrem Fall 75 Euro statt bisher 50 Euro." Der Patient blieb dennoch ruhig auf dem Stuhl sitzen. Erst im Nachhinein errechnete er eine satte Preissteigerung von 50 Prozent. Dafür hatte die Fachangestellte noch einen tröstlichen Hinweis: "Eigentlich müssten Sie sogar 109 Euro bezahlen, aber den bisher von uns gewährten Bonus behalten Sie natürlich."

Nach 24 Jahren wurde die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) mit Wirkung zum 1. Januar überarbeitet. Erst jetzt kommt aber in der Öffentlichkeit an, dass damit ein neuer Preisschub beim Zahnarzt bevorsteht. Er trifft nicht nur Privatpatienten, sondern auch die gesetzlich Versicherten. "Die Überarbeitung der GOZ war notwendig, um sie an den medizinischen Fortschritt anzupassen", sagt Thomas Clement, Vorstand der Zahnärztekammer Hamburg. "Viele Leistungen, die heute nachgefragt werden, waren in dem bisherigen Gebührenwerk noch gar nicht verzeichnet." Die immer häufiger in Anspruch genommene Zahnreinigung ist ein Beispiel dafür. Der Zahnarzt musste die PZR mit ähnlichen, sogenannten analogen Leistungen abrechnen, was häufig zu einem Pauschalpreis führte. Nach der neuen GOZ kostet die PZR jetzt zwischen 1,57 und 5,51 pro Zahn. Abhängig ist das vom Gebührensatz, den der Zahnarzt je nach Aufwand anwendet. Häufig ist es der 2,3-fache. Bei 32 Zähnen stehen dann 115,84 Euro auf der Rechnung - 3,62 Euro pro Zahn.

Doch nicht nur für die meist selbst zu bezahlende Zahnreinigung müssen die Patienten tiefer in die Tasche greifen. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) listet Preissteigerungen für einzelne Leistungen zwischen 24 und 107 Prozent auf. Da diese Kostensteigerungen aber nur auf Teilleistungen einer Behandlung entfallen, andere Arbeitsgänge wie Anästhesie oder Untersuchung aber unverändert bleiben, fallen die Preissteigerungen insgesamt geringer aus. Der Verband der Privaten Krankenversicherung rechnet mit 14 bis 20 Prozent. Das höhere Kostenniveau der GOZ trifft neben den neun Millionen Privatversicherten auch alle 70 Millionen gesetzlich Versicherten. Denn vor allem beim Zahnarzt nehmen sie Leistungen in Anspruch, die über die Regelversorgung der GKV hinausgehen.

+++ Höhere Honorare sind überfällig +++

Das reicht von der Keramikfüllung statt Amalgam über die Wurzelkanalbehandlung bis zur vollverblendeten (zahnfarbenen) Krone. Solche Leistungen werden nach der GOZ abgerechnet. Von seiner Krankenkasse erhält der Patient lediglich einen Festzuschuss, der 50 Prozent der Regelleistung ausmacht. Nach einer Untersuchung des Verbandes der Ersatzkassen wurden bereits 2009 mehr als 76 Prozent der Zahnersatzleistungen mit den Versicherten nach der GOZ abgerechnet. Trotz höherer Gebühren bleiben die Bezuschussungsregeln der gesetzlichen Krankenkasse unverändert. "Die Patienten müssen also die Mehrkosten selbst tragen, sofern sie keine Zahnzusatzversicherung haben", sagt Michael Kleinebrinker vom GKV-Spitzenverband.

Nach seiner Einschätzung wurden in der neuen GOZ "jene Leistungen überdurchschnittlich aufgewertet, die gesetzlich Versicherte häufig in Anspruch nehmen". Für eine Vollkrone bezahlt der Patient jetzt rund 520 Euro. Bisher kostete sie 463 Euro. Von der Kasse gibt es mindestens 171 Euro Festzuschuss. Wer fünf Jahre regelmäßige Zahnprophylaxe im Bonusheft nachweisen kann, erhält 205 Euro. Die reinen zahnärztlichen Leistungen steigen bei der Vollkrone um 23 Prozent von 213 auf 262 Euro. Die übrigen Kosten entfallen auf die Zahnlaborleistungen.

Für eine zweiflächige Einlagefüllung aus Keramik muss der Patient 33 Prozent mehr bezahlen. Sie kostet jetzt nach Angaben eines führenden Krankenversicherers 489 Euro. Die gesetzliche Krankenkasse erstattet dafür nur 35 Euro. "Es gab seit mehr als zwei Jahrzehnten keine Anpassung der Gebühren bei den Zahnärzten mehr, im Gegensatz etwa zu Architekten oder Anwälten", sagt Standesvertreter Clement. "Außerdem bleiben 70 Prozent der Leistungspositionen unverändert." So geht das Basys-Institut lediglich von einer Mehrbelastung von 2,05 Euro pro Patient und Jahr durch die neue Gebührenordnung aus. Wer eine Teilprothese zum Ersatz von vier fehlenden Zähnen benötigt, muss in der Tat nicht mehr als vorher bezahlen. Diese Leistung kostet unverändert 768 Euro, abzüglich mindestens 392 Euro Kassenzuschuss.

Die Zahnärzte selbst sind trotz neuer Gebührenordnung unzufrieden. "Unsere Realeinkommen sinken seit Jahren", sagt Clement. "Gemessen an den Preissteigerungen in anderen Dienstleistungssparten hätte es auch eine Anhebung des Punktewertes auf neun Cent geben müssen." Doch der bleibt mit rund 5,6 Cent (beim einfachen Gebührensatz) für jeden Leistungspunkt unverändert. Jede einzelne Leistung ist in der GOZ mit einer Punktezahl versehen. Doch die Erhöhung der Punktezahl für einzelne Leistungen wie einflächige Einlagefüllung oder die Versorgung des Zahnes mit einer Teilkrone führen natürlich dennoch zu höheren Honoraren.

"Es gibt beim Honorarvolumen für die Zahnärzte keinerlei Nachholbedarf", sagt Stefan Reker vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV). "Die Honorare sind in den vergangenen Jahren bereits überdurchschnittlich gestiegen." So erhöhten sich die Ausgaben für die Privatversicherten in der Zahnmedizin von 1999 bis 2009 um 42 Prozent, während die allgemeine Preissteigerung bei lediglich 17,1 Prozent lag. Bei den gesetzlich Versicherten erhöhte sich der Selbstzahleranteil der zahnmedizinischen Versorgung im Bereich Zahnersatz zwischen 2004 und 2009 von 42 Prozent auf 62 Prozent. Dass dies mit einer seit mehr als zwei Jahrzehnten unveränderten Gebührenordnung möglich war, ist nach Rekers Einschätzung einem einfachen Trick geschuldet. Der 2,3-fache Gebührensatz wurde häufig überschritten.