Der Telefon- und der Softwarekonzern wollen den Markt für Smartphones aufmischen - als Abwehr gegen Apple, Google & Co.

Hamburg. Zwei Weltunternehmen arbeiten künftig zusammen. Das eine will auf seinem Feld Weltspitze bleiben, das andere will es ebendort werden. Nokia aus Finnland und Microsoft von der Westküste der USA schmieden eine Allianz, um den Markt für Smartphones - die mobilen Multigeräte der Kommunikation - gemeinsam zu bearbeiten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass zwei Unternehmen ihre Fähigkeiten bündeln, weil sie in einem bestimmten Segment gemeinsam stärker sind. Vor allem bei Nokia aber gilt die Kooperation als eine spektakuläre Strategiewende: Nie zuvor hat das Unternehmen die Software eines externen Anbieters in seinen Mobiltelefonen eingesetzt.

Der neue Nokia-Chef Stephen Elop hat seine Mitarbeiter dieser Tage in einem internen Brief auf harte Einschnitte und eine völlig neue Ausrichtung eingestimmt. Nokia sei vergleichbar mit einem Mann, der "auf einer brennenden Bohrinsel" stehe und "ins eiskalte Wasser stürzen" müsse, um zu überleben: "Wir sind zurückgefallen, haben große Trends verpasst und Zeit verloren", schrieb Elop. "Es wird enormer Anstrengungen bedürfen, um unser Unternehmen zu verändern."

Die Kooperation von Nokia und Microsoft ist ein Lehrstück dafür, dass auch Weltmarktführer ständig in Bewegung bleiben müssen, um ihre Vormachtstellung zu behaupten - in der schnelllebigen Branche der mobilen Kommunikationsgeräte gilt dies noch mehr als in vielen anderen Wirtschaftszweigen. In den 90er-Jahren hatte sich das finnische Unternehmen als führender Hersteller von Mobiltelefonen etabliert. Auch den Markt der Smartphones - Geräte, die Telefonie und SMS-Nachrichten mit der Nutzung des Internets kombinieren - erschloss zu Beginn der 2000er-Jahre zuerst Nokia.

Doch andere Unternehmen holten auf - vor allem Apple mit der Einführung des iPhones im Jahr 2007. Auch der Internetkonzern Google drängte mit seinem Betriebssystem Android auf den Mobilfunkmarkt. Nokia mit seinem Betriebssystem Symbian steht bei den Smartphones mittlerweile nur noch auf Rang zwei nach Android. Schlimmer noch für den finnischen Konzern: Gemessen am gesamten Markt für Mobiltelefone verlor Nokia von 2009 bis 2010 rund achteinhalb Prozent Marktanteil auf weniger als 30 Prozent. Die Position des Weltmarktführers bricht weg. In seiner besten Zeit kontrollierte das Unternehmen bis zu 40 Prozent des weltweiten Handygeschäfts.

"Nokia ist an einem kritischen Punkt, an dem eine bedeutende Veränderung nötig und unausweichlich ist", sagte Konzernchef Elop am Freitag in London. Dort stellte er gemeinsam mit Microsoft-Chef Steve Ballmer die neue Kooperation vor. "Heute wird aus einem Kampf mobiler Geräte ein Kampf zwischen mobilen Ökosystemen, und unsere Stärken in diesem Bereich ergänzen sich", sagten Elop und Ballmer. Vor allem Apple hatte das "mobile Ökosystem" als Verbindung des Endgeräts iPhone mit zahlreichen Anwendungen - den sogenannten Apps - und Vermarktungskanälen im Internet vorangetrieben. Nach Medienberichten bereitet Apple bereits die Einführung eines neuen kleineren iPhones vor.

Nokia will Smartphones mit seiner Symbian-Software für eine Übergangszeit weiter anbieten, setzt darüber hinaus aber auf das System von Microsoft, das als technisch weit besser gilt. Der Softwarekonzern wiederum erhofft sich von der Erfahrung des finnischen Konzerns einen Schub für sein eigenes Geschäft am Markt für Smartphones.

Die Börse honorierte die Kooperationspläne am Freitag nicht. Im elektronischen Handel in Frankfurt verlor die Nokia-Aktie zeitweise um mehr als 14 Prozent auf unter sieben Euro. Analysten zeigten sich skeptisch. "Ich denke, das ist absolut der richtige Schritt", sagte Jussi Hyoty von Front Capital. "Aber es stehen harte Jahre bevor. Es braucht Zeit, bis sich alles gefügt hat und die Software in den neuen Geräten ist." Manche Marktbeobachter hatten bereits mit einer Kooperation von Nokia und Microsoft gerechnet. Bevor Nokia-Chef Elop vor vier Monaten dort antrat, hatte der Kanadier für Microsoft gearbeitet. "Dieser Schritt offenbart, dass Nokia mit seiner Plattformstrategie auf ganzer Linie gescheitert ist", sagte Analyst Geoff Blaber von CCS Insight.

Nokia-Chef Elop machte bei der Präsentation am Feitag in London deutlich, dass die Neuausrichtung des Konzerns viele Stellen kosten werde, er nannte aber noch keine Zahlen. Die finnischen Minister für Handel und Arbeit, Paavo Väyrynen und Anni Sinnemäki, kritisierten, die Entlassungspläne seien ein herber Schlag für die Beschäftigung im finnischen Forschungs- und Entwicklungssektor. Sie warnten vor der "bei weitem größten Strukturänderung im Bereich der neuen Technologien in Finnland" und forderten, den Stellenabbau sozialverträglich zu gestalten. Ende 2010 arbeiteten weltweit mehr als 132 000 Menschen für Nokia, davon fast 23 000 in Finnland.