Guerilla Marketing ist im Kommen: Sixt mischt sich unter Anti-Castor-Demonstranten, O2 stürmt eine Vorlesung an der Universität Köln.

Hamburg. Anheimelnd ist der neueste Werbespot der Hamburger Agentur Jung von Matt für den Autovermieter Sixt nicht gerade. Die Kamera wackelt. Hubschraubergeknatter und Martinshörner sind zu hören. Ein paar Leute basteln ein Transparent zusammen. Als sie fertig sind, reihen sie sich in den Demonstrationszug ein. "Stoppt teure Transporte! Mietet Van & Truck von Sixt!" steht auf ihrem Plakat.

Zu sehen ist der Spot auf der Internetplattform YouTube. Gedreht wurde er am Sonnabend im Wendland bei den Protesten gegen den Castortransport nach Gorleben. Die Resonanz auf das Werbefilmchen ist weitgehend negativ. Der Branchendienst Meedia findet die Aktion einfach nur "zum Fremdschämen". Der angesehene Werber Hubertus von Lohenstein urteilt: "Die Abteilung Spaßfraktion hat im Wendland nichts verloren." Und einige Blogger verweisen darauf, dass Jung von Matt mit dem Stromkonzern RWE auch einen Kernkraftwerksbetreiber zu seinen Kunden zählt. Womöglich wolle die Agentur deshalb den Castor-Protest mit der Sixt-Aktion ins Lächerliche ziehen.

Die provokanten Aktionen finden an Orten statt, wo sie niemand vermutet

Der Dreh im Wendland fällt in die Kategorie Guerilla Marketing. Dabei handelt es sich um Aktionen, die mit geringem Etat möglichst spontan und provokant an Orten veranstaltet werden, an denen niemand mit ihnen rechnet. Mitunter bewegen sich die Agenturen am Rande der Legalität. Das ist ihnen meist egal. Was zählt, ist die Aufmerksamkeit. Der Wirbel um die legale Sixt-Demo war jedenfalls erheblich.

Problematischer gestaltete sich eine Aktion des Mobilfunkanbieters O2 an der Uni Köln. Auch hier war mit der United Ambient Media eine Hamburger Agentur beteiligt: In ihrem Auftrag stürmte ein als Monster verkleideter Mann eine Vorlesung. Im Schlepptau hatte er vier junge Menschen in O2-T-Shirts die versuchten, ihn einzufangen. "O2 bezwingt Monstertarife", lautete die Botschaft der von der Uni nicht genehmigten Aktion. Die Hochschule erwog, O2 anzuzeigen, sah davon aber nach einer Entschuldigung des Mobilfunkanbieters ab. "Das war eine spontane Aktion in Köln", sagte O2-Sprecher Albert Fetsch dem Abendblatt. "Als wir mitbekommen haben, dass Professoren und Studenten irritiert waren, haben wir die Aktion sofort eingestellt und uns entschuldigt." Stefan Wasmuth, Vorstandsvorsitzender von United Ambient Media, kann sich immer noch nicht erklären, warum in Köln keine Genehmigung eingeholt wurde. Obwohl Genehmigungen anderer Hochschulen für vergleichbare Aktion vorlägen, sei die Kampagne einstweilen gestoppt.

In Branchenkreisen sieht man Guerilla Marketing kritisch. "Solche Aktionen mit halb illegalen Methoden können zum Bumerang werden", sagt Volker Nickel, Sprecher des Deutschen Werberats. "Guerilla Marketing ist nur eine hochtrabende Bezeichnung für PR-Akrobatik, die mit einem Fuß im Gefängnis steht." Die Aktionen seien nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern auch für die Markenkommunikation nicht hilfreich, weil oft viele Menschen verärgert werden. Dennoch sei denkbar, dass die Ideen Nachahmer finden.

"Es scheint immer mehr Agenturen zu geben, die Themen so positionieren", sagt Richard Gaul, Vorsitzender des Deutschen Rats für Public Relations. Das könne funktionieren, wenn niemand verärgert wird oder der Einsatz für eine gute Sache geschieht. Ein Beispiel sind die Proteste von Greenpeace, die das Guerilla Marketing in den 70er-Jahren auf Schlauchbooten praktisch erfunden haben.

Auch BMW hat gute Erfahrungen gemacht: Bei einem hochkarätigen Football-Endspiel in den USA buchte der deutsche Autobauer 20 Sitzplätze auf der Tribüne und platzierte dort einen Mini. Das Auto war stets im Bild, ohne dass BMW eine einzige Werbesekunde bezahlen musste. "Das war gelungen, weil keiner der Zuschauer davon genervt war", sagt Gaul, der glaubt, dass Guerilla Marketing "ein riskantes Randphänomen" bleibt.

Tatsächlich? O2 will trotz der Panne in Köln auf Guerilla Marketing nicht verzichten. United Ambient Media hat mit Promoductions eine auf diese Werbeform spezialisierte Tochter. Sixt ist mit der Aktion im Wendland zufrieden. Nur Jung von Matt mag sich einstweilen nicht äußern.