Der neue Vorstandschef Rolf Habben Jansen will die Reederei für den Börsengang vorbereiten und 2016 wieder Gewinn erzielen. Ein Personalabbau ist aber vorerst nicht geplant

Hamburg. „Die Firma“, sagt Rolf Habben Jansen, sei grundsätzlich gut aufgestellt. Sicher, die Kosten und die Verschuldung müssen weiter sinken, neue Schiffe müssen bestellt und die Fahrpläne besser eingehalten werden. Der Kontakt zu den Kunden soll wieder in den Mittelpunkt rücken und der zu den Anteilseignern möglichst so eng bleiben, wie er derzeit ist. Trotzdem ist der neue Vorstandsvorsitzende optimistisch: „Wir haben eine sehr gute Chance, das Unternehmen zu drehen.“ 2016 soll Hapag-Lloyd wieder Gewinn schreiben. Es wäre dann das erste Mal seit sechs Jahren. Auch für 2015 erwartet Habben Jansen einen Verlust.

Seit Juli 2014 führt der niederländische Logistikexperte Deutschlands größte Reederei, schon drei Monate zuvor trat er in den Vorstand ein. Die Fusion mit der Containersparte der chilenischen Reederei CSAV hat ihn bis zum Jahresende stark eingebunden. Erst jetzt kommt Habben Jansen, 48, dazu, sich der Öffentlichkeit ausführlicher zu präsentieren. Von der „Firma“ spricht er an diesem Abend in einem Restaurant in der HafenCity oft, wenn er Gegenwart und Zukunft von Hapag-Lloyd beschreibt. Habben Jansen meint das nicht despektierlich, er kennt die Geschichte der Reederei und ihre Bedeutung für die Hamburger Schifffahrt genau. Und doch markiert der Beginn seiner Amtszeit einen Einschnitt: Habben Jansen gehört zu jener jüngeren Generation von Managern, die ganz selbstverständlich eine internationale Karriere absolviert haben, die ein Unternehmen vor allem pragmatisch nach Chancen und Risiken führen und weniger in den Kategorien von Institution und Tradition. Er wundere sich, dass auf den weitläufigen Fluren von Hapag-Lloyd am Ballindamm meist Deutsch gesprochen werde, sagt er. Und er müsse viel öfter als bei seinen früheren Arbeitgebern, den Transport- und Logistikunternehmen Damco, DHL, Danzas und Royal Nedlloyd, vom „Du“ im Gespräch wieder auf „Sie“ umschalten.

Für die Bestandsaufnahme allerdings ist die Sprache zweitrangig. Hapag-Lloyd steckt in einer tiefen Krise. Jahrelang war das Unternehmen vor allem mit sich selbst beschäftigt. Seit 2008 galt es, eine mögliche feindliche Übernahme mithilfe eines neu formierten Eignerkreises abzuwehren. Zusätzliche Größe wollte Hapag-Lloyd 2013 durch eine Fusion mit der Reederei Hamburg Süd gewinnen – der Plan scheiterte unter anderem an den Eignern von Hamburg Süd, der weit verzweigten Familie Oetker. Stattdessen ging Hapag-Lloyd mit CSAV zusammen und rückte auf Rang vier der weltgrößten Containerlinien vor. Dafür ist CSAV, das mehrheitlich der chilenischen Industriellenfamilie Luksic gehört, nun mit rund 34 Prozent der größte Anteilseigner bei Hapag-Lloyd, gefolgt von der Stadt Hamburg mit etwa 23 und dem Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne mit rund 21 Prozent der Aktien.

Bei der Fusion von Hapag-Lloyd und CSAV vereinbarten die drei Großaktionäre, für die kommenden zehn Jahre gemeinsam mindestens 51 Prozent der Hapag-Lloyd-Anteile zu halten. Das verschafft Habben Jansen, der mit einem Fünfjahresvertrag arbeitet, zunächst einmal Ruhe an der Eignerfront. Nun muss er sich um die Zahlen kümmern. Bis November sollen „deutlich mehr als 100 Millionen Dollar“ Kosten eingespart werden, zusätzlich zu den 300 Millionen Dollar an Einsparungen, die man durch den Zusammenschluss mit CSAV realisieren will. Allerdings nicht beim Personal, denn das trage nur fünf Prozent zu den Gesamtkosten des Unternehmens bei. Rund zwölf Milliarden Dollar Umsatz soll Hapag-Lloyd in diesem Jahr erzielen, bei einem durchschnittlichen Kurs von 1,25 Dollar je Euro. Überhaupt rechnet Habben Jansen seine Pläne lieber in Dollar als in Euro vor, obwohl Hapag-Lloyd in der europäischen Gemeinschaftswährung bilanziert. Der Dollar sei eben die „Arbeitswährung“ der Reederei, bei den Frachtraten für die Container, den Preisen für Brennstoff oder für neue Schiffe.

Den seit Jahren beschworenen Börsengang von Hapag-Lloyd hat Habben Jansen im Blick, aber nicht vordringlich. „Der Plan ist gut“, sagt er, „deshalb nehmen wir uns Zeit, ihn zu realisieren. Zuvor wollen wir wieder profitabel werden.“ Von November an wolle man bereit sein, Aktien zu platzieren, wenn der Kapitalmarkt dies erlaube. Der Druck bei Hapag-Lloyd ist hoch, die Dinge zu verbessern. Niedrige Frachtraten und hohe Brennstoffkosten dienten am Ballindamm jahrelang als Orientierungsgrößen für die schlechte Ertragslage. Doch längst fahren größere Konkurrenten wie Mærsk oder CMA CGM wieder ansehnliche Gewinne ein, auch die kleinere Reederei Hamburg Süd arbeitet profitabel. „Die gute Gewinnsituation bei Mærsk hängt nicht nur mit deren vielen großen Schiffen und den damit verbundenen Vorteilen zusammen“, sagt Habben Jansen. „Bei Mærsk machen sie einfach einen guten Job.“

Habben Jansens Vorgänger, der langjährige Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt, ist als Vorsitzender des Aufsichtsrates nun sein oberster Kontrolleur. Eine Konstruktion, die in der deutschen Wirtschaft früher gang und gäbe war, die heute aber oft kontrovers diskutiert wird. „Bevor ich zu Hapag-Lloyd kam, hatte ich auch Sorge, ob das funktioniert“, sagt Habben Jansen. „Mittlerweile weiß ich, auch durch die gemeinsamen Monate im Vorstand: Wir arbeiten gut zusammen und ergänzen uns.“