2011 erwartet die Kunden zwei bis drei Prozent mehr für Backwaren. Bäckerpräsident Peter Becker beklagt schwaches Bildungsniveau der Jugend.

Hamburg. Über fast zwei Jahre ist es ruhig geblieben an der Preisfront bei Backwaren, nun dürften die Brötchen wieder teurer werden. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, Peter Becker, nennt im Abendblatt die Gründe. Und er blickt sorgenvoll auf den Nachwuchs und die Billigketten in der Branche.

Hamburger Abendblatt:

Die Rohstoff- und Energiepreise steigen auf breiter Front. Müssen auch die Kunden in den Bäckereien im kommenden Jahr tiefer ins Portemonnaie greifen?

Peter Becker:

Viele Bäcker werden gezwungen sein, in den nächsten Monaten die höheren Kosten weiterzugeben. Nicht nur die Rohstoff- und Energiepreise haben angezogen. Auch die weltweite Nachfrage nach Getreide ist kräftig gestiegen, zum Beispiel in boomenden Volkswirtschaften wie China. Gleichzeitig werden die Anbauflächen zunehmend für regenerative Energien gebraucht. Auch deshalb werden die Preise steigen.

Um wie viel?

Becker:

Ich sehe Preiserhöhungen von im Schnitt zwei bis drei Prozent. Dabei darf der Verbraucher aber nicht vergessen, dass es in den vergangenen zwei Jahren so gut wie keine Erhöhungen gegeben hat. Der brutale Wettbewerb mit dem Lebensmitteleinzelhandel lässt große Preissprünge ohnehin nicht zu.

Die Geiz-ist-geil-Mentalität hat die Bäcker längst erreicht. In nahezu jeder Stadt findet der Kunde mittlerweile Billigbäcker. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Becker:

Ich halte dieses Geiz-ist-geil-Denken für einen Fehler. Wir setzen damit eine Spirale nach unten in Gang - bei der Produktqualität, der Ausbildung, aber auch bei den Löhnen. Zudem werden die Sortimente auf diesem Weg immer kleiner, die Produktvielfalt geht verloren - wie in den USA. Diese Entwicklung passt aus meiner Sicht nicht zu unserer Kultur in Deutschland.

Der Marktanteil der Biobäcker wird auf drei bis fünf Prozent geschätzt. Ein wachsender Markt?

Becker:

Die Biobäcker stoßen aus meiner Sicht langsam, aber sicher an ihre Grenzen. Denn die Unterschiede zu konventionellen Backwaren sind nicht besonders groß. So sind Biobackwaren weder bekömmlicher noch nachweislich gesünder. Ich sehe mehr den Trend, dass die Bäcker ihrem Teig mehr Zeit zum Entwickeln geben.

Wie schwierig ist es, Nachwuchs im Bäckerhandwerk zu finden?

Becker:

Allein 2009 konnten die Bäckereibetriebe acht Prozent ihrer Lehrstellen nicht besetzen. Es wird immer komplizierter, die jungen Menschen zu finden, die benötigt werden. Das Niveau der Bewerber ist seit zwei, drei Jahren gleichbleibend schlecht. Besonders schwierig ist es in Großstädten wie Hamburg, geeigneten Nachwuchs zu finden.

Wo genau sehen Sie die größten Defizite?

Becker:

Es fehlen schulische Grundfertigkeiten, und oftmals hapert es auch an der Motivation. Ich hatte erst jüngst einen Praktikanten mit Realschulabschluss, der nicht in der Lage war, 4 mal 50 zu rechnen. Und das ist kein Einzelfall. Alarmierend ist auch, dass ungefähr jeder Fünfte im Bäckerhandwerk seine Ausbildung vorzeitig abbricht. Das Durchhaltevermögen vieler junger Menschen ist sehr gering. Hinzu kommen gerade bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund Defizite in der deutschen Sprache. Häufig liegen die Probleme im Elternhaus. So kommt es zum Beispiel nur sehr selten vor, dass eine Mutter oder ein Vater zu einem Bewerbungsgespräch mitkommt. Das Interesse für die Zukunft des eigenen Nachwuchses ist oft nicht vorhanden.

Wie kann man gegensteuern?

Becker:

Ich halte Ganztagsschulen für einen guten Weg. Die Kinder werden dort auch am Nachmittag betreut, können zum Beispiel Sportangebote wahrnehmen oder Nachhilfe in Deutsch bekommen. Sie hängen dann nicht vor dem Fernseher oder Computer ab.

Bedauern Sie das Scheitern der Schulreform in Hamburg?

Becker:

Nein. Ich habe nichts gegen ein längeres gemeinsames Lernen. Aber Frau Goetsch wollte diese Reform viel zu schnell umsetzen. Letztlich kommt es darauf an, dass wir an den Schulen genügend, gut ausgebildete und vor allem motivierte Lehrer haben. Eine Strukturreform hilft hier nicht weiter.

Nicht nur geeignete Auszubildende sind schwer zu finden, auch Nachfolger für Handwerksbetriebe. Was sind die Gründe dafür?

Becker:

Mittlerweile hat jeder zweite Bäckereibetrieb Probleme, einen Nachfolger zu finden. Die Gründe sind mannigfach: Häufig wird zu spät mit der Suche begonnen, oft sind die Gewinnerwartungen des potenziellen Nachfolgers oder die Preisvorstellungen des Verkäufers zu hoch und die Höhe der Investitionen wird unterschätzt. Für das zuletzt genannte Problem versuchen wir jetzt, eine Lösung zu finden. Mit unserer Einkaufsgenossenschaft und dem Verband arbeiten wir an einem Fonds. Aus diesem Topf könnte dann zum Beispiel günstig Eigenkapital zur Verfügung gestellt werden.

Die Konjunktur hat wieder Fahrt aufgenommen. Werden davon 2011 auch die Bäcker profitieren?

Becker:

Solange die Währungsturbulenzen sich im Rahmen halten, gehe ich von einem ordentlichen Jahr 2011 für das Bäckerhandwerk in Deutschland aus. Der Umsatz dürfte im Schnitt um vier bis fünf Prozent zulegen, die Zahl der Arbeitsplätze und Lehrstellen konstant bleiben. Dennoch befürchte ich, dass sich durch den harten Konkurrenzkampf das Sterben der kleinen Bäckereien fortsetzen wird. So werden wohl auch 2011 weitere 400 Betriebe bundesweit schließen müssen.