3300 Arbeitsplätze in Deutschland sind betroffen. Hamburg bleibt weitgehend verschont, Standorte in Erlangen und München tragen die Hauptlast

Hamburg/München. Nach diversen Kostensparplänen müssen sich die Mitarbeiter von Siemens auf weitere Einschnitte einstellen: Konzernchef Joe Kaeser will mit dem Abbau von 7800 Stellen den Umbau des Technologieunternehmens hinter sich bringen. Von der Summe fallen allein 3300 in Deutschland weg, teilte Siemens am Freitag mit. Zuvor hatte der Konzern den Wegfall von rund 1200 Jobs in der Energiesparte bekannt gegeben. In Hamburg werden aber, dies erfuhr das Abendblatt aus Firmenkreisen, nur wenige Mitarbeiter von dem Arbeitsplatzabbau betroffen sein.

Über den Umfang des Stellenabbaus bei dem Konzern, der sich in der Vergangenheit auch von der Mobilfunksparte, dem Kernkraftgeschäft und den Hausgeräten getrennt hatte, war seit Wochen spekuliert worden. Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern würden in Kürze beginnen, sagte die neue Personalchefin Janina Kugel. Es gebe eine Vereinbarung, wonach Siemens betriebsbedingte Kündigungen vermeiden wolle. Kugel: „Die gilt selbstverständlich weiterhin.“

Hochrangigen Konzerninsidern zufolge sind vor allem die Standorte in Erlangen und Nürnberg betroffen. In Erlangen fallen demnach 900 Arbeitsplätze Kaesers Plänen zum Opfer, in Nürnberg weitere 300. In der Münchner Konzernzentrale kappt Siemens 500 Jobs, an verschiedenen Standorten in Nordrhein-Westfalen 300. Über interne Jobbörsen solle versucht werden, möglichst viele Betroffene auf andere Stellen im Haus zu vermitteln.

Die Einschnitte würden den Konzern den Insidern zufolge einen Betrag im mittleren bis oberen dreistelligen Millionenbereich kosten. Das Geld dafür soll aus dem Erlös der Verkäufe des Anteils an Bosch Siemens Hausgeräte und der Hörgerätesparte kommen. In zwei Jahren soll alles über die Bühne gegangen sein. Das Einsparziel von einer Milliarde Euro werde damit praktisch bis 2016 erreicht. Das Geld solle dann in Innovation und Wachstum fließen. Kaeser hat im Rahmen seines Umbaus zwei Organisationsebenen gestrichen, in der bis September mehr als 14.000 Menschen arbeiteten. Für sein Ziel, Siemens profitabler zu machen, sei diese Bürokratie hinderlich. „Die Sektoren und die Cluster haben Siemens nicht unbedingt schneller und effektiver gemacht“, sagte ein Insider über die von Kaesers Vorgänger Peter Löscher geschaffenen Strukturen. Diese Managementbereiche sind allerdings nicht in der Hamburger Niederlassung angesiedelt, sodass hier auch kein Abbau dieser Verwaltungsstellen droht, heißt es aus dem Konzern.

„Dem Abbau überflüssiger Bürokratie und der Verschlankung komplexer Prozesse im Rahmen des Umbaus der Siemens AG stimme ich grundsätzlich zu“, urteilte Claus Timmann, Betriebsratsvorsitzender von Siemens in Hamburg über die Pläne. „Abbau von Bürokratie ja, Abbau von Stellen nein“, fordert der Arbeitnehmervertreter.

Die direkte Kundenschnittstelle in den Siemens-Niederlassungen wie Hamburg dürfe auf keinen Fall geschwächt werden. „Wir Betriebsräte werden jedenfalls alles versuchen, die Zahl von etwa 3300 betroffenen Mitarbeitern, deren Aufgaben vor allem in den Zentralen wegfallen sollen, weiter zu reduzieren, in dem sie woanders eingesetzt werden. Wir fordern Qualifizierung und interne Versetzungen statt Abbau“, sagte Timmann.

Der aktuelle Abbau in der Verwaltung steht in einer langen Reihe von Jobkürzungen bei dem Traditionskonzern. Siemens beschäftigte einst fast eine halbe Million Menschen. Schon länger ist eine Entwicklung zur Verlagerung von Stellen ins Ausland zu erkennen. So waren 2001 über 41 Prozent der Siemens-Mitarbeiter in Deutschland tätig. 2006 waren es noch 34 Prozent, heute arbeiten hierzulande 115.000 Menschen für Siemens, weltweit sind es 343.000, der Trend setzt sich also fort.

Kündigungen sind bei den Münchnern allerdings selten. Meist erreicht das Management sein Ziel zur Kostenreduktion mit Abfindungen oder Ruhestandsregelungen. In Hamburg sieht die Entwicklung beim Siemens-Personal zudem besser aus: Waren 2007 noch 1300 Menschen in der Hansestadt bei dem Konzern beschäftigt, sind es heute mehr als 2000. Die Konzentration auf wichtige Wachstumsmärkte stärkt die Niederlassung im Norden. Allein der neue Bereich der Netzanbindung von Offshore-Windkraftanlagen und die Weltzentrale der Windenergie sitzen in Hamburg und sichern hier Hunderte Jobs in einem Zukunftsmarkt. Die Ausrüstung von Schiffen mit Hybridantrieben, etwa bei Scandlines oder den Aida-Kreuzfahrern, organisieren die Hamburger Siemens-Mitarbeiter erfolgreich. Auch die Landstromanlage im Hamburger Hafen, die der Luftverschmutzung durch die Schiffe entgegenwirken soll, stammt von Siemens.

Kaeser hatte nach seinem Amtsantritt im August 2013 angekündigt, das Unternehmen werde sich in Zukunft stärker auf einzelne Bereiche konzentrieren: auf Energietechnik, Öl- und Gasförderzubehör und Industrieausrüstung. Die Gewerkschaft sieht die vom Management geplanten Einschnitte indes kritisch.

Die Arbeitnehmervertreter befürchten nach dem Abbau in der Verwaltung zudem die Abspaltung der Medizintechnik, deutete Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler an. „Wir werden alles daransetzen, dass Healthcare ein langfristiger Bestandteil von Siemens bleibt.“