IT-Tochter stellt sich neu auf. Rechenzentrumsparte geht an IBM, Industriesparte wächst in Hamburg mit neuen Kunden

Hamburg. Die Lufthansa muss sparen, auch in ihrer IT-Sparte. Aus diesem Grund hat sie Ende Oktober die Auslagerung von 1400 Beschäftigten der Tochtergesellschaft Lufthansa Systems zum IBM-Konzern beschlossen, was im Vorfeld zu Verunsicherung bei den Mitarbeitern geführt hatte. Auch eine Abteilung in Hamburg ist davon betroffen: Rund 60 Personen, die Computerbenutzer bei Lufthansa Technik betreuen, wechseln zu dem US-amerikanischen Branchenschwergewicht.

Doch weitere knapp 600 Beschäftigte von Lufthansa Systems in Hamburg und Norderstedt bleiben im Kranichkonzern – und der Bereich Industry Solutions, in dem sie tätig sind, soll noch deutlich ausgebaut werden. „Das ist ein Wachstumsmotor“, sagt Stefan Hansen, der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa-Tochter. „Jede Woche stellen wir neue Mitarbeiter ein.“

Der Geschäftsbereich mit insgesamt 1000 Mitarbeitern ist eine der bislang drei Sparten von Lufthansa Systems. Die beiden anderen sind der Bereich Airline Solutions, der zum Beispiel Flugplanungssoftware anbietet, und die Rechenzentrumssparte Infrastructure, die nun an den IBM-Konzern verkauft wird.

Die Kundenbasis des Industriebereichs, der in Hamburg entstanden ist, umfasse mehr als 150 Unternehmen vom Mittelständler bis zum DAX-Konzern, erklärt Hansen. Dabei gebe es – passend zum Standort Hamburg – einen Schwerpunkt im Logistiksektor. Viele der Kunden kommen aus der maritimen Wirtschaft. So unterstützen Spezialisten von Lufthansa Systems die Reederei Hamburg Süd bei der Entwicklung eines integrierten IT-Systems mit dem Namen Globe, das die kompletten operativen Prozesse des Unternehmens abdeckt.

Ein sehr großes Projekt bei einem anderen Hamburger Kunden aus dem Schifffahrtsumfeld ist Ende September abgeschlossen worden: Insgesamt rund 50 Entwickler und Programmierer waren an der Einführung des neuen Systems beteiligt, das bei der Hafenbahn alle Zugfahrten und Gleisbelegungen regelt – und mit täglich etwa 200 Güterzügen ist Hamburg Europas größter Eisenbahnhafen. „Die Arbeiten an diesem weltweit modernsten System für diesen Einsatzbereich haben schon im Jahr 2008 begonnen“, so Hansen.

Außerdem hat Lufthansa Systems bis heute mehr als 40 Passagierschiffe mit in Hamburg entwickelten Bordunterhaltungssystemen ausgestattet. Von dem Hamburger Kreuzfahrtanbieter TUI Cruises hat die Firma den Auftrag erhalten, die Neubauten „Mein Schiff 3“ und „Mein Schiff 4“ mit modernen Netzwerken, zum Teil kabellos, auszurüsten. Aber auch im Luftfahrtsektor ist die Industriesparte tätig. Zusammen mit Airsys, dem IT-Dienstleister von Hamburg Airport, will man bis 2015 die wichtigsten Computersysteme des Flughafens mit dem neuesten Technologiestand modernisieren. Zu den weiteren prominenten Kunden in Hamburg gehört Vattenfall Europe. Angepeilt wird zudem, in der Automobilbranche weiterzuwachsen und die Kompetenzen für das wichtige Zukunftsthema Big Data – die intelligente Nutzung großer Datenumfänge – gezielt auszubauen.

Seit der Gründung von Lufthansa Systems als eigenständiges Unternehmen im Jahr 1995 sei es sehr gut gelungen, Dienstleistungen auch außerhalb des Mutterkonzerns zu vermarkten, sagt Hansen. Das gelte ganz besonders für die Sparte Airline Solutions, die weltweit rund 300 Kunden hat: „Es gibt kaum eine Fluggesellschaft, die nicht mindestens ein Produkt oder eine Lösung von uns einsetzt.“

In der Industriesparte erwirtschafte man mit konzernfremden Kunden rund 60 Prozent des für 2014 geplanten Bereichsumsatz von knapp 200 Millionen Euro – das sind ungefähr 30 Prozent des Gesamtumsatzes von Lufthansa Systems. Die Infrastruktursparte macht jedoch eine Ausnahme. „Sie macht ihr Geschäft weitgehend mit der Lufthansa-Gruppe“, erklärt Hansen. Am Standort Kelsterbach nahe dem Frankfurter Flughafen betreibe der Bereich zwar eines der größten kommerziell betriebenen Rechenzentren in Europa. „Aber dieses Geschäft erfordert beständig hohe Investitionen. Andere Anbieter betreiben es in noch größerem Stil und haben dadurch uneinholbar große Kostenvorteile.“ Aus diesem Grund sei die Entscheidung gefallen, die Sparte abzugeben. Für mindestens sieben Jahre wird IBM nun den Lufthansa-Konzern mit IT-Dienstleistungen versorgen.

Infolge dieses Beschlusses bekommen 1400 der weltweit 4200 Beschäftigten von Lufthansa Systems einen neuen Arbeitgeber. „Sie werden eine gute Perspektive haben“, sagt Hansen. „Das Konzept von IBM hat im Hinblick auf die Beschäftigungssicherung überzeugt.“ Die 60 Mitarbeiter der Infrastruktursparte in Hamburg würden aber auch künftig am gleichen Standort bleiben.

Mit dem Verkaufsbeschluss ändert sich die Struktur von Lufthansa Systems radikal: Die bisherige Aktiengesellschaft mit Hansen an der Spitze wird im kommenden Frühjahr aufgelöst. Die beiden Sparten Airline Solutions und Industry Solutions sollen dann als „eigenständige Gesellschaften mit voller unternehmerischer Verantwortung des Managements“ als Töchter des Lufthansa-Konzerns weiter bestehen.

Mit der Umsetzung dieses Konzepts hat Hansen, der im Jahr 2010 an die Spitze von Lufthansa Systems rückte, nach eigenen Worten seine Aufgabe im Unternehmen erfüllt. Er wurde in einer schwierigen Zeit gebeten, diesen Auftrag zu übernehmen: Das Unternehmen drohte, in die roten Zahlen zu rutschen, eine Sanierung stand an. Mehr als zehn Prozent der Arbeitsplätze wurden seinerzeit abgebaut, ein Drittel der Managementpositionen abgeschafft. Inzwischen hat sich das Geschäft offenbar stabilisiert; in den ersten neun Monaten 2014 nahm der operative Gewinn um knapp ein Viertel auf 21 Millionen Euro zu.