Finanzmarktkrise und Börsencrash haben den Assekuranzen schwer zugesetzt. Die Aktienquote bei den Versicherungen sinkt.

Hamburg. Die Hamburger Brüder Rolf und Werner Heinrich hatten keine Zweifel, bei welcher Gesellschaft sie ihre Kapitallebensversicherung abschließen. Natürlich beim Marktführer Allianz. Der ältere Bruder Rolf ging bereits vor zehn Jahren in den Ruhestand und erhielt 105 700 Euro ausgezahlt, nachdem er 30 Jahre lang monatlich 100 Euro für die Versicherung gespart hatte. Das entspricht einer Rendite von 6,27 Prozent und kann sich für eine risikoarme Anlage sehen lassen. Sein jüngerer Bruder Werner muss im Ruhestand mit rund 14 250 Euro weniger auskommen, weil er zehn Jahre später mit der Altersvorsorge startete und seine Versicherung erst in diesem Jahr ausläuft. Die Rendite sinkt auf 5,48 Prozent.

Das Beispiel zeigt, worauf sich die Kunden bei Deutschlands beliebtester Altersvorsorge einstellen müssen: Seit Jahren sinken die Auszahlungen bei auslaufenden Verträgen, wie eine aktuelle Studie des Branchendienstes map-Report belegt. Er vergleicht Jahr für Jahr die tatsächlich erreichten Ablaufleistungen bei Kapitallebensversicherungen über verschiedene Laufzeiten. Manche Gesellschaften wie Hannoversche, Provinzial NordWest oder Cosmos zahlen ihren Kunden rund 20 Prozent weniger aus als vor zehn Jahren (s. Tabelle) "Innerhalb von zehn Jahren ist die Rendite bei 30-jährigen Verträgen im Marktdurchschnitt von 6,18 auf 5,19 Prozent gesunken", sagt map-Herausgeber Manfred Poweleit. Das mag nicht dramatisch erscheinen, bedeutet aber rund 17 300 Euro weniger für die Altersvorsorge.

Ablaufleistungen der Lebensversicherer im Vergleich

Noch härter dran sind jene Kunden, die es nicht schaffen, über Jahrzehnte etwas für den Ruhestand zurückzulegen. Wer nur zwölf Jahre monatlich 100 Euro spart, erhält jetzt im Schnitt 18 000 Euro ausgezahlt. Vor zehn Jahren waren es noch knapp 4000 Euro mehr. Innerhalb des Vergleichszeitraums hat sich die Rendite von 6,22 auf 3,36 Prozent fast halbiert. "Die weltweite Niedrigzinspolitik der Notenbanken und mehrere Zusammenbrüche der Aktienmärkte seit 2000 machen sich bei den zwölfjährigen Verträgen besonders bemerkbar", sagt Poweleit. Vor allem vom Börseneinbruch im Jahr 2002 wurden viele Versicherer hart getroffen.

Doch auch die jüngste Finanzkrise hat tiefe Spuren bei den Assekuranzen hinterlassen. Im Krisenjahr 2008 verdienten die Versicherer mit ihren Kapitalanlagen nicht mal eine Milliarde Euro, während sie in guten Jahren auf acht bis zehn Milliarden Euro kommen. Allein im Zeitraum von 2008 bis jetzt sanken die Auszahlungen bei Verträgen mit 30 Jahren Laufzeit um 4200 Euro.

Die Kunden müssten sich auf noch größere Einbußen einstellen, wenn die Versicherer nicht noch andere Quellen als die Gewinne aus Kapitalanlagen für die Überschussbeteiligung zur Verfügung hätten. "Eine große Rolle spielen inzwischen die Risikogewinne, die 2008 rund 6,5 Milliarden Euro ausmachten", sagt Poweleit. Solche Gewinne entstehen in der Lebensversicherung, wenn weniger Menschen vorzeitig sterben und einkalkulierte Beiträge für den Todesfallschutz nicht im geplanten Umfang benötigt werden. Solche Besonderheiten und auch ein Ausgleichstopf für schlechte Zeiten sorgen dafür, dass die Lebensversicherungskunden die sehr niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt nicht ungedämpft zu spüren bekommen. Aber an weiter sinkenden Ablaufleistungen werden sie kaum etwas ändern. "Die Auszahlungen der Versicherer sind heute weit von dem entfernt, was den Kunden bei Vertragsabschluss einmal in Aussicht gestellt wurde", sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten.

Nicht alle Versicherer sind vom Rückgang der Ablaufleistungen gleich stark betroffen. So sind die Auszahlungen der Debeka nur um ein Prozent innerhalb von zehn Jahren gesunken. Vor zehn Jahren gab es noch einige Versicherungen wie die Neue Leben oder die HUK Coburg, die die Debeka bei den Ablaufleistungen deutlich übertrafen. Inzwischen hat die Debeka mit einer sehr konservativen, langfristigen und geringe Kosten verursachenden Anlagepolitik die Konkurrenz hinter sich gelassen.

"Unsere Aktienquote liegt unter einem Prozent. Das ist sicherlich ein Grund dafür, dass wir durch das letzte Jahrzehnt relativ schadlos gekommen sind", sagt Unternehmenssprecher Christian Arns. Das Unternehmen setzt vor allem auf festverzinsliche Wertpapiere ohne Währungsrisiko und mit höchster Bonität. "Wir investieren trotz hoher Rendite nicht in griechische Staatsanleihen", sagt Arns. Die Allianz begründet den Rückgang der Ablaufleistungen mit dem Rückgang der Zinsen. "Dennoch liegt unsere Verzinsung noch deutlich über den Kapitalmarktzinsen", sagt Katrin Wahl von der Allianz. Außerdem müsse man berücksichtigen, dass die Inflation heute deutlich niedriger ist als vor zehn Jahren, die Einbußen der Kunden sich also relativieren. Dennoch bleibt der Abstand des Marktführers zum Erstplazierten Debeka: rund 17 400 Euro.

Könnten sich die Brüder Heinrich noch einmal entscheiden, würden sie wahrscheinlich nicht automatisch auf den Marktführer setzen.